Genetic Counselors auch für die Schweiz?
Obgleich der Einfluss der Genetik in die klinische Medizin nicht mehr zu übersehen ist, lässt die Umsetzung dieser Wissenschaft in die tägliche Praxis nach wie vor zu wünschen übrig. Wie Prof. Dr. med. Andreas Huber, Programmdirektor Klinisch-Genomische Medizin an der Privaten Universität im Fürstentum Liechtenstein ausführt, gibt es in zahlreichen Ländern seit geraumer Zeit den Beruf des «Genetic Counselors», der Genetiker und andere Fachärzte unterstützt. «In der Schweiz hingegen sucht man dieses Berufsbild noch vergebens», kritisiert er.
Universität Liechtenstein als Impulsgeber
Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern. Dabei kommt der Liechtensteiner Bildungsstätte womöglich die Rolle eines Impulsgebers zu. Denn derzeit bietet die Private Universität als einzige Hoch- schule in dieser Region ein entsprechendes Certificate of Advanced Studies (CAS) an. Es handelt sich dabei um einen einjährigen berufsbegleitenden Lehrgang, bei dem die klinisch-genomische Medizin und eine Einführung in das Genetic Counseling im Vordergrund stehen. Geplant ist ab Herbst 2023 zudem ein Masterstudiengang in «Genetic Counseling», der drei Jahre dauert und ebenfalls berufsbegleitend belegt werden kann. Weiter ist auch ein «Diploma of Advanced Studies» (DAS) zum «Applied genetic Counseling» geplant, und zwar mit Beginn im Frühling 2023. «Es ist zu hoffen, dass diese Studiengänge auch in der Schweiz Schule machen und wir rasch einen entsprechenden Berufsstand entwickeln können», sagt Andreas Huber.
Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms und vor allem mit der Realisierung neuer diagnostischer Methoden wie etwa dem Next-Generation-Sequencing (NGS) hat die Genetik neue Meilensteine gesetzt. Mit den verfügbaren Panels lassen sich relativ einfach und zeitnah mehrere hundert Gene analysieren. «Viele schon lange bekannte vererbbare Krankheiten und Syndrome sind heute molekulargenetisch exakt definiert. Verschiedene Varianten, deren Bedeutung charakterisiert sind, kennen wir inzwischen», fügt Huber hinzu. Allerdings entsprächen die Erbgänge nicht immer nur einfach den Mendelschen Regeln, sondern seien oft komplizierter.
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Genetisches Know-how vertiefen
Genetische Untersuchungen sind Hubers Ausführungen zufolge aufwendig. Fachwissen und Erfahrung seien daher unabdingbar. Zwar biete die Schweiz Weiterbildungslehrgänge für den medizinischen Genetiker FMH oder den Laborgenetiker FAMH. Die Anzahl entsprechender Titelträger beurteilt er jedoch als zu gering, zudem mangle es an Nachwuchs. Wohl würden genetische Themen im Medizinstudium auf verschiedenen Ebenen in die einzelnen Fächer miteinbezogen. Auch Fachgesellschaften haben sie teilweise in ihre Weiterbildungscurriculae einfliessen lassen. Das sei jedoch nicht ausreichend. Andreas Huber fordert, dass das genetische Know-how vertieft werde und vor allem den Patienten und ihren Familien zugänglich gemacht werden müsse.
Mittlerweile wurden in Ländern wie USA, Kanada, Frankreich, Holland, Italien oder England Master-Lehrgänge für Genetic Counselors geschaffen. Diese Fachkräfte, etwa Mediziner, Biologen, Pharmazeuten, Labormediziner oder Fachkräfte auf dem Gebiet Krankenpflege, werden nach dem Abschluss ihrer Ausbildung von einem genetisch versierten Facharzt betreut und eingesetzt.
Entsprechend muss die Ausbildung internationalen Normen Folge leisten. Was von einem Genetic Councelor erwartet wird, umschreibt Andreas Huber so: «Diese Tätigkeit ist ausgesprochen anspruchsvoll, weil es neben naturwissenschaftlichen Kenntnissen auch Erfahrungen in klinischen Erscheinungsbildern und das Verständnis von psychologischen Zusammenhängen verlangt». Die Counselors haben Beratungskompetenz inklusive soziale und ethische Kompetenzen für Patienten mit genetischen Leiden.