Fokus Rheintal 2024

Hohe Erwartungen, ebensolche Preise

Hohe Erwartungen, ebensolche Preise
Roger Stieger, Andrea Cristuzzi, Matthias Hutter
Lesezeit: 6 Minuten

Der Immobilienmarkt im Rheintal brummt. Trotz steigender Zinsen ist die Nachfrage nach Wohneigentum und neuen Mietobjekten nach wie vor hoch. Roger Stieger von der RT Immobilien Treuhand AG aus Altstätten, Andrea Cristuzzi von der Cristuzzi-Gruppe aus Widnau und Matthias Hutter von der Casainvest Rheintal AG in Diepoldsau ordnen die aktuelle Marktlage ein.

Aktuell besteht – trotz des gestiegenen Zinsniveaus – eine starke Nachfrage nach Wohneigentum. «Sowohl das klassische Einfamilienhaus als auch zeitgemässe Eigentumswohnungen sind gleichermassen gefragt», weiss Roger Stieger, Partner bei der RT Immobilien Treuhand AG aus Altstätten. «Mehrheitlich suchen junge Familien ein Einfamilienhaus mit Umschwung und Ältere sowie Singles eher praktische Eigentumswohnungen.»

Aufgrund der Anforderungen für die Finanzierung sind primär verhältnismässig günstige Objekte gefragt. «Viele Interessenten sanieren die Objekte nach dem Erwerb auf eigene Kosten oder sogar in Eigenleistungen», sagt Stieger. Bei den Einfamilienhäusern seien Lagen in schönen Wohnquartieren mit dennoch Nähe zu den örtlichen Infrastrukturen gefragt; Eigentumswohnungen sollen eher zentral gelegen sein. Bei den Eigentumswohnungen sind schöne Aussenräume en vogue; ebenso ist ein Lift über alle Etagen ein «Must-have». Die Ausbaustandards passen die Käufer nach dem Erwerb ihren Vorstellungen an. Entscheidend seien deshalb gute, nachhaltige Wohnkonzepte, so Stieger.

Hohe Nachfrage nach Einfamilienhäusern

Diese Ansicht teilt Andrea Cristuzzi von der Geschäftsleitung der Cristuzzi-Gruppe aus Widnau: «Weiterhin ist im Rheintal eine hohe Nachfrage nach Einfamilienhäusern zu beobachten, die in ruhigen, grünen und gut angebundenen Lagen liegen. Stockwerkeigentum (insbesondere Attika- oder Gartenwohnungen) ist ebenfalls gefragt, hauptsächlich bei kleineren Haushalten oder als Startwohnung für junge Familien.» Auch ältere Stockwerkeigentumseinheiten sind wieder gefragter – hier erhält man oft zu günstigeren Preisen Objekte mit Potenzial. Beim Ausbaustandard würden moderne und energieeffiziente Immobilien bevorzugt, da diese langfristig niedrigere Nebenkosten versprechen, so Cristuzzi.

Und auch Matthias Hutter, CEO der Casainvest Rheintal AG in Diepoldsau, stösst ins gleiche Horn: «Generell ist die Nachfrage nach Wohneigentum nach wie vor vorhanden.» Gegenüber vor ein paar Jahren (Tiefstzinsphase) habe sie allerdings merklich abgenommen. «Der Traum vom Einfamilienhaus besteht weiter, wobei dieser für die Mehrheit kaum erschwinglich ist», gibt Hutter zu bedenken. Daher stehen Eigentumswohnungen hoch im Kurs – vorrangig Neubau-Wohnungen, bei denen die Käuferschaft von Anfang an mitgestalten kann. «Bestandsobjekte, genauer gesagt ältere Eigentumswohnungen stehen vermehrt unter Druck und müssen sich preislich deutlich von den Neubauten abheben, um sich erfolgreich zu positionieren», betont Hutter.

Der verlangte Ausbaustandard sei generell hoch; die Interessenten erwarten etwas für die verhältnismässig hohe Preisbasis. Geografisch sei nach wie vor das Mittelrheintal hoch im Kurs; hier liegen alle relevanten Infrastrukturbereiche nahe beisammen – «allerdings weichen Interessenten immer öfter auch auf umliegende Gemeinden aus, da die Preise dort grundsätzlich etwas tiefer angesetzt werden», so Hutter.

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«Auch Ältere Stockwerkeigentumseinheiten sind wieder gefragter.»

