Medizinstudium mit HSG-Stärken
Zuvor hatten sie an der Universität Zürich, die sich mit der Universität St.Gallen und dem hiesigen Kantonsspital auf einen Kooperationsvertrag verständigt hatte, das dreijährige medizinische Grundstudium mit dem Bachelor-Diplom beendet. Nach der erfolgreichen Bewältigung des ebenfalls dreijährigen Hauptstudiums an der «School of Medicine» (Med-HSG) wird das Studium mit einem gemeinsamen Diplom (Joint degree) abgeschlossen.
«Institut mbA»
Seit Anfang 2020 leitet Prof. Dr. Alexander Geissler als Akademischer Direktor und Lehrstuhlinhaber für Management im Gesundheitswesen an der Universität St.Gallen die Med-HSG an der St.Jakobsstrasse 21. Der aus Deutschland stammende Wirtschaftsingenieur beschäftigt sich vorrangig mit Gesundheitsökononomie, Versorgungsforschung sowie Gesundheitssystemforschung. Er war massgeblich am Aufbau der School of Medicine und der Entwicklung des Masterstudiengangs beteiligt. Ein kantonaler Volksentscheid zum vorgesehenen Master-Studiengang hatte 2018 gezeigt, dass die überwiegende Zahl der Stimmberechtigten die Schaffung eines HSG-Medizinstudiums begrüssten. In der ersten Betriebsphase von 2020 bis 2023 sind 17 Millionen Franken vorgesehen, wovon 3,6 Millionen Franken der Bund beisteuert. «Eine neue Medizinfakultät kam allerdings nicht infrage. Die School of Medicine firmiert als Institut mit besonderem Auftrag», erklärt Alexander Geissler.
Mit Bestnoten nach St.Gallen
Wer in Zürich das BA-Grundstudium beginnt, muss sich gleich zu Beginn entscheiden, an welcher anderen Universität der Schweiz er nach dreijährigem Studium den Master-Abschluss erwerben will. St.Gallen scheint bereits jetzt schon so beliebt zu sein, dass es mehr Anmeldungen als MA-Studienplätze gab und die verfügbaren Plätze über einen Eignungstest vergeben wurden. Wie der Masterstudiengang in St.Gallen verläuft, schildert Geissler so: Während im ersten Jahr vor allem klinische Kurse aller Art vorgesehen sind, folgt ein einjähriges Praktikum in verschiedenen Kliniken und Hausarztpraxen, «man ist da ziemlich frei in der Zusammenstellung des Praktikums». Die vorgesehenen klinische Kurse am Patientenbett seien ausgesprochen praxisorientiert. Im dritten Jahr schliesslich wird das erworbene Wissen vertieft, erweitert und verknüpft, damit die Studenten optimal auf das Staatsexamen vorbereitet sind. «Im HSG-Masterstudiengang werden inhaltlich und didaktisch neue Wege beschritten», fährt er fort. Als vorrangig bezeichnet Geissler das verstärkte Lernen in Kleingruppen entlang definierter Fallkonstellationen, «wir wollen deutlich vom Frontalunterricht weg».
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«Die Zukunft der Medizin ist weiblich»
Wie sich die bekannten HSG-Stärken – Ökonomie, Recht und Management – mit dem neuen Lehr-gang verknüpfen lassen, habe man von Anfang an als wichtiges Anliegen betrachtet. «Eines der wichtigsten Themen für den Arzt von morgen ist die Digitalisierung», sagt Alexander Geissler. Aber auch Fragen des medizinischen Rechts im Umgang mit Patienten, Aspekte des medizinischen Managements, etwa auf dem Gebiet der Finanzierung, und die Funktionsweise von Gesundheitssystemen stehen seinen Worten nach im Vordergrund. Weiterhin beschäftigen sich die Studenten mit der Frage, wie die durch verschiedene Fachjargons der einzelnen Bereiche im Gesundheitssektor hervorgerufenen Kommunikationshürden überwunden werden können. «Solche Probleme zeigen sich nicht zuletzt im Austausch zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal», gibt Alexander Geissler zu bedenken. In welchem Mass die Medizin-Ausbildung an der HSG wie allgemein erhofft dazu beiträgt, dass künftig mehr Absolventen in der Ostschweiz ihre Tätigkeit aufnehmen, kann auch Geissler derzeit nicht einschätzen. Auf jeden Fall herrsche Handlungsbedarf: «Die in der Grundversorgung tätigen Ostschweizer Ärzte sind zu 50 Prozent über 55 Jahre alt. Wir brauchen dringend frische Kräfte, gestärkt für die Herausforderungen von Morgen», konstatiert er. Dass die Masterklassen derzeit zu über 75 Prozent aus Frauen bestehen, nimmt Alexander Geissler mit Genugtuung zur Kenntnis: «Ich gehe davon aus, dass die Zukunft der Medizin weiblich ist».