Pinot Noir als Passion
«Damit zu arbeiten, ist ein Highlight», schwärmt Johannes Meier und zeigt auf die imposanten Torkel im Kelterhaus. Man wähnt sich in einer Zeitreise. Der ältere ist seit 1584 in Betrieb. «Er presst den Wein äusserst schonend», sagt der Winzer des Schlossguts Bachtobel. An traumhafter Lage am Ottenberg nahe Weinfelden liegt es – mit atemberaubender Aussicht. Die Gebäude – Schloss, Pächterhaus, Weinkeller und Scheunen – sind äusserlich seit 1796 unverändert. Rund um das Biedermeier-Schloss liegen die vorbildlich gepflegten weissen Bauten mit roten Riegeln. Man fühlt sich in einem Thurgauer Märchen, das nun von der achten Generation weitergeschrieben wird.
Wie lebt es sich als Schlossherr? «Seit meinem Grossvater sind die Inhaber auch Winzer. Früher wurden die landwirtschaftlichen Betriebe verpachtet», erzählt Meier. Das ehemalige Pächterhaus beinhalte heute Büros, Labors und die Event-Küche. «Wir haben die Scheune umgebaut und uns dort als Familie eingerichtet.» Das Schloss, noch original möbliert, dient Veranstaltungen oder Gästen. Zur Hälfte sei er Geschäftsführer, sagt Meier. Zur anderen Hälfte arbeite er am Rebberg mit, sitze selbst auf dem Traktor. «Bei einem so heiklen Produkt wie Wein muss man dabei sein.»
Zur Noblesse gehört der Wein des Schlossguts. Er zählt zum erlauchten Kreis des «Mémoire des Vins Suisses», das grossen Schweizer Weinen einen Platz im internationalen Konzert nobler Weine sichern will. Gemäss GaultMillau gehört das Schlossgut Bachtobel zu den besten Weingütern des Landes. Das ist schon seit über 100 Jahren so. «Grossvater war ein Pionier», erzählt Meier. Er begann, auf Qualität zu setzen, als das in der Deutschschweiz kaum Thema war. Genauso danach der Onkel: «Ein qualitätsversessener Perfektionist, der weltweit Erfahrungen sammelte, mit dem Ziel, am Ottenberg Weine von Weltformat zu machen.» So übernahm Meier einen optimal gepflegten Rebberg. Bewusst wurden immer wieder Rebstöcke aus den besten Weinbaugebieten geholt.
Was sollen kommende Bachtobel-Generationen über ihn sagen? «Wir versuchen, unsere Spitzenposition weiter auszubauen», antwortet Meier. Er müsse jetzt Weichen stellen. Die Klimaerwärmung macht das Weingeschäft risikoreicher. Aktuell kann zwar eine nie dagewesene Qualität gewonnen werden. Allerdings bringen starke Niederschläge, Frühjahrsfrost, Hagel und andere Extremwetter den Winzer ins Grübeln: Hat Weinbau mit klassischen europäischen Sorten hier eine Zukunft? Er experimentiert mit neuen, pilzwiderstandsfähigen Sorten. Bisher überzeugten sie aber nicht. Also bleibt der Pflanzenschutz arbeitsintensiv. «Es gibt kaum mehr Argumente, keinen biologischen Weinbau zu betreiben», so Meier.
Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: Die Mitarbeiter sind gesünder und zufriedener. «In voller Schutzmontur toxische Mittel zu versprühen, macht keinen Spass. Sie machen Menschen müde.» Zudem ziehen anspruchsvolle Weine kritische Kunden an. Bachtobel-Trinker würden keine konventionellen Methoden mehr goutieren, ist sich der Ottenberg-Winzer sicher.
2008 stieg der Betriebswirtschafter Johannes Meier bei seinem Onkel in den Weinbau ein: «Es gab einen Zehnjahresplan für die Übernahme mit Winzerlehre und Studium der Önologie. Wein war immer eine Passion für mich, aber zunächst ein Hobby. Schon als Junge war ich viel auf dem Weingut.»
Als der Onkel im ersten Jahr unverhofft verschied, musste Johannes Meier viel zu früh in dessen Fussstapfen treten. Also holte er Know-how: die Önologin Ines Rebentrost und den Winzer Philipp Gfeller. «Wir treten als Mannschaft auf», sagt Meier. Es sei gut, wie es heute sei. Meier fühlt sich wohl als vielseitiger Generalist auf dem Gut – oder als «Hans-Dampf», wie er schmunzelnd sagt.
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«Wir kaufen keine Trauben dazu, verwenden nur, was unsere sechs Hektaren hergeben», fährt Meier fort. In ertragsschwachen Jahren gibt es weniger Wein. «Da gibt es keine Kompromisse.» Ein Drittel des Weines wird von Privatpersonen aus der Schweiz oder Süddeutschland persönlich im Schlossgut abgeholt. Ein Fünftel ist für die vornehmlich regionale Spitzengastronomie vorgesehen, ein weiteres für ausgewählte Schweizer Händler.
In den Export gehen fünf Prozent – in Weinhandlungen oder Restaurants in London, Hongkong und Tokyo. «Wir haben das Glück, allen Wein verkaufen zu können, ohne an Messen präsent zu sein.» Ein Besuch im Schloss ist garantiert anregender.
Text: Pascal Tschamper
Bild: Rebekka Grossglauser