«Der Fernwärmeverbund ist ein Meilenstein für Wil»

«Der Fernwärmeverbund ist ein Meilenstein für Wil»
Andreas Breitenmoser und Marco Huwiler
Lesezeit: 6 Minuten

Andreas Breitenmoser, Stadtrat und Departementsvorsteher Versorgung und Energie der Stadt Wil, sowie Marco Huwiler, Geschäftsleiter der Technischen Betriebe Wil (TBW), sprechen über die Bedeutung des 150. Jubiläums der TBW, die Meilensteine der vergangenen Jahre und die zukünftigen Herausforderungen in der Energieversorgung.

Marco Huwiler, Andreas Breitenmoser, herzlichen Glückwunsch zum 150-jährigen Jubiläum der TBW! Was bedeutet dieses Jubiläum für die Technischen Betriebe Wil und für die Stadt Wil insgesamt?
MH: Das Jahr 2024 markiert für uns ein bedeutendes Doppeljubiläum: 125 Jahre Strom- und 150 Jahre Wasserversorgung. Wir sind stolz auf das Vertrauen, das uns unsere Kundschaft über all die Jahre entgegengebracht hat, und sehen dieses Jubiläum auch als Chance, in die Zukunft zu blicken und unsere Leistungen weiter auszubauen. Es ist ein Moment, in dem wir nicht nur unsere Geschichte feiern, sondern uns auch unserer Verantwortung für kommende Generationen bewusst werden.

AB: Gleichzeitig reflektieren wir über die lange Geschichte und den enormen Fortschritt, den die TBW in den letzten 150 Jahren gemacht haben. Das Jubiläum ist ein wichtiger Moment, um innezuhalten und zu erkennen, wie viel wir erreicht haben. Es zeigt auch, wie stark sich Wil auf eine zuverlässige und zukunftsorientierte Versorgung verlassen kann.

Wie haben sich die TBW über die letzten 150 Jahre entwickelt, und welche Meilensteine möchten Sie besonders hervorheben?
MH: Die Gründung der Wasserversorgung 1874 war der erste grosse Schritt, gefolgt von der Elektrizitätsversorgung im Jahr 1901. Im Laufe der Zeit haben wir beide Infrastrukturen kontinuierlich weiterentwickelt und modernisiert. Meilensteine wie der Ausbau des Gasnetzes und das Angebot moderner Telekommunikationslösungen haben zur heutigen Vielfalt der TBW beigetragen. Die Einführung von E-Mobilitätslösungen und das Engagement für erneuerbare Energien zeigen, wie wir uns auf die zukünftigen Bedürfnisse unserer Kundschaft einstellen. Die Volksabstimmung zum Fernwärmeverbund Wil im letzten Jahr ist das entscheidende Element zu «Netto-Null». Zudem sind die TBW finanziell «kerngesund» und liefern jährliche Abgaben an die Stadt Wil.

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«Fernwärme ist ein entscheidendes Projekt für eine nachhaltige Energiezukunft.»

Wie wichtig ist Tradition für die TBW, und wie verbinden Sie diese mit der modernen Entwicklung in der Energie- und Versorgungswirtschaft?
MH: Tradition bedeutet für uns, auf eine erfolgreiche Vergangenheit zurückzublicken, während wir uns den Herausforderungen der Zukunft stellen. Der Energiemarkt ist im Wandel, und wir entwickeln uns vom klassischen Energieversorger hin zu einem agilen und kundenorientierten Dienstleister. Dies erfordert gleichzeitig, dass alle Mitarbeitenden bereit sind, sich kontinuierlich anzupassen und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig achten wir darauf, unsere Werte und die Bedürfnisse der Stadt und Region Wil nicht aus den Augen zu verlieren.

Welche Rolle haben die TBW bei der wirtschaftlichen Entwicklung von Wil gespielt, insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit?
AB: Eine verlässliche Strom- und Wasserversorgung ist das Rückgrat einer erfolgreichen Stadt. Sie bildet die Grundlage für das wirtschaftliche Wachstum und den Alltag in Wil. Zudem tragen die jährlichen Einnahmen der TBW erheblich zur finanziellen Stabilität der Stadt bei. 

Die Fernwärmeversorgung ist ein zentraler Bestandteil der Energieversorgung in Wil. Welche Bedeutung hat dieses System für die Stadt?
AB: Der Fernwärmeverbund ist ein entscheidendes Projekt zur Reduktion der CO2-Emissionen und zur Erreichung des Netto-Null-Ziels. Durch die Nutzung von Abwärme aus der Kehrichtverbrennungsanlage in Bazenheid können wir einen grossen Teil des Wärmebedarfs in Wil nachhaltig und CO2-neutral decken. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung für die Zukunft.

Wie sehen die aktuellen Ausbaupläne für das Fernwärmenetz in Wil aus, und welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich dabei?
MH: Ab Herbst 2026 wollen wir die ersten Liegenschaften mit Fernwärme beliefern. Die Technologie ist ausgereift und wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter verringern. Eine Herausforderung bleibt die bedarfsgerechte Planbarkeit und das Projektmanagement, sodass alle technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfüllt sind, um die Finanzierung (CHF 75 Mio.) und den langfristigen Erfolg des Projekts zu sichern.

