«Die Sektoren, die mehr Nachhaltigkeit bringen, wachsen am stärksten»
Manuel Inauen, 2021 konnten Sie den Umsatz um über 20 Prozent steigern. Was sind die Gründe?
Viele Kunden setzen ihre magnetischen Anwendungen in hochtechnologischen Bereichen ein und die Techbranche wächst stark. Daneben gibt es Kunden, die wiederum in ihren Nischen sehr gut positioniert sind. In beiden Fällen schlägt das Wachstum auf KUK durch.
2022 scheint ein schwierigeres Jahr zu werden, mit Krieg und Krise. Wie sieht Ihre Prognose fürs laufende Jahr aus?
Umsatzmässig werden wir unser Ziel wiederum übertreffen. Anders beim Gewinn: Durch die massiv gestiegenen Einkaufspreise und die hohe Teuerung im EU-Raum müssen wir froh sein, überhaupt profitabel zu bleiben. Wegen der Materialknappheit haben wir massiv Lager aufgebaut und müssen nun akribisch darauf achten, dieses mit unserer Wertschöpfung bald an den Kunden zu bringen.
Die Industrie befindet sich wegen der Teuerung in einer heiklen Situation: Wer gestern noch profitabel war, kann heute schon Verluste schreiben. Wie steuert KUK gegen?
In unserem breiten Produktionsportfolio geht es zuerst einmal darum, dass Verlustartikel identifiziert werden. Höhere Materialpreise müssen wir bei neuen Bestellungen konsequent dem Kunden weiterverrechnen. Bei den Fertigungskosten ist die Situation dagegen anspruchsvoller. Weitere Wertschöpfungsprozesse zu automatisieren ist eine Möglichkeit, einen Transfer innerhalb der KUK Group ins Auge zu fassen eine andere. Die letzte – und sehr unangenehme – Option ist es, eine allgemeine Preisanpassung mit dem Kunden zu vereinbaren.
Jetzt ist Appenzell ja nicht gerade der Nabel der Welt – wie schaffen Sie es trotzdem, genügend Fachpersonal zu finden?
Selbstverständlich befinden wir uns in einem ländlichen Gebiet. Durch die globale Aufstellung bieten wir aber dennoch ein internationales Umfeld – dieser Mix wird geschätzt. Wir übertragen unseren Mitarbeitenden viele Kompetenzen und appellieren an die Eigenverantwortung anstelle eines umfangreichen Regelwerks. Nur so kann ein Unternehmen im Marktumfeld schnell agieren. Insgesamt gebe ich Ihnen aber recht, wir haben nicht genügend Fachpersonal. Wir sind stetig auf der Suche nach Mitarbeitenden, die der Schnelligkeit von KUK gewachsen sind. Ich muss den Bewerbern jeweils vor Augen führen, dass KUK wie ein Schnellzug unterwegs ist. Wenn man damit umgehen kann, werden es in der Regel langjährige Mitarbeitende.
Das Fachpersonal wird im Übrigen auch an unseren Aussenstandorten weiter aufgebaut. Wir müssen uns technologisch resilienter aufstellen. China hat Europa in Bezug auf automatisierte Fertigung schon längst abgehängt. Wir sorgen dafür, dass die gesamte KUK Group von den Fortschritten in Asien profitiert.
KUK Spulen und Transformatoren sind in einer Vielzahl von Anwendungen einsetzbar, von der Medizintechnik über Autos und die Photovoltaik bis zur Sensorik. Was läuft am besten?
Die Sektoren, die mehr Nachhaltigkeit bringen, wachsen am stärksten. Angefangen bei der Elektromobilität mit Ladestation und E-Auto bis zum Strommarkt inklusive Photovoltaik. Aber auch der Medizinsektor ist bei induktiven Komponenten ein starker Wachstumsmarkt. Operationen können mit solchen Systemen genauer und sicherer durchgeführt werden.
Sie haben soeben das Innovationszentrum neben dem Hauptsitz eröffnet. Für mich als Laien: Wo kann denn bei Spulen und Transformatoren noch innoviert werden?
Die Innovation liegt im magnetischen Feld. Wir dürfen in Zukunft nicht nur über Spulen sprechen, denn für das Erstellen eines magnetischen Feldes gibt es noch andere Möglichkeiten. KUK will innovative Prozesse schaffen, um die unzähligen Ideen unserer Kunden fertigungstechnisch und in mehreren Freiheitsgraden umzusetzen. Das beginnt mit optimierten Spulen in Bezug auf Füllungsgrad, Volumen, Temperaturbeständigkeit oder Materialisierung. Bei der Kontaktierung von Spule und umgebenden Komponenten sehen wir ebenfalls Potenzial.
