Erfolgreiche Neuausrichtung
Als Forster Rohner 2002 die Inter-Spitzen AG übernahm, war das 1985 in Oberbüren gegründete Unternehmen vor allem im Bereich Tag- und Nachtwäsche stark. Eine Ausrichtung ohne Zukunftsperspektive, befand Caroline Forster, die 2005 ins Familienunternehmen einstieg und 2006 zu Inter-Spitzen stiess. Sie erarbeitete einen Businessplan, den sie ab 2007 als CEO von Inter-Spitzen umsetzen durfte.
Seit 1996 hatte Inter-Spitzen die Produktion schrittweise nach Lugoj in Rumänien verlagert und ausgebaut, doch der Markt für das angestammte Sortiment brach zusammen. «Wir mussten in ein anderes Marktsegment hineinkommen und die Produktion effizienter aufstellen, um das Überleben von Inter-Spitzen zu sichern», blickt Caroline Forster zurück. «Ich hatte zuerst ein Jahr zugeschaut und dann Inter-Spitzen auf den Kopf gestellt.»
Heute macht die Stickerei für Tag- und Nachtwäsche kaum noch einen nennenswerten Anteil am Umsatz aus. Im neuen Marktsegment, Stickerei für Lingerie, ist Inter-Spitzen inzwischen sehr erfolgreich unterwegs. «Wir haben massiv Marktanteile gewonnen», sagt Caroline Forster.
Mitbewerber im eigenen Hause
Bestehende Stickerei-Lieferanten haben so einen neuen Mitbewerber bekommen, auch der angestammte Bereich im eigenen Haus. «Natürlich sind wir mit der Neuausrichtung auch Forster Rohner auf die Füsse gestanden», erklärt Caroline Forster, doch die Familie habe gesehen, dass eine Veränderung von Inter-Spitzen unabdingbar war. Die heutige Situation mit dem sportlichen Wettbewerb zweier Player unter einem Dach empfindet sie als befruchtend und motivierend, zumal sie sich als Co-CEO der ganzen Gruppe auch am Erfolg von Forster-Rohner-Lingerie freuen kann. «Ich selbst habe zwei Hüte an, mein Team konzentriert sich voll auf Inter-Spitzen.»
Obwohl Inter-Spitzen und Forster Rohner den gleichen Markt bedienen, haben die beiden Zulieferer für die Lingerie-Hersteller unterschiedliche Arbeitsweisen und auch eine jeweils eigene Firmenkultur. Darüber werden innerhalb der Gruppe Synergien genutzt, von den Services wie IT und HR am Hauptsitz bis zum Netzwerk der unterschiedlichen Produktionsstandorte. Auch beim Materialeinkauf spannen die beiden Anbieter zusammen, «da setzen wir die Marktmacht, die wir miteinander haben, auch ein», betont Caroline Forster.
Die Handschriften der Designerinnen aber sind ganz anders, «die Kunden nehmen uns als zwei getrennte Firmen wahr, das ist das Spannende an dieser Konstellation», hält Caroline Forster fest. Tatsächlich besuchen Kunden oft am selben Tag Forster Rohner und Inter-Spitzen, um sich die unterschiedlichen Kollektionen präsentieren zu lassen.
Mit den Jahren haben sich gewisse Vorlieben der Kunden herauskristallisiert, Inter-Spitzen ist stark in Europa und auch in China – «Chinesen kaufen gerne in Europa», sagt Caroline Forster.
Hohe Anforderungen
Inter-Spitzen selbst ist eine eigene Gruppe in der Gruppe, neben dem nun vor allem auf Lingerie ausgerichteten Stammgeschäft gehört der Bereich technische Textilien (siehe folgender Artikel) und die Produktion in Rumänien dazu. In Lugoj arbeiten 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in St.Gallen sind es 25.
Die Zusammenarbeit in St.Gallen ist spannend, weil das Team breit aufgestellt ist, wie Caroline Forster schildert: Neben Designerinnen und Sales-Leuten arbeiten hier auch Textilingenieure, Elektroingenieure und Maschineningenieure.
