«Der Wetterfrosch hat ausgedient»
Joachim Schug, wie läuft der Prozess der Wettervorhersage bei DTN grundsätzlich ab?
Der oft kolportierte «Wetterfrosch» hat schon lange ausgedient (lacht). Wir verwenden – wie alle Wetterdienste – hochmoderne Computerhochrechnungen für die tägliche Wettervorhersage.
Welche spezifischen Methoden setzen Sie dabei am häufigsten für die Vorhersagen ein?
Die Wettermodelle wurden in den letzten Jahrzehnten immer besser, was räumliche und zeitliche Auflösung angeht. Immer wichtiger werden lokale Prognosen: Dabei hilft unseren Meteorologen das eigene statistische Verfahren, basierend auf Modelldaten und historischen Daten der vielen Wetterstationen.
Hand aufs Herz: Wie genau können Sie das Wetter vorhersagen?
Das grossräumige Wetter kann man unterdessen recht genau vorhersagen: «wechselnd bewölkt, da und dort etwas Regen möglich» (lacht). Ein Trend (wärmer/kälter als jetzt) ist mittlerweile für zehn bis 14 Tage möglich. Je detail-lierter die Vorhersage gewünscht wird, umso schwieriger wird sie. Das betrifft zum Beispiel Nebel/Hochnebel im Winter oder lokale Schauer und Gewitter im Sommer.
Können Sie die wichtigsten technologischen Systeme nennen, die Sie für die Wettervorhersage nutzen?
Die Computermodelle haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert. Auch die im chaotischen System Wetter immer vorhandenen Unsicherheiten können diese Modelle mit sogenanntem Ensemble recht gut abbilden.
Und wie wichtig sind Satellitendaten und Radarbilder für Ihre täglichen Vorhersagen?
Für die kurzfristige Vorhersage (fünf Minuten bis zwei Stunden) sind weniger Computerhochrechnungen, sondern mehr Radarbilder und Blitzpositionen enorm wichtig. Zur Abschätzung kleinräumiger Windereignisse (Böenfronten) ist natürlich auch unser eigenes Messnetz (doppelt so viele Stationen wie MeteoSchweiz) mit zehnminütigen Messwerten unerlässlich.
Setzen Sie auch künstliche Intelligenz in Ihrem Vorhersageprozess ein?
Diese neueste technische Entwicklung hält auch in der Meteorologie Einzug. Es gibt bereits erste Versuche mit Wettermodellen auf KI-Basis. In der täglichen Prognosearbeit kann KI bei der Erstellung von Wettertexten sehr hilfreich sein.
Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen technologischen Fortschritten und der Erfahrung des Meteorologen in der Genauigkeit der Wettervorhersage?
Der gewaltige technologische Fortschritt erleichtert die Arbeit des Meteorologen. Seine Erfahrung ist aber immer noch essenziell – vor allem bei widersprüchlichen Hochrechnungen oder bei Unwetterlagen.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Wettervorhersage für die St.Galler Festspiele?
Der grobe Wetterfahrplan für die Aufführungen, aber auch Proben lässt sich noch einfach erstellen. Grösste Herausforderung sind nach wie vor die kurzfristigen und sehr kleinräumigen Wetterphänomene wie Schauer oder Gewitter – vor allem, wenn sie in unmittelbarer Nähe entstehen. Trotzt fünfminütiger Aktualisierung der Daten hat es dann meist nur noch wenig Zeit für Alarmierungen.
Wie hat sich die Genauigkeit der Wettervorhersagen in den letzten Jahren verändert?
Die Meteorologie hat vor allem von der rasanten Entwicklung der Rechnerleistung profitiert. In meiner Anfangszeit als Prognostiker hatten wir noch ein bis zwei grobe Wettermodelle mit Auflösung von 150 bis 250 km, alle zwölf Stunden. Heutzutage haben wir fünf bis zehn verschiedene Modelle mit weltweiter Auflösung von 9 km (regional 1 km) sowie stündlicher Auflösung!
Zum Schluss: Wie hat Ihre eigene Erfahrung als Meteorologe Ihre Herangehensweise an die Wettervorhersage im Laufe der Jahre beeinflusst?
Trotz der enormen Verbesserungen bleibt bei der Wetterprognose immer noch etwas Unsicherheit. Diese müsste man mit Wahrscheinlichkeiten vermitteln, was aber immer noch sehr schwierig ist. Als Prognostiker mit langjähriger Erfahrung merkt man auch, dass eine klare Kommunikation mit einer guten Mischung aus Fakten, aber auch Bildern ebenfalls essenziell ist.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer