St.Gallen

Der findige Käser – 25 auf einen Streich

Der findige Käser – 25 auf einen Streich
Willi Schmid
Lesezeit: 4 Minuten

Willi Schmid tritt bescheiden auf. Wer sich für Käse interessiert, den entführt er aber in eine reiche Welt – voller Respekt für die Schätze der Natur. Dabei verbindet er altes Wissen und modernes Handwerk mit seinem feinen Gaumen, wie ein Besuch in seiner Toggenburger Käserei zeigt. Um Schmids Käse reisst sich die halbe Welt zwischen Amerika und Asien.

Käsermeister Willi Schmid, sein Sohn Nicolas, sein Patensohn Remo Schmid und Sandra Brunner machen sich bereit: Weisse Schürzen, weisse Stiefel, weisses Käppi – das Team der Städtlichäsi Lichtensteig versammelt sich im Produktionsraum mit dem vielen glänzenden Chromstahl. Dort werden Hände und Arme ausgiebig desinfiziert. 1037 Liter Ziegenmilch wurden geliefert, wie meistens am Dienstag – ausser im Winter. «Wer dann Geissen melkt, muss sie im Dunkeln einsperren», weiss Schmid. Solche Milch will er nicht. Die Bauern liefern hier persönlich, nur ihre eigene Milch. Sammeltransporte fahren keine vor, was bei Käsereien sonst Usus ist. «Wir können das Rohmaterial eines Käses bis aufs Tier zurückverfolgen.»

Nur beste Rohmilch gibt besten Käse

Zentral ist für Schmid die Qualität der Rohstoffe, besonders der Milch. Er arbeitet nur mit Rohmilch. Sie verlangt höchste Achtung des Tierwohls und kurze Wege. Die Milch von Stalltieren, von denen manches kränkelt oder Entzündungen trägt, muss pasteurisiert werden. Mit echter Rohmilch produzieren nur noch wenige erlesene Käsereien. «Die Enzyme in der Rohmilch sind für den Geschmack entscheidend. Wenn man Milch erhitzt, gehen sie verloren, es bleibt ein fades Produkt zurück.» Zu seinen Bauern hat Schmid ein Vertrauensverhältnis: «Ich weiss, wie es ihren Tieren geht. Das schmeckt man am Ende im Käse.» Dazu gehört auch gutes Futter. Wer Schmid beliefert, darf nichts verfüttern, was unter der Erde wächst. Eine Kuh fresse von Natur aus keine Kartoffeln.

In einigen Wochen wird die heutige Charge als rustikal anmutende zylinderförmige «Blaue Geissen» im eigenen Laden über die Theke gehen, in regionale Gourmet-Tempel verteilt und in die ganze Welt gehandelt. Zunächst ist Kneten von Hand angesagt. Das macht nur Schmid so. Dadurch bricht der Teig, damit der Blauschimmel in den Hohlräumen mehr Platz erhält. Schmid war der Erste, der in der Schweiz einen Blauschimmelkäse von der Geiss entwickelte. Er geht seine eigenen Wege – auch bei den Methoden. «Käsen beginnt im Kopf: Welches Endprodukt will ich?», erklärt Schmid. Dann könne man sich Methoden überlegen. Wichtig sei die Nähe zum Produkt, zu beobachten und die Bakterien zu spüren. «Das erlaubt uns, feinste Nuancen zu steuern, insbesondere durch Temperaturregelung, damit der Käse so wird, wie er sein soll.»

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«Käsen beginnt im Kopf.»

Zum Erfolg verdammt

Schmid macht keinen Appenzeller, keinen Tilsiter oder andere bekannte Käsesorten. Er macht Eigenkreationen. Damit begann er 2006. Damals entwickelte er aus dem Stand 25 komplett neue und verschiedene Käsesorten, alles Innovationen. Jede musste auf Anhieb gelingen und schmecken. «Etwas anderes hätte ich mir nicht leisten können», so Schmid, «und es lag auch nicht drin, Käse über Jahre zu lagern. Das Geld musste hereinkommen.» Später zeigt Schmid voller Stolz seine fünf Käsekeller. Hier reifen seine Meisterstücke heute gemächlich zu echten Liebhabereien für Gourmets aus aller Welt. «Hier liegt Kapital von einer halben Million Franken gebunden», sagt er ganz beiläufig.

Der Käser Schmid profitiert von seiner Herkunft. Aufgewachsen auf dem Bauernhof, wollte er ursprünglich Bauer werden. Die Naturverbundenheit hilft ihm. «Wenn ich einen Stall betrete, sehe ich sofort, wie es den Tieren geht.» Ihrer Milch merkt Schmid gar an, wo sich die Tiere aufhielten. «Auch Kühe fressen das Beste zuerst.» Wenn sich Herden lange auf derselben Weide aufhalten, verändert sich ihre Milch.

Vom Sonnenhalb oder Schattenhalb

Das Toggenburger Tal verläuft auf einer Nord-Süd-Achse. Es gibt schattigere West- und sonnigere Osthänge. «Das sogenannte Schattenhalb hat fettere Böden, dort wachsen anderes Gras und mehr Kräuter. Mit dieser Milch werden Weichkäse besonders gut», sagt der feinsensorische Käser. Im Sonnenhalb dominierten hingegen Gräser, die der Milch einen milderen Geschmack mit feinen Vanille- oder Karamell-Noten verliehen, die in lang gereiftem Käse Röstaromen entwickelten. Zudem gibt es saisonale Unterschiede, auch weil sich die Laktation im Jahresverlauf verändert – also der natürliche Prozess der Milchproduktion in der Kuh. Die Milch hat gegen Herbst weniger Zucker und die Eiweissstruktur verändert sich, was zu feinem weichem Käse führt. Herbstgras ist geschmacklich intensiver. «Ich mag Herbstkäse am liebsten», sagt Schmid. Allerdings hätten Kunden noch nie explizit Herbstkäse verlangt.

Schmid wird angetrieben von seiner Leidenschaft, «aus einem verderblichen Rohstoff wie Milch ein so faszinierendes langlebiges Produkt wie Käse zu schaffen». Einen Weissschimmelkäse, wie Camembert, würde er gerne noch erfinden. Mit weiteren Innovationen hält er sich aber zurück. «Ich will Raum für meinen Sohn lassen, nun ebenfalls seinen Weg zu finden.» Daran will jeder Käseliebhaber glauben.

www.willischmid.ch

Text: Pascal Tschamper

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer, zVg

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