Die fetten Jahre sind vorbei
Während zwei Jahrzehnten gab es an den Märkten für Rendite-Immobilien fast nur eine Richtung: Es ging, zuweilen zweistellig, nur nach oben. Das zeigt der Marktindex des Raumentwicklers Fahrländer Immobilien AG. Im Detail gibt es beträchtliche Unterschiede: So liessen sich mit Büroimmobilien, etwa in den Jahren 2012 und 2019, Renditen von an die 20 Prozent erwirtschaften, während es 2017 und 2018 zweistellig nach unten ging. Bei Mehrfamilienhäusern liessen sich von 2001 bis 2022 stets Renditen von fünf Prozent und mehr erwirtschaften, bei gemischt genutzten Immobilien (60 Prozent Wohnen, 40 Prozent Büro) verlief die Entwicklung ähnlich wie bei den reinen Bürobauten.
Fahrländer Immobilien berechnet eine Gesamtrendite, die sich aus dem Wertzuwachs und der Cashflowrendite. Letztere zeigt an, wie hoch der Anteil der effektiv erwirtschafteten Geldzuflüsse am Umsatz des Unternehmens ist – vor Abschreibungen oder Rückstellungen.
Liegenschaftswerte sind eingebrochen
Mit dieser in den 2010er-Jahren vorwiegend durch rekordtiefe Zinsen befeuerten Herrlichkeit ist es vorbei. Das liegt nicht an den Cashflowrenditen, die zwar leicht nachgegeben haben, aber noch immer deutlich im positiven Bereich liegen, sondern an einem dramatischen Einbruch der Liegenschaftswerte, die schweizweit im ersten Halbjahr 2023 bei Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Immobilien um fast zehn Prozent nachgegeben haben. Übers Jahr betrachtet, von Mitte 2022 bis Mitte 2023 sind es gar 11,9 Prozent.
Das kann, primär bei einer hohen Hypothekenlast, an die Substanz gehen, wenn – was im vergangenen Jahr gang und gäbe war – Saron-Hypotheken aufgenommen wurden, die eins zu eins die Leitzinsen widerspiegeln. Denn abschreiben lässt sich nur das eigene Kapital; die deutlich höhere Zinslast wird nur teilweise von den im ersten Halbjahr um 1,7 Prozent gestiegenen Marktmieten aufgefangen.
«Korrektur deutlich unter zehn Prozent»
Für Roger Thomet, Leiter Markt Deutschschweiz bei der St.Galler Kantonalbank, zeigen die veröffentlichten Abschlüsse von Immobiliengesellschaften und Immobilienanlagefonds per Mitte Jahr, dass die Bewertungen der Liegenschaftenportfolios eine Korrektur erfahren haben, wobei diese deutlich unter zehn Prozent liege. «Dies trifft auch auf den Kanton St.Gallen zu», so Thomet.
Einerseits seien die Diskontierungssätze aufgrund der Inflationserwartungen angepasst worden, was zu einer tieferen Bewertung führe. Der mit einem komplizierten Berechnungsverfahren ermittelte Diskontierungssatz, das die erwartete künftige Entwicklung des Cashflows und andere Parameter berücksichtigt, erlaubt Aussagen zum Barwert in der Gegenwart. Andererseits seien die Mieten gestiegen und die Mieteinnahmen höher. «Dies hat einen stabilisierenden Einfluss auf die Bewertung.»
Generell habe auch die Indexierung der Mietzinsen in der Schweiz einen stabilisierenden Effekt. «Die weitere Entwicklung ist direkt abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung: Muss die Nationalbank die Zinsen weiter erhöhen, kann das zu weiteren moderaten Bewertungskorrekturen führen.»
Immobilienmarkt attraktiv
Generell, so das Ergebnis des aktuellen «Trendbarometers Immobilien-Investmentmarkt» des Beratungsunternehmens Ernst & Young AG (EY) betrachten 90 Prozent der 42 befragten Investoren, unter ihnen Pensionskassen, Anlagestiftungen, Versicherungen, Immobilienfonds und Privatpersonen, den Schweizer Immobilienmarkt nach wie vor als attraktiv. Dies lasse sich, so Daniel Zaugg, Sector Leader Real Estate bei EY, «auf die stabile Wirtschaft sowie den weiterhin attraktiven Standort zurückführen.» Zwei Drittel von ihnen sehen indes vor allem in der Inflation die grosse Herausforderung für die Branche. So erwartet eine Mehrheit eine Seitwärtsentwicklung des Marktes, ein Drittel rechnet mit einer rückläufigen Entwicklung. Stabile oder sinkende Preise werden bei Shopping-Zentren, Büros und Hotels erwartet. Ungebrochen hoch ist das Interesse an Wohn- und Logistik-Immobilien.
