«IT rockt! ist ein Brand, den man nicht nur in der Ostschweiz kennt»
Hermann, du warst von 2013 bis 2016 Präsident von IT rockt! und somit einer der «Gründerväter». Was geht dir durch den Kopf, wenn du siehst, was aus der Initiative geworden ist?
Es freut mich unglaublich, wie gut sich IT rockt! entwickelt hat – und welche Wirkung die Initiative erzielt. Es ist häufig die zweite und dritte Generation, die aus einem kleinen Pflänzchen etwas Grosses entstehen lässt.
Gute Ideen entstehen manchmal an ungewöhnlichen Orten. Zum Beispiel bei einem Bier in einer Beiz oder in einem engen Studenten-WG-Zimmer. Wie war das bei euch?
Es war bei einem Gespräch über IT-Fachkräftemangel zwischen Isabel Schorer, damals Standortförderin in St.Gallen und Thomas Scheitlin, damals Stadtpräsident während eines Firmenbesuchs bei Adcubum. Da entstand die Idee, dass man etwas machen müsste. Und daraufhin hat Isabel ein paar IT-Unternehmen zu einer Besprechung eingeladen. Alle stimmten überein, dass wir etwas machen müssen. Und dies war der «unspektakuläre» Start von IT rockt!. (schmunzelt)
Wo lagen die grössten Herausforderungen in der Anfangszeit?
Wir mussten die Anfangsfinanzierung stemmen. Dabei hat uns insbesondere Thomas Scheitlin sehr grosszügig und visionär unterstützt. Gleichzeitig wollten wir möglichst alle IT-Unternehmen der Region als Mitglieder gewinnen. Das war recht aufwendig – und auch nicht überall so einfach. Gewisse Unternehmen sträuben sich noch heute. Aber mit der herausragenden Arbeit des gesamten IT-rockt!-Teams wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die auch dazu kommen.
An welches Ereignis oder an welchen Moment in deiner Zeit als Präsident denkst du besonders gerne zurück?
Die Zusammenarbeit mit dem Team und im Vorstand hat mir sehr viel Freude bereitet. Wir hatten die richtige Mischung aus «Wild-West und überlegt», aus pragmatisch und professionell. Ich habe viel dabei gelernt. Besonders mit Stolz hat mich erfüllt, dass IT rockt! einen Beitrag leisten konnte, dass in St.Gallen eine IT-Bildungsoffensive mutig von der Bevölkerung verabschiedet wurde, die weit über die Region hinausstrahlt.
Und nach der Abstimmung zur Bildungsoffensive hast du dich verabschiedet und das Amt Paul Sevinç übergeben, der den Verein bis Ende 2020 präsidierte. Paul, was hat dich damals an dieser Aufgabe gereizt?
Nichts! (lacht) Im Geiste von «pay it forward» wollte ich mich als in der Ostschweiz Aufgewachsener und in die Ostschweiz Zurückgekehrter zwar im Vorstand engagieren, aber eigentlich als Säckelmeister. Als jedoch klar wurde, dass sonst niemand das Amt des Präsidenten übernehmen würde, liess ich mich dazu breitschlagen.
Du hast davor lange in Zürich gearbeitet und dort den Onlinedienst Doodle mitgegründet. Zurück in der Heimat sagtest du einmal in einem Interview, dass dir nicht bewusst gewesen sei, dass es in der Ostschweiz so viele IT-Unternehmen gäbe. Sieht man die IT-Ostschweiz in Zürich heute anders?
Ja, das ist nicht zuletzt dank IT rockt! bestimmt so. Auch die IT-Bildungsoffensive des Kantons St.Gallen wird schweizweit wahrgenommen und trägt dazu bei, dass die Ostschweiz nicht nur in Zürich in Bezug auf IT nicht mehr so unterschätzt wird, wie ich es vor zehn Jahren noch getan hatte.
Welchen Stellenwert hat die Ostschweiz deiner Ansicht nach heute im Bereich ICT? Ist sie zu einer heimlichen IT-Hochburg geworden?
Ja, absolut gesehen ist sie das wirklich; nebst etablierten Firmen wie z.B. Abacus hat die Ostschweiz seit der Gründung von IT rockt! sogar international aufstrebende Firmen wie z.B. Meteomatics hervorgebracht. Relativ gesehen hat sie noch keine Plätze gut gemacht, da insbesondere Lausanne und Zürich sich auch prächtig entwickeln und nach wie vor die Nase vorn haben, was für die Schweiz als Ganzes natürlich höchst erfreulich ist. Dank der neuen School of Computer Science der HSG und dem ausgebauten Angebot der FH OST holen wir jedoch langsam, aber sicher auf.
Welches war dein persönliches Highlight als IT rockt!-Präsident?
Die Rekrutierung von Eva. Ohne sie und das Team, das sie aufgebaut hat, wäre der Verein heute nicht annähernd so erfolgreich, wie er es ist.
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Seit 2021 trägt auch Reto Rutz zum Erfolg bei, der das Amt damals von Paul übernommen hat – mitten in der Pandemie. Reto, deinen Start hättest du dir vermutlich anders vorgestellt, oder?
Definitiv! Das liegt aber nicht nur an Corona, sondern vor allem auch an einem Unfall am Wochenende vor der Mitgliederversammlung, der dafür verantwortlich war, dass ich in Abwesenheit gewählt werden musste. Dank Eva und Paul war das aber überhaupt kein Thema.
Welches waren für dich die grössten Herausforderungen in dieser ungewissen Zeit?
Wir wussten nicht, ob unsere Mitglieder auf Grund der neuen Situation, die Mitgliedschaften aus Kostengründen hinterfragen müssen. Nach zwei Jahren darf ich aber sagen, dass wir dank einer tatkräftigen Geschäftsstelle, vielen erfolgreichen Projekten und entsprechend sichtbarem Mehrwert, gestärkt sein dürfen. Es ist sogar so, dass wir auch in dieser unsicheren Zeit ein starkes Mitgliederwachstum verzeichnen durften.
Wo steht IT rockt! heute und welchen Stellenwert hat die Initiative für die Ostschweiz – evtl. auch im nationalen Vergleich?
IT rockt! ist ein Brand, den man nicht nur in der Ostschweiz kennt. Wir übernehmen die Initiative und setzen Projekte wie das Digital Talent Program um, welches einem echten wirtschaftlichen Bedürfnis entspricht. Gleichzeitig bekommen wir nationale Anfragen für Unterstützung und/oder Kow-How-Transfers in ähnlichen Bereichen. So etwas passiert nur, wenn du überdurchschnittlich erfolgreich Projekte umsetzen kannst – entsprechend ist unsere Strahlkraft mittlerweile national.
Welches sind für IT rockt! aktuell die grössten Herausforderungen?
Matchd und DTP wurden aus einem grossen Chancen- und Bedürfnisaspekt heraus konzipiert. Wie bereits mehrfach erwähnt, durften wir die Projekte erfolgreich launchen. Jetzt geht es um die Weiterentwicklung dieser Projekte und ob diese auch von Wirtschaft und Gesellschaft angenommen werden. Wir geben alles dafür, dass unsere Dienstleistungen einen entsprechenden Mehrwert bieten und können jetzt bereits mit viel Zuversicht in die Zukunft blicken, weil wir sehen, dass das DTP auf eine breite Zustimmung und Commitment in der Wirtschaft trifft, was uns natürlich sehr freut.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Thomas Hary