«Einer der besten Standorte in Europa»
Thomas Bolt, was hat der AGV bislang alles unternommen, damit das Rheintal als Hightech-Standort wahrgenommen wird?
Neben der finanziellen und ideellen Unterstützung des Standortmarketings pflegt der AGV gute Kontakte zu benachbarten Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. 2019 hat der AGV an der Netzwerkmesse W3+ Fair Convention Rheintal in Dornbirn, an der High-Tech-Unternehmen aus ganz Europa vertreten waren, ein Digitalisierungs-Forum durchgeführt. Auch eine vom AGV 2005 in Auftrag gegebene Standortstudie gezeigt, dass das Rheintal mit Rang 9 von insgesamt 1208 untersuchten Regionen zu den besten Standorten für Hochtechnologie-Unternehmen in Europa zählt.
Wie wird der Standort heute im Ausland wahrgenommen?
Das Rheintal ist zumindest im nahen Ausland als «High Precision Valley» bekannt. Waren es früher die Landwirtschaft und die Textilindustrie, so prägen heute unzählige Betriebe in der Metallverarbeitung, Optik, Photonik und in weiteren Industriezweigen, in denen hochpräzise Geräte und Teile gefertigt werden, das stark exportorientierte Rheintal. Die Produkte aus dem Rheintal wie beispielsweise Messgeräte von Leica, Befestigungstechnik von SFS oder komplexe Instrumente für die Augenmedizin von Oertli werden heute auf der ganzen Welt vertrieben.
Gerade im Hightech-Bereich ist der Fachkräftemangel gross. Wie schwierig ist die Situation im Rheintal?
Eine AGV-Studie der OST aus dem Jahr 2019 hat prognostiziert, dass in den nächsten fünf Jahren bis zu 5000 Fachkräfte allein im St.Galler Rheintal fehlen könnten. Im Moment liegt die Zahl der unbesetzten Stellen bei etwa 2000. Der Fachkräftemangel hat bei verschiedenen Unternehmen schon zu Produktionsausfällen geführt. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich die Konjunktur leider abgeschwächt, sodass die rückläufige Auftragslage in gewissen Branchen den Fachkräftemangel punktuell entschärft.
Was passiert, wenn sich die Fachkräfte-Situation nicht ändert?
In die allwissende Kristallkugel kann auch der AGV leider nicht schauen. Der Fachkräftemangel ist aber heute schon ein ernsthaftes Problem und wird vor allem mit Bezug auf höher- und hochqualifizierte Mitarbeiter ein Dauerthema bleiben.
Hightech bedeutet in der Regel auch, dass viel Energie benötigt wird. Wie sehr belasten die Energiepreise die Hightech-Wirtschaft?
Die Energiepreise sind im letzten Jahr exorbitant angestiegen, wobei gleichzeitig der Schweizer Franken immer stärker wird. Für die extrem exportabhängigen Rheintaler Unternehmen bedeutet dies eine immense Steigerung der Produktionskosten, die meist nur teilweise durch höhere Verkaufspreise kompensiert werden können. Insgesamt belastet diese Situation die Unternehmen also sehr.
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Trotz allem: Das Tech Valley Rheintal floriert. Welches sind für Sie aktuelle Leuchtturm-Projekte der Region?
Im wahrsten Sinne ein Leuchtturm-Projekt ist die von SFS geplante Windenergieanlage in Heerbrugg, trägt diese doch zum Klimaschutz und zur regionalen Energiesicherheit bei. Grosse Freude bereitet es aber auch, wenn Stadler Rail in St.Margrethen für die ganze Welt Eisenbahnzüge produziert und von Auftragseingängen in Milliardenhöhe berichten kann.
Wie soll sich das Hightech Valley Rheintal in den kommenden fünf Jahren entwickeln?
Verflüchtigt sich die konjunkturelle Abschwächung rasch wieder, bin ich überzeugt, dass sich die Rheintaler Wirtschaft auch in den kommenden Jahren mit viel Innovationskraft, exzellenten Mitarbeitern und grossem unternehmerischem Geschick auf den Weltmärkten behaupten kann.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Urs Bucher