Plastische Rekonstruktion als humanitäre Verpflichtung
Der Plastische und Handchirurg leistet dort humanitäre Einsätze. Mit seinem Team sorgt Wedler dafür, dass sich zum Beispiel durch Schussverletzungen, Verbrennungen, Tumore, Traumata oder angeborene Missbildung entstellte Menschen einer plastischen Rekonstruktionsoperation unterziehen können.
Von der Bronx nach Ruanda
Die unentgeltlichen Einsätze des gebürtigen Hamburgers, der seit 28 Jahren der Schweiz lebt, finden vor allem im Nahen Osten und im westlichen sowie östlichen Afrika statt. Koordiniert werden sie durch den Schweizer Hilfsverein Interplast Switzerland, dem der Doppelbürger heute als Präsident vorsteht. In diesem Verein haben sich erfahrene Plastische Chirurgen, Anästhesisten sowie OP-Schwestern zusammengeschlossen, um während ihres Urlaubs Patienten in solchen Ländern gratis zu behandeln.
Volker Wedler, der neben drei erwachsenen Töchtern auch einen sechs Monate alten Sohn hat, entdeckte seine humanitäre Seite schon in jungen Jahren. «Ich wurde durch meine Mutter, die als Altenpflegerin und Erzieherin geistig behinderter Kinder tätig war, dafür sensibilisiert», erinnert sich der Arzt, der bereits im Alter von 15 Jahren in Altersheimen mitarbeitete. «Als Medizinstudent habe ich einem Spital in der armen Bronx in New York praktiziert und dabei Randgruppen kennengelernt», fügt er hinzu.
Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik
«Das Spezialgebiet der Plastischen Chirurgie hat mich von Anfang an fasziniert», sagt Volker Wedler. Die Rekonstruktion entstellter Patienten betrachtet er als eine sehr kreative Tätigkeit, für die man viel Zeit benötige. «Man behandelt den Patienten länger und muss ihn wieder herstellen, sowohl in der Funktion als auch in der Ästhetik», fährt der Arzt fort.
Sein erster humanitärer Einsatz führte den Assistenzarzt 1993 in das ein Jahr darauf durch einen beispiellosen Genozid erschütterte Ruanda. Später operierte er auch in den palästinensischen Autonomiegebieten und in Jordanien, wo syrische Bürgerkriegsopfer behandelt wurden.
Normalerweise machen verschiedene Nichtregierungsorganisationen Interplast darauf aufmerksam, in welchen Gebieten gerade Handlungsbedarf besteht. «Sodann verständigen wir uns auf einen Reisetermin und stellen ein Team aus Chirurgen, OP-Schwestern, Anästhesisten sowie Hilfskräften zusammen». Das für die Eingriffe nötige Material und sämtliche OP-Instrumente für die ein- bis dreiwöchigen Aufenthalte nimmt die Gruppe mit.
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Humanitäre Verpflichtung
In den Einsatzgebieten angekommen, arbeitet das Team eng mit örtlichen Ärzten zusammen. Diese stellen das Patientengut zusammen. «Es spricht sich schon im Vorfeld sehr schnell herum, wann wir Operationen anbieten. Deswegen melden sich bisweilen hunderte von Patienten», so Volker Wedler. Um eine «Triage», wie die Priorisierung der zu behandelnden Patienten genannt wird, komme man nicht herum. «Bleiben wir beispielsweise zwei Wochen, können wir von 100 Patienten bestenfalls 40 behandeln. Diese bleiben nach dem Eingriff im Schnitt fünf Tage, da wir sicherstellen müssen, dass die Wundheilung reibungslos verläuft», gibt Wedler zu bedenken.
Welche Gegenden der Chirurg mit seinem Team aufsucht, hängt er derzeit lieber nicht an die grosse Glocke. «Oftmals bewegen wir uns zwischen Konfliktparteien und müssen vorsichtig sein, um zu vermeiden, dass wir beispielsweise entführt werden», bekräftigt er.
Wedler sieht seine Einsätze als humanitäre Verpflichtung: «Wir leben hierzulande wie in einer geschützten Werkstatt, ich muss mein System in diese benachteiligten Länder bringen», sagt er.
Nichtregierungsorganisationen, zu denen auch Interplast zählt, spielen seiner Ansicht nach eine wichtige Rolle bei den Bemühungen, die Verhältnisse in Entwicklungsländern zu verbessern. Ohne ihren Einsatz, davon ist Volker Wedler überzeugt, «wäre die Zahl der Migranten, die es nach Europa zieht, noch viel höher».