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«Der Weg aus dem Trauma führt durch das Trauma»

«Der Weg aus dem Trauma führt durch das Trauma»
Dr. Mark Ebneter
Lesezeit: 3 Minuten

Unter der Leitung von Chefarzt Dr. Mark Ebneter hat die Clienia Littenheid im vergangenen Jahr ihre Traumatherapiemethoden grundlegend umgestellt. Die beiden Therapiestationen setzen nun auf die Dialektisch-Behaviorale Therapie für komplexe posttraumatische Belastungsstörungen (DBT-PTBS). Dieses innovative Konzept bietet neue Chancen für die Behandlung von Patienten, die in ihrer Kindheit wiederholt traumatisiert wurden.

Mark Ebneter, was genau versteht man unter einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS)?
Die klassische posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wurde durch Vietnamkriegsveteranen bekannt. Sie entsteht durch traumatische Erlebnisse im Erwachsenenalter und zeichnet sich u.a. durch das wiederholte, unkontrollierbare Wiedererleben der traumatischen Erlebnisse aus. Die komplexe PTBS (kPTBS) wurde erst kürzlich als Diagnose in die offiziellen Diagnosekataloge aufgenommen. Sie betrifft Menschen, die in ihrer Kindheit wiederholt traumatisiert wurden, oft durch sexuelle Gewalt. Zusätzlich zu den klassischen PTBS-Symptomen leiden Betroffene an einer veränderten Beziehung zu sich selbst und zur Welt: sie fühlen sich wertlos und beschmutzt, und haben kein Vertrauen in ihre Mitmenschen. 

Wie kam es zur Entscheidung, das Behandlungskonzept umzustellen?
Die Methoden unserer Traumatherapie wurden 2021/2022 kritisch hinterfragt und führten zu einer umfassenden Neuausrichtung. Wir wollten weiterhin Menschen mit Traumfolgestörungen behandeln, der Schwerpunkt sollte aber nicht mehr wie bis anhin auf der Dissoziativen Identitätsstörung, sondern auf der kPTBS liegen. Für dieses relativ neue Krankheitsbild gibt es leider erst wenige erprobte Therapieansätze. Eines davon, die Dialektisch-Behaviorale Therapie für komplexe posttraumatische Belastungsstörungen (DBT-PTBS) zeigt jedoch vielversprechende Studienergebnisse und wurde bis dato nur in Deutschland und Österreich angeboten. Dass deren Entwickler, Prof. Dr. Martin Bohus, uns persönlich schulte und den gesamten Implementierungsprozess begleitete, war ein Glücksfall für uns.

Welche Veränderungen brachte die DBT-PTBS in den Stationsabläufen?
Das neue Konzept basiert auf dem Normalitätsprinzip, was bedeutet, dass der Fokus weniger auf einem künstlich geschützten Umfeld liegt. Vielmehr sollen Patienten lernen, sich den Herausforderungen des Alltags zu stellen und diese mit neuen Strategien zu bewältigen. Die Therapie ist klar strukturiert: Neben Einzelgesprächen wird viel in Gruppen gearbeitet, was unterstützend, aber auch herausfordernd sein kann, da die Patienten gemeinsam lernen, mit ihren Emotionen umzugehen.

 

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Wie läuft das Stufenmodell der DBT-PTBS ab?
Die Therapie dauert 14 Wochen und ist in drei Phasen gegliedert. In der vierwöchigen Einstiegsphase wird ein gemeinsames Krankheitsverständnis erarbeitet und Werkzeuge (sogn. Skills) für den Umgang mit Emotionen vermittelt. In der achtwöchigen Expositionsphase erfolgt die Bearbeitung der traumatischen Erinnerungen mittels Skills-basierter Exposition. In der zweiwöchigen Abschlussphase werden der Abschied von der Therapie und erste Schritte in den Alltag vorbereitet.

Wie reagieren Patienten auf die Exposition?
Die direkte Konfrontation mit traumaassoziierten Erinnerungen ist oft von Ängsten begleitet. Doch Exposition gilt heute als die wirksamste Methode, um das unkontrollierte Wiedererleben von Traumaerinnerungen zu behandeln. Bereits nach der ersten Sitzung erleben viele Patienten eine Erleichterung, was sie ermutigt, den Weg weiterzugehen. Früher setzte man oft nur auf Stabilisierung, doch heute weiss man: «Der Weg aus dem Trauma führt durch das Trauma.»

 

Wie wurde die Selbstverletzung und Suizidalität durch das neue Konzept beeinflusst?
Studien haben gezeigt, dass sowohl Selbstverletzungen als auch Suizidalität während der DBT-PTBS deutlich reduziert werden. Und was vielleicht fast noch wichtiger ist: die ausgesprochen belastenden Kernemotionen der kPTBS wie Schuld, Scham, und Ekel werden hochwirksam reduziert. Unsere Erfahrungen bestätigen diese Ergebnisse.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Traumatherapie in der Schweiz?
Während es für die klassische PTBS viele wirksame Ansätze gibt, stehen wir bei der kPTBS noch am Anfang. Die Kombination bewährter Elemente aus verschiedenen Therapiemethoden ist eine positive Entwicklung, da so individuelle Therapien angeboten werden können. Vielfalt und verschiedene Ansätze ermöglichen den Betroffenen, die passende Therapie zu finden.

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