Forster Rohner Gruppe

Stickerei-Tradition für die Zukunft

Stickerei-Tradition für die Zukunft
Hans Schreiber entwickelt seit vielen Jahren die Kreativ-Konzepte für Forster Willi.
Lesezeit: 5 Minuten

Die grossen Prêt-à-porter-Brands und die bekannten  Haute-Couture-Häuser stützen sich bei ihren Kreationen gerne  auf innovative Stickerei-Designs von Forster Willi ab.

Im weitläufigen Gebäudekomplex an der Flurhofstrasse 150 gibt es viele Schätze zu entdecken, «das grosse Archiv von Forster Willi ist sicher einer davon», sagt Emanuel Forster, Co-CEO der Forster Rohner Gruppe. Etwa eine halbe Million Designs sind hier archiviert. Die prächtigen Muster reichen über 150 Jahre zurück, noch weit vor die Gründung von Forster Willi im Jahre 1904. 

Diese inspirierende Vergangenheit im Kopf richtet sich der Blick der Designer von  Forster Willi stets in die Zukunft. «Wir machen uns Gedanken, was für unsere Kunden in gut zweieinhalb Jahren interessant sein könnte», sagt Hans Schreiber, der die Business-Unit leitet und die Designs verantwortet. Die Kunden – das sind bis heute die grossen Modebrands dieser Welt, seit nach dem Zweiten Weltkrieg Forster Willi Stickereien bei den besten Couturiers etablierte.

Das Material macht den Unterschied

«Für mich ist es wichtig, nicht nur die abgehobenen Bereiche – die Haute Couture, Spezialanlässe, Hochzeiten, Feiern – abzudecken», betont Hans Schreiber. «Ich halte es für genauso interessant, etwas zu machen, was auch auf der Strasse getragen wird. Und von der Coolness her auch ins Strassenbild passt.» Dazu setzt Forster Willi  Stickerei-Techniken auch mal mit Denim statt  Seiden-Organza um, «so bekommt das Produkt eine Identität, die ausserhalb der  Stickerei-Tradition liegt, obwohl es eine  Stickerei ist».

Für ein anderes Design im selben Jahr wurden neonfarbene Garne aus dem Sportbereich, eigentlich als Schuhbändel gedacht, verstickt. Über das Material bringen die Designer erstaunliche Veränderungen und damit eine grosse Varianz in die Produkte. Auch eine typische Tweed-Struktur, die beispielsweise für eine Jacke eingesetzt werden könnte, kommt bei Forster Willi aus der Stickerei.

«Wir ergründen ganz bewusst andere Bereiche. Einige Materialien sind sehr dreidimensional und trotzdem superleicht – und damit in einem sehr tragbaren Bereich», erläutert Hans Schreiber. Damit zielen die Designer vor allem auf den Prêt-à-porter-Bereich. «Für uns wird es dann interessant, wenn etwas bei einem Kunden landet, der ein grosses Netzwerk an Läden hat.» Für das Funktionieren der Firma sei es wichtig, dass Entwürfe aus der Kollektion industriell konfektioniert werden.

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Faszinierende Aufgabe

Hans Schreiber war zusammen mit seiner Frau Creative Consultant in Mailand und wurde seit Mitte der 90er-Jahre von Forster Willi beauftragt, Kreativ-Konzepte für Kollektionen zu machen. Zehn Jahre später ging  Tobias Forster, Leiter der Kreation von Forster  Willi, in Pension und fragte Hans Schreiber an, ob er die Funktion übernehmen wolle. Schreiber sagte ja: «Das ist eine sehr faszinierende Aufgabe, weil man mit allen grossen Firmen zusammenarbeitet. Brands wie Comme des Garçons, Dior, Prada, Akris oder Gucci haben ganz unterschiedliche Ästhetiken, das ist hochinteressant.»

Diese Kunden kennt Hans Schreiber inzwischen sehr genau. «Wir arbeiten in ganz klaren Marktsegmenten», sagt Schreiber, «ein Kunde, der wie Albert Kriemler von Akris gerne mit geometrischen, strengen und modern Designs arbeitet, wird sich kaum für Materialien interessieren, die vielleicht zu Versace passen.»

Jede Saison entwickelt Schreiber mit den Vorlieben der Kunden im Hinterkopf Themen, die den ganzen Marktbereich bedienen.  «Romantisch, ornamental, glamourös, starkfarbig, ethnisch – alle Bereiche, die unsere Kunden bearbeiten, decken wir vom Konzept her ab.»

Natürlich speist sich die Idee, was ist als Nächstes dran, auch immer aus der Frage, was Forster Willi davor gemacht hat. Wie soll der Designprozess weitergehen, wie wird die DNA von Forster Willi in der nächsten Saison umgesetzt?

«Wir machen Sachen im Top-Bereich, die die Konkurrenz nicht anbieten kann.»

Hans Schreiber

Viele Inspirationsquellen

Als Basis entwickelt Hans Schreiber mehrere Mooboards als ein Zusammenspiel  von verschiedenen Dingen, die dann ein Thema geben. Zur Inspiration besucht Hans Schreiber Ausstellungen, Museen oder Messen. «Kunst ist ein Trend-Indikator, Kunst ist immer relativ weit voraus», erklärt Schreiber, «und Industriedesign zeigt längerfristige Tendenzen relativ deutlich auf.» Daneben liest er viel und hält vor allem die Augen offen, versucht, sehr bewusst zu leben. «Das ist eigentlich die schönste Seite meines Berufs: Diese Dinge wahrzunehmen und zu spüren.»

In einem zweiten Schritt übersetzen die Entwerfer von Forster Willi diese Inspirationen in Designs. Weil im Stickereidesign die Technik äusserst wichtig ist, sind bei Forster Willi sehr erfahrene Stickereientwerfer am Werk. Gut 80 Entwürfe entwickeln sie für eine Kollektion, dann überlegt sich das Team, in welchen Materialien diese als Stickerei umgesetzt werden können.

Materialentscheide und Designs sind essenziell, weil Forster Willi nicht wie Jakob Schlaepfer mit unterschiedlichsten Techniken arbeitet, sondern eigentlich immer gestickte Lösungen sucht. «Wir haben einen viel engeren Spielraum. Jakob Schlaepfer macht Revolution, Forster Willi macht Evolution – unsere Entwicklung bleibt nahe bei unserem Erbe», erläutert Hans Schreiber: «Wir machen Broderie Anglaise, Soutache, Guipure – damit sind unsere Techniken schon aufgezählt.» Stickerei ist bei Forster Willi das dominierende Produkt, nicht-gestickte Stücke finden sich in einer Kollektion nur vereinzelt. «Wir haben in unseren Produktionen Stickereimaschinen, die wir auslasten wollen.» 

Waren Modetrends lange Zeit eindeutig ablesbar, so ist die Mode in der Beobachtung von Hans Schreiber heute so divers wie nie. «Alles geht gleichzeitig, die einen zeigen eine Kollektion mit langen und hochgeschlossenen Kleidern, die anderen propagieren kurze Röcke und bauchfrei.» Aber nach wie vor gibt es wellenartig eine mal grössere, mal kleinere Nachfrage nach Stickerei. «Einzelne Labels machen viel Stickerei in einer Saison, dann eine Zeit lang gar nichts mehr; andere Labels haben immer Stickerei im Portefeuille.

Für Forster Willi ist das ein weiterer Anreiz, die Möglichkeiten der Stickerei-Techniken immer wieder neu auszuloten. «Wir haben uns sehr spezialisiert, wir machen Dinge im Top-Bereich, die die Konkurrenz nicht anbieten kann», sagt Hans Schreiber. «Wir gestalten unsere Kollektion so klar und eindeutig, dass es relativ schlüssig ist, warum die Kunden zu uns kommen.»

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Für und mit dem Kunden entwickeln

Aus den 80 Laschen, den Entwürfen in einer neuen Kollektion, suchen sich die Kunden jene Designs heraus, die für sie interessant sein können. Einige Stücke bestellen sie so, wie sie vorliegen, bei anderen möchten sie eine präsentierte Technik in einem anderen Design umsetzen oder aber ein Design mit anderen Materialien ausprobieren.

Die Designer der Kunden lassen sich auch gerne bei einem Besuch im Forster-Willi-Archiv inspirieren. Wenn sie schon eine konkrete Idee haben und etwa ein Thema zur italienischen Renaissance entwickeln möchten, dann sucht Forster Willi aus verschiedenen früheren Kollektionen Beispiele heraus,  die in diese Richtung gehen. 

Dass unter dem Dach von Forster Rohner ein Kreativhaus entsteht, begrüsst Hans Schreiber, «auch wenn es im Alltag wenig direkten Austausch gibt, ist es inspirierend und belebend, dass viele kreative Leute hier arbeiten». Ihm gefällt auch, dass Jakob Schlaepfer nun in der unmittelbaren Nachbarschaft angesiedelt ist. «Ich habe 2016 die Übernahme klar befürwortet, weil Jakob Schlaepfer ganz anders arbeitet, andere Segmente abdeckt und so eine gute Ergänzung zu uns ist.»

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