Und es gibt einen Megatrend: den Klimawandel. 91 Prozent der Befragten glauben, dass das Thema den Schweizer Immobilienmarkt in den kommenden Jahren wesentlich beeinflussen wird. Zum Standard werden zunehmend nachhaltige Investments.
Auch interessant
Anlage mit langfristigem Horizont
Für Anleger stellt sich die Frage, inwieweit sich solche Investments noch lohnen. Es gilt dabei, zwei Anlageformen zu unterscheiden: direkte und indirekte Immobilienfonds. Generell gilt für beide Anlageformen, dass es mitunter einen langen Atem braucht, weil Kursschwankungen die Regel sind. Wer sein Geld in den börsenkotierten Swisscanto (CH) Real Estate Fund Responsible Swiss Commercial steckt, investiert in einen Fonds, der kommerziell genutzte Liegenschaft direkt hält. Der Kurs aktuell zehn Prozent unter dem Nennwert, er lag Anfang 2020 um über 20 Prozent darüber.
Ein Beispiel für einen indirekten Fonds ist der auch an der Schweizer Börse STX kotierte Swisscanto (CH) Real Estate Fund Responsible IFCA, den es schon seit 1961 gibt. Die Kantonalbanken bewerben den Fonds unter anderem für Anleger mit langfristigen Perspektiven, die bereit sind, «gewisse Kursschwankungen in Kauf zu nehmen». Der Blick auf die Kursentwicklung zeigt, dass der Kurs in den vergangenen drei Jahren zwischen einem Hoch von 180.50 Franken und einem Tief von 127.10 Franken geschwankt hat.
Thomas Stucki, Leiter Investment Center bei der SGKB, rät Investoren und Anlegern zu indirekten Anlagen in Immobilienfonds. «Sie sind einfacher im Handling und bei Bedarf einfacher wieder zu verkaufen, weshalb sie für die meisten Investoren zu bevorzugen sind.» Der Agio, der Aufpreis gegenüber dem Buchwert der im Fonds enthaltenen Liegenschaften, sei bei vielen Immobilienfonds auf einen tiefen Wert gefallen. «Das macht Anlagen in Immobilienfonds grundsätzlich attraktiv, wenn man mit einem langfristigen Zielhorizont investieren will.»
Einen schnellen Ertrag dürfe man dabei aber nicht erwarten: «Die Kurse der Immobilienfonds werden sich im aktuellen Umfeld steigender Zinsen und einer sich abschwächenden Nachfrage nach Immobilien seitens institutioneller Investoren nicht so schnell erholen.»
«Es kommt darauf an»
Vermögende Investoren könnten sich auch überlegen, direkt in eine Immobilie als Anlageobjekt zu investieren, diese also selbst zu bauen und verwalten. Rechnet sich das vor dem aktuellen Hintergrund? «Da gibt es keine eindeutige Antwort», sagt Roger Thomet, «oder anders ausgedrückt: Es kommt darauf an.»
Entwicklungen von Immobilien seien mit verschiedenen Risiken (u. a. Bau-, Preis-, Verkaufs- oder Vermietungsrisiken) verbunden, die Fachkenntnisse und eine entsprechende Organisation erforderten. «Zudem dürfte in Zukunft der Lage der Immobilien wieder eine grössere Bedeutung zukommen. Kann man sich auf eine professionelle, erfahrene Struktur abstützen und ist das Projekt lagegerecht, rechnet sich die Entwicklung einer Immobilie als Anlageobjekt eher.»
Bausektor erholt sich leicht
Die Prognosen des Raumentwicklers Fahrländer Immobilien AG lassen bei Geschäftsflächen sowohl für Büro als auch Verkauf sinkende Preise erwarten. Im nächsten Jahr wird mit gleichbleibenden Preisen gerechnet. Ganz anders sieht es beim Wohneigentum, wo die Nachfrage das Angebot nach wie übersteigt und allein deshalb, und trotz steigender Zinsen, mit leicht ansteigenden Preisen zu rechnen ist.
Die Konjunkturforscher der KOF an der ETH Zürich, das die aktuelle Stimmung in der Wirtschaft beschreibt, sehen für das Produzierende Gewerbe (Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe) aktuell eine leicht positive Entwicklung, allerdings weit unter dem Durchschnitt. So werden die Kapazitätsauslastung und die Lage bei Vorprodukten positiver beurteilt, während Fachkräftemangel und Lieferketten zu schaffen machen. Generell schrammt die Schweizer Wirtschaft aktuell am Rande einer Rezession.
Text: Urs Fitze
Bild: unsplash, zVg