CSIO 2022

«Ich mag Pferde, deren Motivation spürbar ist»

«Ich mag Pferde, deren  Motivation spürbar ist»
Michèle Schönbächler kommentiert für SRF die Reitsportveranstaltungen.
Lesezeit: 2 Minuten

Pferde und Reitsport üben auf Michèle Schönbächler eine grosse Faszination aus. Für SRF begleitet die Kommentatorin den Longines CSIO St.Gallen hautnah.

Reitsportwettbewerbe mussten wegen der Pandemie länger pausieren – auch der CSIO St.Gallen. Wie haben Sie den Pferdesport während des Unterbruchs verfolgt?
Ich bin selbst oft auf dem Pferd gesessen. Ausserdem habe ich viel telefoniert und mich so mit den Athletinnen und Verantwortlichen unterhalten. Ich nutzte auch die Zeit, um über den Pferdesport und dessen Entwicklung nachzudenken.

Der CSIO St.Gallen hat in Ihrer SRF-Karriere einen speziellen Stellenwert. Welchen?
2013 durfte ich zum ersten Mal einen Wettkampf im Fernsehen kommentieren, den Nationenpreis des CSIO. Und da gab es eine Szene, die ich bis heute nie mehr erlebt habe: Beim Ritt der Britin Laura Renwick fiel bei einem Oxer die zweitoberste Stange. Ihr Pferd Oz de Breve riss sich beim Absprung ein Eisen ab, das durch die Luft flog und die Stange traf. Von der Jury im Parcours und auf der Grafik wurde ein Fehler angezeigt. Ich war irritiert, für mich war das kein Fehler. Ich hatte aber nicht den Mut, mich bei meiner allerersten Übertragung gegen diese Entscheide auszusprechen und sagte: «Und da fällt die Stange. Das sind vier Strafpunkte und damit bleibt die Schweiz an der Spitze». Da aber weder Höhe noch Breite des Sprunges verändert wurden, zählte es schliesslich nicht als Fehler. Renwick blieb ohne Abwurf und die Briten gewannen. Heute habe ich den Mut und die Erfahrung, mein Wissen klar zum Ausdruck zu bringen.

Worauf freuen Sie sich jeweils besonders?
Auf die einmalige Stimmung im Gründenmoos. Der Springplatz gleicht einer Arena. Nur schon das Einreiten ist spannend zu beobachten. Man stelle sich vor, die Athletinnen und Athleten reiten hinunter, sie überblicken noch einmal den riesigen Platz, die Pferde gehen ruhig im Schritt die letzten Meter in den grossen Parcours – erstklassig.

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Gibt es ein Ereignis, das Sie in spezieller Erinnerung behalten?
Ich vergesse nie, wie Daniel Etter 2016 selbst noch das Jagdspringen geritten ist, abstieg, losrannte und nur Minuten später neben mir sass und co-kommentierte. Mit rotem Kopf, aber souverän wie immer. Und wer das weitläufige Gelände kennt, weiss, wie schnell Dani diese Strecke zu Fuss galoppiert ist.

Woran merken Sie, ob Pferd oder Reiter:in einen guten Tag erwischt haben?
Das ist bei jedem Reiter-Pferd-Duo anders. Ich mag Pferde, deren Energie, Freude und Motivation deutlich spürbar sind. Zum Beispiel beim Duo Chaplin und Martin Fuchs. Es war eindrücklich mitzuverfolgen, wie frisch sich das Pferd am Schlusstag des Weltcupfinals in Leipzig zeigte. Martin Fuchs bewies sein reiterliches Können und sein Pferd hat vom ersten bis zum letzten Sprung mitgemacht. Das war für mich ein nachhaltiges Beispiel für den partnerschaftlichen Pferdesport.

Was fasziniert Sie persönlich am Pferdesport?
Es ist das Zusammenspiel zwischen einem Menschen und einem Tier. Das Verständnis zwischen Individuen, die naturgemäss nicht die gleiche Sprache sprechen, sich aber trotzdem austauschen können. Ich glaube, die wenigsten kennen das Fluggefühl über einen 1,60 Meter hohen und 1,70 Meter breiten Oxer. Aber wir können die Dynamik und die Kraft beobachten. Das ist definitiv faszinierend.