Verkehrsanbindung zählt

Bei Mietobjekten sind vorwiegend Wohnungen an zentralen Lagen mit guter Verkehrsanbindung sehr gefragt, weiss Andrea Cristuzzi. Die Grösse der Wohnungen variiert je nach Zielgruppe; kleinere Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen sind besonders bei Singles und Paaren beliebt, während Familien eher nach grösseren Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, idealerweise mit Gartenanteil, suchen.

«Ein hoher Ausbaustandard mit modernen Küchen und Bädern sowie ein Balkon oder Garten sind oft entscheidende Faktoren für potenzielle Mieter; heute aber eigentlich bei allen Objekten im mittleren bis höheren Preissegment Standard», betont Cristuzzi. Und: «Eine stets hohe Nachfrage haben wir nach Mietwohnungen im unteren Preissegment.»

Aufgrund der ausgetrockneten Marktverhältnisse seien alle Mietwohnungen sehr begehrt, bestätigt Roger Stieger diesen Eindruck. Singles und junge Paare suchen vorwiegend 2½- bis 4½-Zimmer-Wohnungen an guten Verkehrslagen; junge Familien eher Einfamilienhäuser zur Miete. Die Interessenten seien gewillt, höhere Mieten zu bezahlen, «verlangen dafür bessere Ausbaustandards und ebenfalls schöne grosse Aussenräume». Steiger weist auf einen weiteren Punkt hin: «Gefragt sind heute auch nachhaltig gebaute Liegenschaften, bei denen die Heiz- und Nebenkosten tief gehalten werden können.»

Und Matthias Hutter ergänzt: «Mietwohnungen erfahren generell eine grosse Nachfrage; diese haben nach der Tiefstzinsphase einen zusätzlichen Schwung erhalten.» Auch er sieht hier das Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidend: «Wir spüren eine relativ grosse Preissensitivität; die Veränderungsbereitschaft ist gestiegen.» Nebst den qualitativen Merkmalen spielen vermehrt auch die Heiz- und Nebenkosten eine Rolle; wegen den gestiegenen Energiekosten fallen diese stärker ins Gewicht. «Die Mieterschaft macht eine Gesamtkostenbetrachtung mit Nettomiete und Nebenkosten», so Hutter.

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Nachfrage höher als Angebot

Das Angebot im Rheintal kann den Bedarf nicht abdecken; die Nachfrage ist zu gross und wird durch Zuwanderung und demografische Veränderungen stark gestützt. Da kommt die Bautätigkeit nicht nach, «primär bei Neubau- aber auch Umbauprojekten wird für Planung, Bewilligung und Ausführung immer mehr Zeit benötigt», bedauert Matthias Hutter: «Oft dauert es mehrere Jahre, bis mit dem Bau begonnen werden kann. Das macht die Aufga-be in der Immobilienentwicklung herausfordernd.» Wichtig ist gemäss Hutter, bei Markteintritt der Wohneinheiten die Bedürfnisse der Zielgruppen zu treffen; «je nach Dauer der Projektbearbeitung können sich diese verändern», gibt er zu bedenken. Es müsse auch ein Ziel sein, «auch die preissensitiveren Nachfrager mit klarer Budgetvorgabe abzuholen; hierfür sind effiziente Projekte und eine ökonomische Bauweise entscheidend», ist Hutter überzeugt.

Roger Stieger sieht das ebenso: «Aktuell kann in keinem Segment von einem Überangebot gesprochen werden. Vielmehr herrscht Knappheit. Baubewilligungsverfahren dauern länger, das Land wird knapper und teurer, die Zuwanderung bleibt hoch und die demografische Entwicklung trägt das ihre dazu bei.» Insbesondere auf dem Mietmarkt würden zu wenige Einheiten realisiert; Neubauprojekte könnten praktisch immer «ab Plan» vermietet werden. Aber: «Schwieriger umzusetzen sind teurere Objekte im Verkauf.»

Derzeit gebe es im Rheintal in bestimmten Segmenten Engpässe, insbesondere bei preisgünstigen Mietwohnungen und erschwinglichen Einfamilienhäusern für junge Familien, beobachtet auch Andrea Cristuzzi. In anderen Bereichen – wie Luxusimmobilien oder sehr grossen und damit teuren Wohnungen – könne es zu einem «leichten Überangebot» kommen. «Das Angebot hängt stark von der Makrolage (Gemeinde) und dem Preissegment ab.»

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«Wir spüren eine relativ grosse Preissensitivität.»

