Geschätzt über die Landesgrenzen hinaus
Michèle Bongetta, die Rehakliniken Zihlschlacht und Dussnang sind Schwesterkliniken in der VAMED-Gruppe Schweiz. Welche Synergien ergeben sich daraus?
Beide Kliniken befinden sich im Thurgau. Schon aufgrund der örtlichen Nähe ergeben sich bereits viele Synergien, etwa im interdisziplinären Austausch, insbesondere auch aufgrund der engen Verzahnung der Berufsgruppen der beiden Rehakliniken. Dank Nutzung von gemeinsamem Prozess-Know-how wie auch fachspezifischem medizinischem Wissen bieten wir in beiden Rehakliniken hochstehende Prozesse für unsere Patienten und deren Begleitpersonen an. Trotzdem behalten wir die hohe Fachkompetenz in den Kliniken. Die Spezialisierung der jeweiligen Fachgebiete ist uns sehr wichtig und bleibt entscheidend bezüglich der Qualität bei der Rehabilitation unserer Patienten.
Von Synergien profitieren sicher auch die Mitarbeiter …
Genau: Die Kliniken können sich als attraktive Arbeitgeber im Markt positionieren. So können beispielsweise zusammen Aus- und Weiterbildungsangebote geschaffen werden. Auch ist es für unsere Mitarbeitenden rasch und unkompliziert möglich, in der jeweils anderen Klinik einen Arbeitseinsatz zu leisten oder gar den Anstellungsort zu ändern. So bleibt es spannend und wir geben unseren Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Weitere Vorteile ergeben sich für unsere Zuweiser und Kostenträger. So profitieren unsere Partner von einem regelmässigen Erfahrungsaustausch zwischen den beiden Rehakliniken, gleichen Abläufen und nur einer Ansprechperson bei der Klinikführung.
Die Rehaklinik Zihlschlacht ist eine führende Spezialklinik für neurologische Rehabilitation und seit März 2022 gehört auch die Station Bodan für Frührehabilitation mit «Weaning» in Münsterlingen dazu. Was bedeutet das genau?
Als Weaning bezeichnet man in der Medizin den Prozess, mit dem invasiv beatmete Patienten von der maschinellen Beatmung entwöhnt werden. Die Klinik ist spezialisiert auf die Behandlung von hirn- und nervenverletzten Menschen mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Alltag. Unser Robotikzentrum in Zihlschlacht ist europaweit das grösste; wir betreuen auch viele internationale Patienten, die von unserer hohen Fachexpertise profitieren.
Wie ist dieses internationale Renommee gelungen?
Einerseits weist die Rehaklinik grosse Erfahrung und fortschrittliche Therapien im Gebiet der neurologischen Rehabilitation auf. Seit 30 Jahren konzentrieren wir uns in Zihlschlacht auf die Behandlung und Genesung von Schlaganfällen, Hirnverletzungen und Krankheiten wie Parkinson und Multiple Sklerose (MS). Unsere Teams spezialisieren sich jeweils intensiv auf die Rehabilitation unterschiedlicher Beeinträchtigungen. Andererseits ist die Klinik durch ihre Forschungstätigkeit und der damit verbundenen engen Zusammenarbeit mit universitären Einrichtungen gerade in der medizinischen Fachwelt über die Landesgrenze hinaus bekannt. Auch sind wir dank unserem Robotikzentrum und unserem innovativen Therapieteam gut vernetzt. Ausserdem führen wir wissenschaftliche Projekte zur Weiterentwicklung- und Neuentwicklung neuer Therapiemethoden durch. Schliesslich ist die Rehaklinik Zihlschlacht Referenzklinik von diversen Robotik- Herstellern. Und, auch ganz wichtig: Wir haben in Zihlschlacht eine tolle Stimmung unter den Mitarbeitenden. Trotz der Grösse von mittlerweile 600 Angestellten pflegen wir einen familiären und wertschätzenden Umgang untereinander.
Technologiegestützte Therapien, insbesondere die robotergestützte Bewegungstherapie, haben sich in den letzten Jahren zum Standard in der Neurorehabilitation entwickelt. Wie profitieren Patienten davon?
Die robotergestützten Therapiegeräte ermöglichen es den Patienten, deutlich früher mit einer spezifischen Therapie wie etwa der Gang- oder Armtherapie zu beginnen – und das hoch repetitiv, was das motorische Lernen und die neuronale Reorganisation fördert. Studien zeigen, dass gerade ein möglichst frühzeitiger Einsatz dieser Geräte nach einem Schlaganfall und anderen neurologischen Leiden die Remission der Patienten verbessert.
