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Auf dem Weg zur emissionsfreien Bahn-Zukunft

Auf dem Weg zur emissionsfreien Bahn-Zukunft
Markus Bernsteiner
Lesezeit: 4 Minuten

Wasserstoff als Energiespeicher revolutioniert die Bahnindustrie, insbesondere in nicht elektrifizierten Gebieten. Stadler-CEO Markus Bernsteiner erklärt die Funktionsweise der Wasserstoffspeicherung und beleuchtet die Vor- und Nachteile. Welche Herausforderungen bestehen, wo gibt es Chancen, wie sieht die Zukunft der wasserstoffbetriebenen Züge aus?

Markus Bernsteiner, wie funktioniert die Energiespeicherung mit Wasserstoff genau?
Wir wissen, dass bei der chemischen Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff drei Dinge frei werden: Wasser, Elektronen und Wärme. Man kann also über eine solche Verbindung elektrischen Strom erzeugen. Da es den Sauerstoff in ausreichender Konzentration in der Umgebungsluft gibt, braucht man für die Stromgewinnung also nur den Wasserstoff. Diesen kann man auf unterschiedliche Art und Weise erzeugen, am nachhaltigsten ist es, den Wasserstoff aus grünem Strom zu erzeugen. Dazu spaltet man Wasser in seine zwei Bestandteile (Wasserstoff und Sauerstoff) auf, was mithilfe von elektrischem Strom im Prozess der sogenannten «Elektrolyse» geschieht. Somit nutzt man Strom für die Aufspaltung des Wassers – und bei der Wiederverbindung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser entsteht dann wieder Strom. Dazwischen wird die Energie im Wasserstoff gespeichert.

Und wie werden Loks mit Wasserstoff angetrieben?
Um einen modernen Zug mit Wasserstoff anzutreiben, benötigt man zwei Dinge: Erstens einen Wasserstoffspeicher und zweitens eine Einrichtung, um Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser zu verbinden. Diese kann eine Brennstoffzelle oder ein Verbrennungsmotor sein. Der Wasserstoff wird in der Regel in einer Reihe von speziellen Druckbehältern gespeichert, bei einem sehr hohen Druck von mehreren Hundert Bar. Diese Behälter sind aus Faserverbundwerkstoffen gefertigt, wiegen pro Stück etwa 100 Kilogramm und haben ein Fassungsvermögen von etwa sechs Kilogramm Wasserstoff.

Dann haben die klassischen Akkus nun ausgedient?
Nein. Stadler nutzt Wasserstoff als Energiespeicher nur dann, wenn die Batterie keine Alternative ist. Wenn also die nicht elektrifizierte Streckenlänge zu gross, das Betriebsprogramm des Zuges zu anspruchsvoll ist oder das Batteriefahrzeug zu schwer wäre. In all diesen Fällen ist der Wasserstoffantrieb eine gute Alternative. Die Nutzung von Wasserstoff als Energiespeicher hat aber auch Nachteile: Sie ist nicht sehr effizient. Wenn man etwa den bei der Elektrolyse anfallenden Sauerstoff nicht nutzt und nur den Wasserstoff als Speichermedium behält, verliert man schon mal 50 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie. Bei der Kompression und Speicherung des Wasserstoffs in den Hochdrucktanks entstehen weitere Verluste.

 

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«In den USA ist nur etwa ein Prozent des Streckennetzes elektrifiziert.»

Wie unterscheidet sich die Leistungsfähigkeit eines Wasserstoffzuges von der eines Batteriezuges?
Passagierkapazität, Höchstgeschwindigkeit oder Beschleunigungsvermögen sind identisch für beide Antriebsarten. Was unterschiedlich ist, ist die Reichweite zwischen den Lade- bzw. Tankvorgängen. Ein Batteriefahrzeug muss nach ca. 100 Kilometern geladen werden, ein Wasserstofffahrzeug schafft mehr als 700 Kilometer mit einer Tankfüllung. Diese Angaben beziehen sich auf das Ende der Lebensdauer der Energiespeicher; am Anfang der Lebensdauer sind die Reichweiten deutlich höher: Stadler hält aktuell den Weltrekord für die Reichweite eines Wasserstoffzuges: Der Flirt H2 fuhr in Kalifornien eine Strecke von 2803 km ohne Nachtanken!