Hohe Preise im Vergleich zum Einkommen

Die Immobilienpreise im Rheintal können als relativ hoch im Vergleich zu den durchschnittlichen Einkommen der Region eingeschätzt werden. Dies gilt sowohl für den Eigentums- als auch für den Mietmarkt. «Die Preise reflektieren jedoch oft die hohe Lebensqualität und die gute Lage zwischen städtischen Zentren und naturnahen Erholungsgebieten», unterstreicht Andrea Cristuzzi. Ob die Preise als «gerecht» angesehen werden, hänge von der individuellen Perspektive ab. Der Vorteil der Region im Vergleich den sehr überhitzten Märkten in der Nähe der grösseren Städte ist, dass es für jedes Budget etwas gibt – «man muss einfach manchmal länger Geduld bei der Suche haben und Abstriche bei bestimmten Eigenschaften der Objekte machen», so Cristuzzi.

«Unseres Erachtens spielt beim Verkauf von Liegenschaften der Markt», bringt es Roger Stieger auf den Punkt. Die Kaufinteressenten lassen die am Markt angebotenen Objekte via Berater oder die Finanzinstitute prüfen. Sie sind dann auch nicht gewillt, überhöhte Preise zu bezahlen. «Auch im Mietwohnungsmarkt muss die Eigentümerschaft heute – trotz der eher ausgetrockneten Marktverhältnisse – marktgerechte Konditionen stellen, damit die Kunden gewillt sind, Verträge zu unterzeichnen», betont Stieger. Adäquate Mieten tragen aus Sicht der Eigentümerschaft dazu bei, dass zukünftig weniger Fluktuationen und Leerstände im Haus entstehen.

Und Matthias Hutter beobachtet: «Aufgrund der Zinsveränderung und der wirtschaftlichen Abschwächung hat die Nachfrage nach – teurem – Wohneigentum etwas nachgelassen.» Demgegenüber ist die Nachfrage nach Mietwohnungen weiterhin äusserst robust. «Angebot und Nachfrage bestimmen die Marktpreise; so gesehen sind die Preise gerecht, wobei die Obergrenze in gewissen Segmenten erreicht zu sein scheint», weiss Hutter.

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Nicht (nur) wegen den Zinsen kaufen

Die SNB hat die Schweiz gut durch die stürmischen Zeiten gebracht. Immer wurde vom Übel der Negativzinsen gesprochen; jetzt pendelt sich das Zinsniveau ein. «Man sollte eine Liegenschaft aber nicht aufgrund der Zinslage kaufen; vielmehr soll ein solcher Kaufentscheid immer gut überlegt sein», sagt Roger Stieger. Ein Objekt muss zu seinem Eigentümer passen und die Bedürfnisse der Bewohner befriedigen. «Gewisse Preis- und Zinsschwankungen sollten deshalb in allen Zeiten verkraftbar sein.»

Das sieht Andrea Cristuzzi ähnlich: «In Zeiten unsicherer Zinslagen ist es wichtig, dass Kaufinteressierte ihre finanzielle Situation gründlich analysieren und nicht über ihre Verhältnisse investieren.» Wer flexibel ist und über ausreichend finanzielle Reserven verfügt, könnte von möglichen Preiskorrekturen profitieren, sollten die Zinsen wiederum steigen. «Wir gehen allerdings im Moment eher von weiteren Zinssenkungen aus, was dafür sprechen würde, dass man bei einem passenden Objekt heute eher zuschlagen dürfte», so Cristuzzi. «Ohnehin empfehlen wir auf jeden Fall eine ausführliche Beratung durch Fachleute – in Bezug auf das Objekt und die Finanzierung –, um Risiken zu minimieren.»

Und welche Empfehlung gibt Matthias Hutter ab? «Bei der persönlichen Einschätzung der Zinssituation und daraus abzuleitenden Schlüssen bin ich generell zurückhaltend», gibt er sich vorsichtig. «Das muss jeder auf seine Vermögens- und Lebenssituation anpassen; es geht darum, wo/wie man sich wohlfühlt.» Man könne aber sicherlich sagen, dass die aktuellen Zinsen im langjährigen Vergleich äusserst tief sind; Experten rechnen noch in diesem Jahr mit weiteren Zinssenkungen, was eher für Abwarten oder kurzfristige Laufzeiten sprechen würde. «Aber wie erwähnt geht es meines Erachtens darum, dass man sich wohlfühlt und einen für seine Situation passenden Ansatz wählt; das muss nicht immer ökonomisch optimiert sein.»

Konkret heisst das: «Meine Empfehlung ist daher: Wenn das passende Objekt gefunden ist, sollte man zuschlagen und die Finanzierung auf sich sowie die eigenen Bedürfnisse ausrichten und gemeinsam mit dem Finanzierungspartner optimieren.»

Text: Stephan Ziegler

Bild: zVg