Die unterschiedlichen Themenbereiche bräuchten ein ähnliches Mindset, sagt die Chefin, «auch Stickerei für Wäsche ist unglaublich technisch.» Weil ein BH nicht nur Dekoration sei, sondern auch eine Funktion habe, muss sehr präzise gearbeitet werden. Ein BH besteht aus bis zu 50 Teilen; wenn das fertige Stück nicht sitzt, kann das sehr unbequem werden. «Eine Frau hat einen BH den ganzen Tag an, dabei sollte sie ihn nicht spüren», sagt Caroline Forster, «deshalb arbeiten wir mit unseren Kunden wirklich im Millimeterbereich».
Nicht nur die technischen Textilien, auch die Lingerie, die waschbar sein und die Form behalten muss, haben hohe technische Anforderungen. «Kaum jemand sieht, was für ein Riesenaufwand hinter der Wäsche steckt.»
Zur Kundschaft von Inter-Spitzen gehören die namhaften Lingerie-Marken im High-end-Bereich, «für alle anderen sind wir mit einem Produktionsstandort in Europa zu teuer». Bei all diesen Kunden ist der Fit des Produkts entscheidend. Die Abweichungstoleranzen sind winzig, wenn das Dessin nicht genau wie gewünscht ausfällt, hat das sofort Auswirkungen auf das Produkt.
«Die Anforderungen an uns sind hoch – wie bei den technischen Textilien in einem ganz anderen Feld eben auch», sagt Caroline Forster. Diese thematische Verwandtschaft mache Rumänien zu einem idealen Standort auch für technische Textilien. «Unser Personal ist sich gewohnt, sehr genau zu arbeiten.»
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Partner der Kunden
Was in der Herbst/Winter-Kollektion 2024 und 2025 auf der ganzen Welt in den Geschäften hängt, wird jetzt in St.Gallen erdacht. Ab Ende Dezember werden diese Dessins ersten Kunden vorgelegt. Im Januar folgt die Messe in Paris, die als eigentlicher Startschuss für die etwa fünfmonatige Entwicklung der verschiedenen Linien gilt. Wenn die Kunden eine Auswahl treffen und mit einer Option ihr Interesse für ein bestimmtes Design bekunden, gilt es aufzupassen: «Wir müssen im Griff haben, wer welches Design optioniert, damit wir aneinander vorbeikommen.»
Es gibt Kunden, die ihre Planung mit 100 Modellen anfangen, am Schluss aber nur drei Stickerei-Modelle in die Läden bringen. «Für den Verkauf ist das eine Herausforderung, es braucht eine gewisse Frustrationstoleranz.»
Umgekehrt brauchen die Kunden Verlässlichkeit: Wenn sie mit einem Design arbeiten, müssen sie wissen, dass sie dieses Material auch haben können. Wenn ein anderer Kunde genau dieses Design ebenfalls will, besteht die Möglichkeit, einen Entwurf abzuändern, ein Design im ähnlichen Spirit, aber doch anders, zu entwickeln.
Einblick ins digitale Archiv
Caroline Forster weiss, dass ihre Kunden einen grossen Margendruck haben. Deshalb bringt ihr Unternehmen mehr als nur das Stickerei-Know-how ein: «Wir sehen uns als Partner des Kunden, darum müssen wir auch wissen, wie ein hochkomplexes Produkt wie ein BH gemacht wird, was dabei relevant ist.» Inter-Spitzen berät die Kunden und hilft, den Einsatz der Stickereien in einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis zu optimieren.
Inter-Spitzen präsentiert zweimal pro Jahr eine eigene Kollektion an Stickereien und entwickelt weitere Designs auf Kundenwunsch. Die Kunden schicken dazu ihre Moodboards nach St.Gallen. Wenn Kunden zur Inspiration im Archiv von Inter-Spitzen recherchieren möchten, können sie dies inzwischen auch online tun: «Während der Pandemie konnten wir nicht mehr mit dem Muster-Koffer zu den Kunden reisen, also mussten wir uns etwas einfallen lassen», sagt Caroline Forster. Nun schaltet Inter-Spitzen den Kunden einen bestimmten Bereich des digitalen Archivs frei, «sie haben so Zugriff auf ausgesuchte Teile der Kollektion und auf bestimmte Bereiche unseres Schatzes, dem Archiv.» Dieser Service ist nebenbei auch sehr nachhaltig, weil so manch ein Versand vermieden wird.