Abschwächung in Sicht?
Die Covid-Krise hat zu einigen Baustellensschliessungen geführt. In welchem Mass war die regionale Baubranche davon betroffen?
Beat Müller: Im Vergleich zu anderen Branchen nicht besonders stark. Es kam bei uns vereinzelt zu Verzögerungen, die SBB etwa hat gewisse Projekte vertagt. Bei Industrie- und Gewerbebauten gab es allerdings Veränderungen. Ihre Zahl ist dieses Jahr spürbar zurückgegangen. Dafür waren wir in den vergangenen Monaten stärker mit der Bearbeitung von kleineren und mittleren Bauvorhaben beschäftigt.
Investoren verschieben derzeit neue Projekte; die Nachfrage nach Büro- und Gewerbeimmobilien schwächelt. Inwieweit könnte die Pandemie den Rückgang der Bautätigkeit begünstigen?
Beat Müller: Da muss man nach Sektor differenzieren. Im Wohnungsbau etwa liess sich schon vor der Krise eine gewisse Stagnation beobachten. Allerdings bleibt die Nachfrage dank tiefer Zinsen immer noch relativ hoch. Das gilt auch für den Infrastrukturbereich. Da gehen wir davon aus, dass die Pandemie keine Auswirkungen haben wird. Mit zeitlichen Verschiebungen rechnen wir vor allen bei Gewerbe- und Industrieprojekten. Generell machen sich die Auswirkun- gen der konjunkturellen Zyklen in der Bauwirtschaft bekanntlich zeitlich verzögert bemerkbar.
Wie muss sich die Baubranche entwickeln, damit sich die Auftragsbücher füllen?
Lynn Burkhard: Die Auslastung an sich ist nicht besorgniserregend. Sorge bereitet das Preisniveau, das sich durch Corona nochmals verschärft hat. Wir beobachten einen Trend hin zu Gesamtleistungsangeboten. Durch das Wegfallen von Schnittstellen können Synergien und Kosten zum Vorteil der Bauherrschaft gewonnen werden. Dies bedingt aber, dass der Bauunternehmer möglichst früh mit ins Boot geholt wird.
Nur wer differenziert, gewinnt, heisst es häufig. Was halten Sie von diesem Motto?
Beat Müller: Da können wir natürlich nur zustimmen, auch unser Unternehmen richtet sich danach aus. Wichtig ist dabei, das Kundenbedürfnis zu erkennen. Auch wenn häufig der Angebotspreis entscheidend ist, versuchen wir uns durch Qualität, Termintreue und fachlicher Beratung zu differenzieren.
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Oft wird Ihre Branche als wenig innovativ hinsichtlich Materialien und Bauverfahren wahrgenommen. Stimmt das?
Lynn Burkhard: Wir würden das relativieren. Ausserhalb der Baubranche mag dies so wahrgenommen werden. Dies liegt vielleicht daran, dass es sich bei jedem Projekt um einen Prototypen handelt und sich dadurch Prozesse nicht so schnell vereinheitlichen lassen wie in anderen Branchen. Aber beispielsweise im Materialrecycling, im Elementbau oder in der Digitalisierung sind durchaus Innovationen zu beobachten.
Wie stellen sie sich das «Bauland Ostschweiz» in zehn Jahren vor?
Beat Müller: Was die Nachfrage angeht, gehen wir davon aus, dass sich diese im Wohnungsbau langfristig etwas abschwächen wird. Dafür wird der Anteil an Infrastrukturprojekten tendenziell weiter steigen. Ebenfalls wird das Umweltbewusstsein weiter zunehmen. Dies wird die Baubranche hinsichtlich Materialkreislauf und energetischen Sanierungen von Gebäuden noch verstärkt beschäftigen.
Stichwort Digitalisierung: Wo erwarten Sie für das Baugewerbe Veränderungen?
Lynn Burkhard: Bezüglich Digitalisierung steht in der Baubranche das Schlagwort BIM (Building Information System) über allem. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes in einem digitalen 3D-Modell abgebildet. Für die Baumeister bedeutet dies in einer ersten Phase, dass sich durch die neue Arbeitsweise weg von Ausführungsplänen in Papierform hin zu digitalen 3D-Modellen das Berufsbild ihrer Mitarbeiter verändern wird. Es ergeben sich aber vor allem auch Chancen. Denn durch den möglichst frühen Einbezug aller Projektbeteiligter können die Planungsqualität verbessert und letztlich die Gestehungs- und Betriebskosten gesenkt werden.