Gefahr einer Korrektur
Stefan Lemberger, welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf den Immobilienmarkt im Kanton St.Gallen bisher?
Die vorübergehende, Corona-bedingte Verschiebung des Büroarbeitsplatzes ins Homeoffice hatte eine wachsende Nachfrage nach mehr und grösserem Wohnraum zur Folge. Ob dieser Trend anhält, hängt davon ab, wie sich das Homeoffice in der Arbeitswelt über die Pandemie hinaus etabliert. Damit einher geht die sinkende Bedeutung der Pendeldistanz zum Arbeitsort. Wer zum Beispiel nur zwei Mal pro Woche pendelt, nimmt einen grösseren Weg in Kauf. Dies dürfte die Attraktivität von peripheren Wohnlagen steigern und gerade in der Ostschweiz einigen Regionen Auftrieb verleihen, die zuletzt eher negiert wurden.
Und wie sieht das bei Gewerbeflächen aus? Namentlich bei Büro- und Verkaufsflächen?
Hier werden die ohnehin schon hohen Leerstände nach unserer Einschätzung weiter steigen. Die Folge ist ein zunehmender Preisdruck. Wegen der Laufzeit der Mietverträge könnte diese Entwicklung einige Zeit anhalten. Firmen suchen nach Optimierungspotenzial und Sparmöglichkeiten. Da ist es naheliegend, dass auch die Grösse der beanspruchten Flächen und die Mietkosten in den Fokus rücken. Im Detailhandel und im Gastgewerbe steigt der Druck weiter. Das sind keine typischen Ostschweizer Phänomene, sondern schweizweite Trends.
Viele Experten warnen vor einer nächsten grossen Immobilienblase. Sollte man vor diesem Hintergrund derzeit nicht lieber die Finger lassen von Immobilieninvestitionen?
Solange die Nationalbank die Leitzinsen im negativen Bereich belässt, verhallen die Rufe nach einer Mässigung am Immobilienmarkt. Die Gefahr einer Korrektur ist nicht wegzudiskutieren. Dafür müsste es aber erst zu einer konjunkturellen Korrektur kommen. Wir raten allgemein zu einer vorsichtigen Tragbarkeitsberechnung bei Kaufinteressenten. Werden Immobilien konservativ finanziert und Hypotheken langfristig angebunden, sind Immobilien weiterhin eine sinnvolle und nachhaltige Investitionsmöglichkeit. Das gilt übrigens auch den Erwerb von Renditeliegenschaften. Erinnern wir uns zurück an die 1990er-Jahre: Hier hat vor allem die hohe Fremdkapitalfinanzierung vielen Immobilieninvestoren das Genick gebrochen.
In gewissen Regionen der Schweiz, zum Beispiel am Genfersee, in Teilen der Zentralschweiz und an der Zürcher Goldküste ist in den vergangenen Jahren eine regelrechte Preis-Rallye losgetreten worden. Für die Mittelschicht wird der Haus- und Wohnungskauf dort praktisch unerschwinglich. Wie sieht das in St.Gallen aus?
Auch in der Ostschweiz führen die steigenden Preise zu erhöhten Finanzierungsschwierigkeiten, vor allem in Bezug auf die Tragbarkeit. Im Vergleich zu den genannten Regionen ist das Preisniveau in der Ostschweiz jedoch nicht so stark gestiegen und der Erwerb von Wohneigentum immer noch für viele Einkommensschichten möglich.
Und was macht denn die Region für Investoren interessant?
Die Vergangenheit zeigt, dass die Ostschweiz im Vergleich zu anderen Regionen der Schweiz weniger starken Preisschwankungen unterliegt – dieser Umstand behält seine Gültigkeit. Für Investoren bieten Ostschweizer Immobilien nach wie vor angemessene Renditen. Gleichzeitig ist das Risiko von Bewertungsverlusten aufgrund der moderateren Preisentwicklung weniger gross. Das hier geltende dualistische Steuersystem kann zudem für grössere Investoren, welche Liegenschaften über juristische Personen erwerben, steuerliche Vorteile bringen.
Welche Arten von Immobilien bieten sich denn derzeit im Kanton St.Gallen als Kapitalanlage an?
Generell ist der Immobilienmarkt auch in der Ostschweiz stark ausgetrocknet und die Nachfrage nach interessanten Investitionsmöglichkeiten gross. Unsere Erfahrung bei der Hugo Steiner AG zeigt, dass aber immer wieder spannende Anlageimmobilien auf den Markt kommen. Die Palette reicht von Wohnliegenschaften über gemischt genutzte Objekte bis hin zu reinen Gewerbeliegenschaften. Entscheidend für einen Kaufinteressenten ist, welche Investitionsstrategie er verfolgt und welche Immobilie nach dem Best-Owner-Prinzip zum Anleger passt.
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Welche Objekte sind also bei uns besonders gefragt?
Wohnen ist das zentrale Thema. Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen ist aktuell besonders gross. Im Anlagebereich sind Wohnliegenschaften besonders gefragt. Gewerbeliegenschaften haben aufgrund des derzeitigen Überangebots an freien Flächen etwas an Attraktivität verloren – was aber umgekehrt neue Chancen eröffnet.
Wie viel Geld brauche ich derzeit, um sinnvoll in Immobilien zu investieren – und welche Renditen sind möglich?
Aktuell bewegen sich die meisten Bruttorenditen der durch uns verkauften Liegenschaften je nach Lage, Art und Zustand der Immobilie zwischen 3,5 und 4,5 Prozent. Das benötigte Kapital für eine entsprechende Investition richtet sich nach dem Kaufpreis des Objektes und der Höhe der Fremdfinanzierung. Für kleinere Anlageimmobilien mit wenigen Wohneinheiten dürfte das erforderliche Eigenkapital bei rund 500‘000 Franken liegen. Darunter würden wir eher eine indirekte Investition empfehlen.
Der Nationalrat hat kürzlich einen Vorstoss gutgeheissen, der die Lex Koller wieder zurück aufs Tapet bringt. Ist eine Verschärfung notwendig?
Noch muss der Ständerat darüber befinden. Nach unserer Einschätzung besteht kein Handlungsbedarf. Die bestehenden Hürden sind für ausländische Käufer – namentlich solche aus Nicht-EU/EFTA-Ländern – bereits recht hoch. Auch hier gilt: Der Druck dürfte in den grossen Tourismusgebieten und in den Wirtschaftszentren grösser sein als bei uns in der Ostschweiz.