Mit dem RS Zero beschreitet Stadler beide Wege gleichzeitig. Warum zwei Energiespeicher – Akku und Wasserstoff – auf einmal?
Tatsächlich bietet der RS Zero zwei Antriebsarten: erstens einen Wasserstoffantrieb und zweitens einen Batterie-Hybridantrieb. Dies ist ein Antrieb, bei welchem das Fahrzeug entweder aus der Batterie betrieben oder aber bei Vorhandensein einer Oberleitung rein elektrisch gefahren werden kann, wobei gleichzeitig die Batterie nachgeladen wird. Beide Antriebsarten haben ihre Vor- und Nachteile und die beschriebenen Unterschiede in der Reichweite. Daher wollen wir den Kunden mit beiden Arten die volle Flexibilität bieten.

Das hat sicher einen grossen Einfluss auf Gebiete, in denen Alternativen rar sind.
Absolut – Stadler sieht den Wasserstoff dort, wo es keine Alternative gibt. In den USA ist nur etwa ein Prozent des Streckennetzes elektrifiziert, dort wird es für Batteriezüge schwierig. Aber auch in Europa gibt es Teilnetze mit signifikanter Grösse, die nicht elektrifiziert sind. Die Schweiz mit ihrem grösstenteils elektrifizierten Netz ist international die Ausnahme.

 

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«Die Schweiz mit ihrem grösstenteils elektrifizierten Netz ist international die Ausnahme.»

Dann sehen Sie die grösste Nachfrage derzeit aus den USA?
Ja. Dort haben wir bereits elf Fahrzeuge im Auftrag, weitere werden folgen. Aber auch die italienischen Schmalspurbahnen haben für ihre nicht elektrifizierten Netze, z. B. auf Sardinien, Fahrzeuge bei uns geordert. In Europa sehen wir aktuell allerdings nur dann konkrete Projekte, wenn diese öffentlich gefördert werden. Die Wasserstofftechnologie und der Wasserstoff selbst sind heute elementar teurer als Diesel – deshalb braucht es noch eine deutliche Förderung.

Wie wichtig ist die Herkunft des Wasserstoffs? – Er kann ja «grün» oder «grau» sein.
Ein mit Wasserstoff betriebener Zug ist lokal, also an dem Ort seines Betriebs, emissionsfrei. Aber der Gesamtbetrieb ist natürlich nur dann emissionsfrei, wenn auch die Wasserstofferzeugung emissionsfrei ist. Das ist sie eigentlich nur bei grünem Wasserstoff, und deswegen setzen wir in unseren Wasserstoff-Lieferverträgen für unsere Test- und Zulassungsfahrten auf grünen Wasserstoff.

Und wie sieht es mit der Energieeffizienz von Wasserstoffzügen im Vergleich zu herkömmlichen Diesellokomotiven und elektrischen Zügen aus?
Dazu gibt es inzwischen umfangreiche Untersuchungen und Studien. Der Wirkungsgrad beschreibt, wie viel Prozent der eingesetzten Energie am Ende in die Transportarbeit des Zuges umgesetzt wird. Dabei ist der rein elektrische Antrieb mit über 90 Prozent Wirkungsgrad unschlagbar; der Batterieantrieb ist mit 85 Prozent nicht viel schlechter. Ein guter Dieselantrieb mit elektrischer Kraftübertragung und Pufferbatterie kommt auf etwa 45 Prozent, und beim Wasserstoffantrieb liegen wir wegen der genannten Speicher- und Elektrolyseverluste nur bei etwa 25 Prozent.

Trotzdem rechnen Sie mit steigenden Exporten?
Ja, denn ein durchgehend elektrifiziertes Bahnnetz gibt es nur in der Schweiz, und unser Heimatmarkt macht etwa zehn bis fünfzehn Prozent unseres Umsatzes aus. Deswegen war es für uns so wichtig, alternative Antriebslösungen mit Wasserstoff und Batterie zu entwickeln. Wir dürfen mit Stolz sagen, dass Stadler bei diesen Lösungen heute sowohl Technologie- als auch Marktführer ist: Mit zwei Guinnessbuch-Weltrekorden unseres «Batterie-Flirt» und unseres «H2-Flirt» haben wir den technologischen Anspruch untermauert. Und nach den Marktstudien des Marktforschungsinstituts SCI Verkehr sind wir auch Marktführer in diesem Bereich – dies, obwohl diese alternativen Antriebe in unserem Heimatmarkt Schweiz gar nicht gebraucht werden.

Text: Fabian Alexander Meyer

Bild: zVg

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