Gute Architektur gewinnt an Bedeutung
Thomas Metzler, der Kanton Bern ist bekannt für seine Bauernhäuser mit dem grossen Dach und einem «Stöckli». Gibt es auch eine typische Thurgauer Baukultur?
Thomas Metzler: Natürlich gibt es auch im Thurgau eine ortstypische Baukultur, denken Sie etwa an das typische Thurgauer Bauernhaus, oft ein Fachwerkhaus mit grossem Ökonomiegebäude. Vor gut hundert Jahren sind übrigens viele Berner Bauern in den Thurgau «eingewandert» und haben ihre Spuren auch in berntypischen baulichen Elementen, wie z.B. einem Walm, hinterlassen.
Wird diese Baukultur heute noch gelebt, oder sind das Tempi passati?
Auch bei uns wurde in den letzten Jahrzehnten viel gebaut. Oft hätte ich mir schon einen sensibleren Umgang mit den Dorfrändern, Materialisierungen und Farbgebungen gewünscht. Es gibt aber auch viele gute Beispiele der aktuellen Thurgauer Baukultur. Gerade die oben erwähnten grossvolumigen Bauernhäuser und Ökonomiegebäude sind ein interessantes Thema, das in Umbauten, Ersatzneubauten und Neubauten aufgegriffen und neu interpretiert werden kann.
Sind im Thurgau in ländlichen Regionen andere Baustile gefragt als in städtischen Gebieten wie Frauenfeld oder Kreuzlingen?
Architektur ist immer ortsbezogen. Idealerweise entstehen Neu- und Umbauten im Dialog mit der bestehenden Bausubstanz und Landschaft und integrieren sich so in die Umgebung. Das heisst, gute Architektur orientiert sich am Umfeld, in einem ländlichen Kontext müssen also auch andere Bauten als in einer grossen Agglomeration entstehen.
In Zürich oder St.Gallen interessieren sich zunehmend auch private Bauherrschaften für die Marke Architektur. Wie ist das im Thurgau? Ist es hier schwieriger, Privatpersonen oder Investoren für gute Architektur oder gar einen Wettbewerb oder Studienauftrag zu begeistern?
Unsere privaten und öffentlichen Bauherrschaften legen grossen Wert auf gute Architektur. Wird ein Wettbewerb ausgeschrieben, sollte dieser auch korrekt (z.B. nach sia) durchgeführt werden. Wettbewerbe sind beim Kanton die Regel, bei kleineren und mittleren Bauprojekten ist aber die sorgfältige Planerwahl oder ein Planerwahlverfahren oft besser und sinnvoller als ein komplexes Wettbewerbsverfahren.
Worauf wird beim Bau eines Einfamilienhauses heute besonders Wert gelegt, was die Architektur angeht?
Neben einer guten Einpassung in die Umgebung, funktionalen und ästhetischen Räumen, sind echte, natürliche Materialien wichtig. Durch das Thema «Home-Office» ist ein zusätzliches Zimmer respektive ein guter Arbeitsbereich in den Vordergrund gerückt. Auch die Umgebungsgestaltung hat stark an Bedeutung gewonnen.
Apropos Umgebungsgestaltung: Caroline Nyffeler Metzler, Sie sind Pflanzgestalterin und beschäftigen sich im gemeinsamen Architekturbüro mit Grünraumgestaltung. Wie sieht ein wohnlicher Garten aus?
Caroline Nyffeler Metzler: Wir sehen den Garten in enger Verbindung zur Architektur. Schöne, vielfältig interessante Gartenräume für Mensch und Tier sind daher besonders wichtig. Sorgfältig gestaltete Pflanzungen mit jahreszeitlich abgestimmten Blühzeiten ergeben ein stimmiges Bild und eine dauerhafte Vegetation. Durch eine Vielfältigkeit siedeln sich Kleintiere und Insekten an, die den natürlichen Kreislauf im Garten unterstützen. Farben und Strukturen im Wechsel der Jahreszeiten erfreuen uns Menschen und die Tiere rund ums Jahr.
Der Garten wird zu einem immer wichtigeren privaten Rückzugsort. Wie sieht eine gute Umgebungsgestaltung aus?
Ein Garten soll Emotionen wecken, Überraschungen bieten und die Sinne ansprechen, ein kleines Paradies sein. Aus der Fülle der Pflanzen können Gehölze, Stauden und Blumen kombiniert werden um spannende Strukturen zu gestalten: eine Spielwiese für Kinder mit Sand- und Wasserstelle, ein naturalistisch gestaltetes Staudenbeet, ein duftendes Kräuterbeet, ein Rückzugsort zur Erholung, ein schattenspendender Baumgarten oder eine gemütliche Sitzbank unter dem Hausbaum. Ein harmonisches Bild entsteht durch die sorgfältige Gestaltung der Topografie und den Einbezug der Umgebung. Referenzen aus der umliegenden Natur können Inspiration für die Wahl der Pflanzen sein.
Ihr Architekturbüro hat neben dem Europäischen Solarpreis 2015 diverse weitere nationale und kantonale Energiepreise gewonnen. Nachhaltigkeit ist bei der Architektur ebenfalls ein wichtiges Thema?
Als Bauherrschaften, Architekten und Investoren übernehmen wir eine grosse Verantwortung. Häuser benötigen bei der Erstellung viel Energie und haben eine lange Lebensdauer. Die Sonne hat eine riesige Energieleistung, die wir uns beim Bauen zunutze machen sollten. So leistet die Sonneneinstrahlung durch ein Fenster rund 500 Watt/m², ein sehr gutes energieeffizientes Gebäude benötigt aber nur etwa zehn Watt/m². Mit einem optimierten passiven und aktiven solaren Gebäudekonzept und einer hervorragenden Gebäudehülle wird ein Haus problemlos zum Plusenergiehaus. Wie ein energieeffizientes Gebäude zu bauen ist, wissen wir. Die aktuellen grossen Themen sind die Winterspeicherung und der sommerliche Wärmeschutz. Auch hier gibt es Konzepte, die bei Neu- und Umbauten einfliessen sollten.
Zum Schluss: Wie sieht ihr persönliches Traumhaus aus – oder haben Sie es bereits realisiert?
Thomas Metzler: Wir konnten im Jahr 2005 in Hüttwilen eines der ersten Minergie-P-Häuser bauen. Dieses Haus ist für uns technisch, aber auch gestalterisch und was die Innenraumgestaltung anbelangt sehr wichtig, es ist unser Experimentierhaus. Caroline Nyffeler Metzler: Diese Idee zieht sich in den Garten weiter, wo entsteht und vergeht und Veränderungen stattfinden – ein dynamischer, lebendiger Lebensraum. Thomas Metzler: Als Kontrast zum Neubau in Holzbauweise, konnten wir vor einigen Jahren im Tessin ein etwa 300-jähriges Natursteinhaus umbauen. Interessant ist, dass bei dieser klassischen massiven Bauweise mit kleinen Fenstern der sommerliche Wärmeschutz hervorragend funktioniert. Auch die Winterspeicherung der Energie ist aufgrund der Stückholzheizung und entsprechender Scheiterbeige vor dem Haus kein Problem. Gerade auch bei uns im Thurgau würde z.B. ein zusätzlicher Holzspeicherofen den Winterstrom markant reduzieren. Caroline Nyffeler Metzler: Einen solchen haben wir auch in unserem Minergie-P-Bau eingebaut. Neben der Reduktion des «Winterstroms» ist dieser auch eine sehr schöne angenehme Wärmeinsel zur Winterzeit.