Sie haben kein eigenes Sortiment, sondern fertigen ausschliesslich auf Kundenwunsch. Agieren Sie hier eher als Ausführer, als Co-Entwickler oder als Alleinentwickler nach Kundenbedürfnissen?
Alle drei erwähnten Varianten werden von unserem Produktmanagement umgesetzt: Als Ausführer häufig bei langjährigen Kunden, wo die Aufgabenbereiche für beide klar definiert sind. Zudem haben langjährige Kunden bereits grosses Know-how über magnetische Komponenten. Als Co-Entwickler sind wir unterwegs, wenn es um Grossmengen und KUK Automatisierungslösungen geht. Bei Stückzahlen über eine Million pro Woche muss das Produkt auch prozesssicher konstruiert werden. Dort versuchen wir, uns mit unserer Erfahrung einzubringen. Als Alleinentwickler treten wir auf, wenn ein konkretes Lastenheft vom Kunden besteht und wir das ganze Produkt mit einem Pflichtenheft realisieren. Das sind meist Produkte mit weiterführenden Elektronikmodulen.
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Sie sind also sozusagen ein Problemlöser für Ihre Kunden?
Wenn es um effektive und effiziente Fertigung ihrer Komponenten oder ganzer Produkte geht, ja. Die Marktveränderungen dagegen muss jeder selbst analysieren und entscheiden, was das für seine Anwendungen bedeutet.
Sie bestücken auch Leiterplatten und montieren Elektronikkomponenten und -baugruppen. Diese fertigen Sie aber nicht selbst, oder?
Genau, hier übernehmen wir die Beschaffung über unser eingespieltes Lieferantennetz und montieren oder bestücken im Haus. Innovative Techfirmen konzentrieren sich gerne auf die Entwicklung und schätzen es, wenn sie die komplette Fertigung outsourcen können. Für langjährige Kunden montiert KUK mittlerweile ganze Pumpen- oder Linearmotoren.
Wie setzt sich hier das Kundensegment zusammen?
Rein von der Kundenzahl her ist selbstverständlich das Spulenwickeln unser Kerngeschäft, insbesondere im Automobilsektor. Bei der Medizintechnik geht es um ganze Sensoreinheiten und in der Industrie um die erwähnten kompletten Motoren oder Pumpen.
Und wie siehts bezüglich Produktionsvolumen aus? Bedienen Sie vor allem Grosskunden, oder sind auch «Kleine» willkommen?
Wir bedienen mit Absicht kleine und grosse Kunden. Aus jedem Kleinen kann bekanntlich auch ein Grosser entstehen. Im Weiteren haben die «Kleinen» eine hohe Innovationskraft, die wir gerne im Auge behalten.
Im November haben Sie die Mitbewerberin Kälin + Fischer AG übernommen und sind so zum ersten KUK-Standort in Afrika gekommen. Was hat Sie an Tunesien interessiert?
Man muss sich dies vor Augen führen: Von der Schweiz aus betrachtet, liegt Tunesien gleich hinter Italien! Wir sind in zweieinhalb Stunden im Land; der übliche Logistikweg läuft über einen einzigen Fahrzeugtransport. Durch die Fährverbindung ist das Material innerhalb weniger Tage verfügbar. Der Standort hat eine über zwanzigjährige Geschichte in der Wickelgüterproduktion und ist strategisch eine gute Alternative zu Asien.
Auch die Standorte Frankreich (2017) und Holland (2018) haben Sie dank Übernahmen erreicht. Wie schnell gelingt die Integration «fremder» Unternehmen jeweils?
Systemtechnisch sind wir sehr schnell, da genügen wenige Monate. Der Mensch bzw. die Veränderung der Unternehmenskultur ist in solchen Fällen die Herausforderung. Die bestehende Belegschaft in die KUK-Welt zu integrieren und diesen Veränderungsprozess aktiv zu forcieren, benötigt viel Energie – und dies über mehrere Jahre. Diesbezüglich ist die Gründung eines eigenen Standorts weniger anspruchsvoll.
Und wie wichtig ist die geografische Verteilung auf sieben Standorte weltweit (CH, SK, NL, FR, CN, TH, TN) für KUK?
In Varianten denken, Flexibilität und Resilienz sind wesentliche Stärken von KUK. Das schätzen unsere Kunden – und deshalb ist die internationale Präsenz ein strategischer Vorteil. Wir müssen aber auch dafür besorgt sein, dass vom Hauptsitz die notwendigen Führungs- und Managementressourcen zur Verfügung stehen.