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Raumordnung: Riesige Elefanten im Raum

Raumordnung: Riesige Elefanten im Raum
Remo Daguati
Lesezeit: 4 Minuten

Die Immobilienwirtschaft bleibt unter Druck; Projekte werden zwischen Einsprachen und einseitigen Nachhaltigkeitsforderungen erdrückt. Das Raumkonzept Schweiz, das derzeit in der Vernehmlassung ist, bietet die beste Gelegenheit, die Fehlentwicklung in der Raumplanung endlich zu korrigieren.

Wenn in der Politik über die Dauer von Bewilligungsverfahren gestritten wird, dann wird gerne auf die Baubewilligungsbehörden «eingedroschen». Wenigen ist bekannt, dass es schon lange vor einem Baubewilligungsprozess «raumwirksame Verfahren» gibt, welche die Malaise im Bauwesen mitprägen. Im Rahmen dieser Planungen werden die Grundzüge der Raumentwicklung für ein Areal, Quartier oder einen Baubereich bestimmt. Dabei wird alles erzeugt: ausser Dichte.

Qualitätssichernde Verfahren: Spielwiese der Planer

Vor über einem Jahrzehnt hatte das Schweizer Volk beschlossen, das bestehende Siedlungsgebiet nicht mehr zu erweitern. Konsequenterweise sollte stattdessen in die Breite oder Höhe gebaut werden. Dichte wäre auch deshalb nötig, damit bei anhaltendem Wachstum bei einem limitierten Siedlungsgebiet die Preise für den Raum nicht explodieren. Dichte ist auch eine Voraussetzung für gute Grün- oder Sozialräume.

Wer aber glaubt, dass die raumprägenden Fachdisziplinen in ihren Planungen eine grösstmögliche Dichte anstreben, um dem nachhaltigen Umgang mit dem immer rareren Gut Boden gerecht zu werden, sieht sich getäuscht. Gerade Fachpersonen aus den Disziplinen Verkehrsplanung, Städtebau, Landschaftsarchitektur sowie Kulturgüter- und Heimatschutz prägen durch einseitige, ideologische und teilweise festgefahrene Forderungen oftmals isolierte, der Gesamtlösungsfindung und dem Verdichtungsgebot entfremdete Empfehlungen.

«Verkehrsplanung ist heute in weiten Teilen dogmatisch.»

Verkehrsplanung plant ohne Verkehr

Den Anfang machen bei den Verfahren oft die Verkehrsplaner. Verkehrsplanung ist heute in weiten Teilen dogmatisch, in linearen Systemen verhaftet, technologisch rückwärtsorientiert, moralisch belehrend und damit klar innovations- und entwicklungshemmend. Im Ergebnis verfügen solche Spezialisten am liebsten Fahrtenbeschränkungen. Diese limitieren indirekt die Anzahl Bewohner und Arbeitsplätze auf einem Grundstück.

Dazu kommen aus ideologischen Gründen weitere Auflagen: Bürger wie Arbeitnehmer sollen Velo fahren oder noch besser zu Fuss gehen. Besonders dreiste Verkehrsplaner zeichnen ihre Velorouten mitten durch Baufelder und zerschneiden diese für eine grossflächigere Nutzung. Dass autonome Verkehrsträger, effizientere Antriebstechnologien oder digitale Lösungen längst eine ökologische und flächeneffizientere Mobilität erlauben, wird stoisch ausgeblendet.

Creative OCL  Baumann  

Der Städtebau: Wir tanzen uns ein Baufeld

Nach den Verkehrsplanern sprechen meist die Städtebauer ihr Verdikt. Städtebauer zählen sich zwar auch zum Ingenieurwesen, bringen aber ihre Kompetenz lieber durch Sprache in blumigen Beschreibungen von Hügelzügen, historischen Bebauungsformen oder wilden Wünschen zu gestalterischen Aspekten zum Ausdruck.