Sie bieten auch stationäre Rehabilitation für MS-Patienten an. Mit welchem Leiden kommen Betroffene zu Ihnen?
Mögliche Symptome bei einer MS-Erkrankung können Sehstörungen, Gefühlsstörungen (Sensibilität), Müdigkeit (Fatigue), Muskelschwäche und -steife sowie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen sein.
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Die Krankheit gilt als unheilbar. Wie können MS-Erkrankte dennoch unterstützt werden?
In unserer Klinik in Zihlschlacht werden MS- Betroffene durch ein spezialisiertes Team aus Fachärzten, Pflegepersonal und Therapeuten individuell beraten und ganzheitlich behandelt. Das Ziel der stationären Rehabilitation ist die bestmögliche Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität, Selbstständigkeit und damit der Teilhabe am sozialen Leben – privat und auch beruflich. Das multidisziplinäre Team bietet ein alltagsorientiertes Training, das individuell auf die Bedürfnisse und Ziele jeder einzelnen Person abgestimmt ist. Wir verfügen über eine sehr breite Palette an therapeutischen Möglichkeiten, z. B. Physio- und Ergotherapie unter Einsatz neuester robotikgestützter Verfahren, Wassertherapie, Therapie der Spastik, Logopädie, Neuropsychologie, Berufstherapie, Orthoptik, Neuro-Urologie und TCM. Zudem sind wir auf die Diagnostik und interprofessionelle Behandlung der Fatigue spezialisiert. Die Therapieeffekte bestehen oft auch noch Monate nach der stationären Rehabilitation; so kommen viele Patienten jährlich zu einer stationären Behandlung.
Die Rehaklinik Dussnang wiederum ist auf die muskuloskelettale und geriatrische Rehabilitation ausgerichtet. An wen richtet sich hier das Angebot?
Die geriatrische Rehabilitation richtet sich an Patienten über 65 Jahren, die nach einem Unfall, einer Krankheit oder einem operativen Eingriff wieder schnell im Alltag Fuss fassen wollen. Das Hauptziel der geriatrischen Rehabilitation ist die Wiedereingliederung in das gewohnte Leben.
Daneben sind Sie auch Spezialisten auf dem Gebiet der muskuloskelettalen Rehabilitation.
Ja, wir unterstützen unsere Patienten nach einem Knochenbruch, dem Implantieren eines künstlichen Hüft-, Knie- oder Schultergelenks, bei muskulären Erkrankungen oder nach operativen Eingriffen an der Wirbelsäule mit verschiedenen Therapiemethoden dabei, die richtigen Bewegungen zu trainieren und ihre Muskeln wieder aufzubauen. Zudem ist es uns ein Anliegen, ihnen die Sicherheit und das Selbstvertrauen zurückzugeben, damit sie schmerzfrei und mit gutem Gefühl in ihren gewohnten Alltag zurückkehren können. Der Rehabilitationsprozess wird in interdisziplinären Behandlungsteams auf der Basis anerkannter Standards durchgeführt – zielorientiert und ganz nach den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen unserer Patienten.
Wie hoch ist die Erfolgsquote nach einem Aufenthalt?
Wir sind stolz darauf, dass 90 Prozent unserer Patienten nach der geriatrischen Rehabilitation wieder nach Hause in ihren gewohnten Alltag können. In der muskuloskelettalen Rehabilitation liegt die Prozentzahl noch höher, nämlich bei über 95 Prozent.
Apropos Erfolge: Welche Ziele verfolgen Sie mit den beiden Rehakliniken in naher und ferner Zukunft?
Unser Ziel ist es, weiterhin unser Angebot kontinuierlich zu optimieren. Der Massstab für die Qualität eines medizinischen Leistungsangebots ist der Patient. Deswegen werden wir auch weiterhin Qualitätsanalysen zur fortlaufenden Überprüfung unserer Prozesse und Angebote nutzen, die Zufriedenheit unsere Patienten und Angehörigen ist einer der wichtigsten Qualitätsindikatoren. Unsere institutionalisierte Qualitätskultur gewährleistet somit höchste Qualitätsstandards. Längerfristig wollen wir neuste Erkenntnisse aus der Wissenschaft zur Entwicklung neuer digita-len Therapietools nutzen. So kann die ambulante Behandlung der Patienten nach dem stationären Aufenthalt in den eigenen vier Wänden nahtlos fortgesetzt werden.
Text: Miryam Koc