Auf dem Weg zur Milliarde
Viktor Gaspar, die Hardinge Kellenberger AG legt alle bisherigen Standorte in Goldach an der Tannäckerstrasse zusammen. Wie kam es zu diesem Entscheid?
Es hatte sich in den letzten Jahren mit der Fusion der unterschiedlichen Marken bereits eine grosse Überschneidung von Produkten und Entwicklungs-Know-how gezeigt. Mit dem Wachstum der letzten Jahre sind wir in St.Gallen an unsere Grenzen in Bezug auf die Produktionsfläche gelangt. Wir brauchten und wollten einen gemeinsamen Unternehmensstandort für alle Marken und alle Mitarbeitenden, um Synergien nutzen zu können und das zeit- und kostenintensive Pendeln zwischen den Standorten zu beenden. Hier steht der Kunde im Mittelpunkt, somit können wir unsere Produkte gleichermassen präsentieren und weiterentwickeln. Kurz gesagt: Wir bündeln unsere Erfahrung.
Was war ausschlaggebend für die Standortwahl?
Wichtig war für uns, dass unsere Mitarbeitenden das Unternehmen weiterhin gut erreichen können, dass die Wege in Summe nicht nennenswert länger werden. Mit Ausnahme des Standorts Studen, der in der Westschweiz liegt, ist uns das mit Goldach gut gelungen. Die Grundstücksgrösse war ein weiterer Standortvorteil: Hier konnten wir zukünftige Erweiterungen bereits einplanen, und mit Mettler2Invest hatten wir einen guten Partner gefunden, um unsere Vision umzusetzen.
Welche Vorteile bringt die neue Produktionshalle mit sich?
Wir konnten mit dem Neubau eine Umgebung konzipieren, die auf den Bau moderner Maschinen getrimmt ist, wie ein Massanzug passt sie zu den Anforderungen im Maschinenbau. Ein modernes Klimakonzept wurde erarbeitet; die Anlage ist in der Lage, alle Räume auf 21 Grad konstant zu halten, mit einer Toleranz von ± 1 Grad. Hier wurden in den Boden Wassertanks eingearbeitet, die mit Grundwasser gekühlt werden. Das Werk in Goldach bringen gestraffte Produktionsabläufe und ein optimierter Montageprozess hohe Kapazitäts- und Effizienzverbesserungen zustande. Schwingungsgedämpfte Fundamente werden die äusseren Einflüsse auf die Maschinen minimieren und die Genauigkeit erhöhen.
Kann dadurch auch die Kapazität erhöht werden?
Ja. Wir haben die Anordnung der verschiedenen Bereiche sehr logisch konzipiert. Dadurch werden die Produktionsabläufe räumlich und damit auch zeitlich gestrafft. Wir können die Produktionszeit für unsere Maschinen dadurch reduzieren und auch bei komplexen Maschinenkonzepten für eine schnellere Auslieferung sorgen. Letztendlich können wir dadurch mehr Maschinen bauen als bisher.
Welche Massnahmen wurden ergriffen, um sicherzustellen, dass die neue Produktionshalle nachhaltig und umweltfreundlich ist?
Die Bauingenieure haben für unsere Produktionshalle nach neuesten Erkenntnissen über Umwelt- und Ressourcenschutz ein zentrales Kühl- und Druckluftsystem konzipiert, das unter anderem Grund- und Bodenseewasser einbezieht. Dieses innovative System wird dazu beitragen, die Betriebskosten zu senken. Auch die neue Lackiererei wurde nach neuesten Umweltaspekten geplant.
Und was ändert sich für Kunden und Lieferanten?
Unsere neue, optimal durchdachte Fertigungsphilosophie erlaubt uns, viel mehr Maschinen bauen und ausliefern zu können. Gleichzeitig werden unsere Qualitätsstandards in der neuen Halle leichter zu verwirklichen sein als am alten Standort und stark zu der von uns hoch geschätzten Kundenzufriedenheit beitragen.
Kann die neue Produktionshalle auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben und den sich ändernden Anforderungen des Marktes gerecht werden?
Absolut. Der neue Standort bietet mit der rund 18’000 m² grossen Fertigungshalle und fast 5000 m² Bürofläche viel Raum für zukünftiges Wachstum. Wir haben die Dimensionen der Halle mit einem Faktor versehen, der zukünftige Entwicklungen einbezieht. Ferner ist ein Teil der Halle so separiert, dass dort Platz für Sonderaufgaben besteht. So könnten in Zukunft z.B. Reinräume entstehen, wenn die Kundenstruktur das erforderlich macht. Der neue Standort erlaubt uns auch, weiterhin das Produktions-Know-how auszubauen und neue Produktionstrends umzusetzen.
Wie hat sich die Integration von Kellenberger in die Hardinge-Familie seit der Übernahme entwickelt?
Wir sind auch nach über 25 Jahren Zugehörigkeit zum Hardinge-Konzern im Geschäftsalltag ein eigenständig funktionierendes Unternehmen. Das Schleifen ist die Königsdisziplin in der Metallbearbeitung und die europäische – vor allem die schweizerische – Kompetenz in diesem Bereich ist immens. Trotzdem ist die Zusammengehörigkeit innerhalb des Gesamtkonzerns stark gewachsen. Vor allem im Vertrieb und im Service nutzen alle Gruppenmitglieder seit Langem gemeinsame Strukturen.
Kellenberger hat sich im Bereich Schleifen zum «Leading Brand» entwickelt …
… und durch die Zusammenlegung von Fertigung und Montage aller Marken am neuen Standort wird sich dieser Trend noch verstärken, ja. Gleichzeitig ist Kellenberger in Vertrieb und Marketing auch für die Bereiche Drehen und Fräsen zunehmend in der Verantwortung. Anders lassen sich die erforderlichen Synergieeffekte innerhalb der Gruppe auf dem europäischen Markt nicht erzielen.
Auch interessant
Apropos Märkte: Welche sind für das Unternehmen besonders vielversprechend?
Die kontinuierliche Entwicklung vom Schweizer Familienunternehmen zum Global Player hat sich mit der Zugehörigkeit zum Hardinge-Konzern deutlich beschleunigt. Wir konnten durch das bereits gut ausgebaute internationale Service- und Vertriebsnetz z.B. auf den amerikanischen und asiatischen Märkten deutlich schneller Fuss fassen.
Und gibt es noch Meilensteine, die Sie anstreben?
Wir streben in den nächsten drei Jahren ein grosses Umsatzwachstum an, von heute 400 Millionen Franken auf über eine Milliarde als Gesamtkonzern. Dieses wird sich nicht nur aus den bestehenden Business-Units Schleifen, Drehen und Fräsen – zu dem seit Kurzem auch der renommierte Drehmaschinenhersteller Weisser gehört – sowie Workholding speisen, sondern aus einer strategischen Diversifikation. Um unsere Geschäftsfelder auszuweiten, werden wir weitere Ankäufe tätigen, auch in der Maschinenperipherie, um uns als Systemlieferant zu etablieren und vom Wettbewerb abzuheben.
Text: Miryam Koc
Bild: Thomas Hary