Um Dichte zu verhindern, bedienen sich diese Fachleute oft bei historischen oder kirchlichen Bauten im Umfeld eines Areals. Entweder gilt der Kirchturmspitz oder der Friedhofsvorplatz als Referenzpunkt für Höhenbeschränkungen, wodurch die Gebäudehöhen in einem Areal effektiv gesenkt oder limitiert werden. Die optimale Ausnutzung des Bodens reduziert sich weiter.

Gegen den Wigoltingen Innovation Park «WIP-Hub» hagelte es Einsprachen.
Gegen den Wigoltingen Innovation Park «WIP-Hub» hagelte es Einsprachen.

Wir ertrinken oder vereinsamen: die Landschaftsarchitekten

Nach der Verkehrsplanung und dem Städtebau kommen die Landschaftsarchitekten zum Zug. Diese erklären gerne, wie Hitzeinseln oder Hochwassergefahren unser Leben zu bald jeder Jahreszeit bedrohen. Die Klimaapokalypse ist schliesslich nah. Ansonsten dienen Wildtierkorridore, Bachöffnungen oder schützenswerte Hecken mit seltenen Vogelarten als Argument, um die Limitierung oder gar Aufhebung und Auszonung von ganzen Baufeldern zu begründen.

Ich musste schon erleben, dass Sozial-, Grün- und Verweilräume zur Steigerung der Aufenthaltsqualität im direkten Umfeld von Recyclinghöfen, Chemieanlagen oder Logistikterminals empfohlen werden. Kein Raum ist den Landschaftsarchitekten zu schade, um nicht sozialisiert oder begrünt zu werden.

Wieso dauert alles so lange, wieso wird alles teurer?

Was nach einer solchen Planung übrig bleibt, sind die Krümel der Innenverdichtung. Taskforces und runde Tische des Bundesrats beschäftigen sich derweil damit, wieso die Preise für Wohn-, Industrie- und Gewerbenutzungen durch die Decke gehen und Verfahren immer länger dauern. Niemand schaut derweil der Raumplanung auf die Finger. Deren langwierigen Vorverfahren prägen räumliche Grundsätze, die sich in den späteren Verfahren kaum mehr korrigieren lassen. Und gerade auch daraus bieten sich in nachgelagerten Verfahren, vorwiegend bei Baubewilligungsverfahren, haufenweise Angriffsflächen für Einsprecher wie Schutzverbände.

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Ausbildung reformieren, Verfahren entschlacken

Die Ausbildung der raumwirksamen Disziplinen muss wieder näher an die Ingenieurwissenschaften und die Ökonomie geführt werden. Denn die Ökonomie wäre eigentlich gleichberechtigter Teil von Nachhaltigkeit.

In den vergangenen Jahren ist auch die Verfahrensdauer durch qualitätssichernde Verfahren geradezu explodiert, da in «World Cafés» über die Köpfe der Eigentümer hinweg alle möglichen Wünsche eingebracht werden. Entsprechend sind diese Verfahren radikal zu entschlacken, zu beschleunigen und zu digitalisieren.

Einsprachen haben auch die Überbauung Arrivée in Horn verzögert.
Einsprachen haben auch die Überbauung Arrivée in Horn verzögert.

Raumkonzept Schweiz: Rigoroses Aufräumen nötig

Der Entwurf des neuen Raumkonzepts Schweiz steht noch bis Mitte April 2025 in der Vernehmlassung. Als Wirtschaftsförderer habe ich mit unserem Dachverband gerügt, dass das grassierende Verdichtungsversagen nirgends im Konzept erwähnt wird. Gerade in den Städten misslingt die Innenentwicklung, obschon dort die wichtigen zentralörtlichen Funktionen angesiedelt wären.

Derweil entwickelt sich eine polyzentrische Schweiz der Agglomerationsräume und Regionalzentren. Die Schweiz wächst in die letzten noch unbebauten Flächen, aber zu wenig in die Höhe oder Breite. Wenn wir nicht gegensteuern, wird sich das bitter rächen.

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