Und wie sieht das aus für Bewohnerinnen und Bewohner ausserhalb des Fernwärmeperimeters?
MH: Wir suchen nach alternativen Wärmelösungen, um möglichst vielen Haushalten umweltfreundliche Optionen anzubieten. Der Wegfall von Erträgen aus dem Gasgeschäft stellt uns allerdings vor die Herausforderung, diese Einkommensquelle durch neue, nachhaltige Angebote zu ersetzen. Es ist unsere Aufgabe, auch für diese Gebiete passende und wirtschaftliche Lösungen zu finden. 

Inwieweit trägt die Fernwärme zur Erreichung der Klimaziele der Stadt Wil bei?
AB: Mit dem Fernwärmeprojekt können wir den Anteil fossiler Heizungen in Wil deutlich reduzieren. Es ist ein zentraler Baustein unserer Strategie, die CO2-Emissionen der Stadt nachhaltig zu senken. Die klare Ausrichtung auf erneuerbare Energien zeigt, wie stark sich die Stadt Wil für die Erreichung der Klimaziele einsetzt.

 

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Welche Technologien oder Innovationen sehen Sie in Zukunft für die Fernwärme, um diese noch effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten?
MH: In erster Linie kommen beim Fernwärmeverbund Wil nur CO2-freie Energien zum Einsatz. Bei zukünftigen Wärmeverbünden bekommen Abwärmelösungen zusammen mit Wärmepumpen eine wichtige Rolle, beispielsweise durch den Einsatz von «Anergie» für Klimakälte im Sommer. Standardisierungen im Bau und Betrieb der Anlagen sollen ebenfalls dazu beitragen, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern. Hier gilt es, kontinuierlich Innovationen zu prüfen und umzusetzen.

Wie stellen Sie sicher, dass das Gasnetz weiterhin sicher und effizient betrieben wird, während gleichzeitig die Transformation hin zu erneuerbaren Energien vorangetrieben wird?
MH: In der Übergangsphase bis zur Stilllegung des Gasnetzes verfolgen wir das grundsätzliche Ziel, Fern- und Nahwärme sowie andere dezentrale Lösungen wie Wärmepumpen als Ersatz für das Gasnetz zu etablieren. Für die Grosskundschaft, die Gas für Produktionsprozesse benötigt, suchen wir gemeinsam nach geeigneten Alternativen. Ob es je möglich wird, z.B. Wasserstoff in den bestehenden Infrastrukturen zu befördern, ist offen. Unsere Aufgabe ist es, die beste Lösung für jeden Haushalt zu finden.

Wil trägt das Label «Energiestadt Gold». Was bedeutet das konkret für die TBW und für die Stadt Wil?
AB: Das Label «Energiestadt Gold» zeigt, dass Wil konsequent auf erneuerbare Energien und eine effiziente Energienutzung setzt. Es ist eine Auszeichnung, die das Engagement der Stadt und der TBW im Bereich Klimaschutz bestätigt. Dieses Label ist uns Ansporn, unsere Bemühungen stetig zu intensivieren.

 

Welche konkreten Massnahmen haben die TBW in den letzten Jahren ergriffen, um das Energiestadt-Label zu sichern und weiterzuentwickeln?
MH: Wir haben in Zusammenarbeit mit der Stadt zahlreiche Massnahmen ergriffen, darunter die Förderung und den Ausbau von nachhaltiger Energie und Mobilität. Wir werden auch in Zukunft weitere Initiativen, z.B. auch Pilot- und Demonstrationsprojekte, lancieren, um diese Erfolge auszubauen. Dabei sind die enge Kooperation und der Austausch mit der Politik, Wirtschaft, Geschäftspartnern und der Kundschaft in der Stadt und Region Wil zentral. Diese Partnerschaften sind entscheidend, um langfristig erfolgreich zu sein. 

Welche zukünftigen Projekte planen Sie, um die Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien in Wil weiter zu fördern?
AB: Wir arbeiten an Pilotprojekten zur Reduktion des Energieverbrauchs und fördern den Einsatz erneuerbarer Energien. Zudem sensibilisieren wir die Bevölkerung bei Veranstaltungen und bieten attraktive Förderprogramme für nachhaltige Energienutzung an. Diese Projekte sind entscheidend, um die Ziele der Stadt zu erreichen.

Was sind die grössten Herausforderungen, die Sie auf dem Weg zur Erreichung der Klimaziele in Wil sehen, und wie wollen die TBW diese angehen?
AB: Der vollständige Umstieg aller Liegenschaften auf erneuerbare Energien wird eine der grössten Herausforderungen. Auch im Bereich Mobilität sehen wir noch Potenzial, das wir als Modellstadt für nachhaltige Mobilität mit attraktiven Angeboten ausschöpfen möchten.

MH: Ein weiteres Ziel ist es, die Produktion von erneuerbarer Energie zu steigern. Dazu tragen heute Photovoltaikanlagen und zukünftig vielleicht auch Windanlagen bei. Parallel dazu wäre es förderlich, wenn wir direkt auf Schweizer Wasserkraftanlagen Zugriff hätten. Wir sind überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um die Klimaziele zu erreichen.

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