20 Jahre LEADER, 20 Jahre die Wirtschaft im Mittelpunkt
Stephan Ziegler: Um den Beginn des LEADERs ranken sich ja einige Gerüchte. Die einen sagen, du hättest ihn konzipiert, andere behaupten, es sei dein Vater Louis gewesen.
Natal Schnetzer: Mein Vater war in den 1980er-/1990er- Jahren auch verlegerisch tätig, gab u. a. einige Gratis-Anzeiger heraus. Sein Hauptaugenmerk galt allerdings der Personalvermittlung. Nachdem er die Personalvermittlung verkauft hatte, übernahm ich einen Teil seinen verlegerischen Aktivitäten. Im Zuge dieser Übernahme kam mir eine rudimentäre Inserateverkaufs-Dokumentation in die Hand. Tatsächlich plante mein Vater zusammen mit dem PR-Unternehmer Marcel F. Bischof zum damaligen Zeitpunkt ein St.Galler Wirtschaftsmagazin mit dem Namen LEADER. Realisiert wurde das Projekt aber nie. Den Namen des Titels habe ich übernommen, die Konzeption und vor allem die Realisierung ist aber – mein Vater natürlich in Ehren haltend – schon auf meinem Mist gewachsen. Raum für Gerüchte gibt es hier also kaum.
Ziegler: Der Ostschweizer Wirtschaft eine Bühne zu geben – das war schon keine schlechte Idee, und meines Wissens gab es etwas Vergleichbares noch nicht in der Schweiz.
Schnetzer: Das war so, zumindest nicht mit konsequentem Regionalfokus. Zur damaligen Zeit hatte die Wirtschaftszeitung «Cash» ihre Hochblüte. Boulevardesk gemacht, auch sehr kritisch und nicht vergleichbar mit dem LEADER. Ich war begeistert von diesem Titel und regelmässiger Leser. Mir fiel auf, wie wenig präsent Ostschweizer Firmen und Unternehmer in diesem Blatt präsent waren. Ich wollte eine Plattform kreieren, auf welcher sich die Ostschweizer Wirtschaftsakteure präsentieren konnten nach dem Motto «Hey, nicht nur in Zürich spielt die Musik». Eigenartigerweise kam vor uns niemand auf die Idee, denen, die für den Wohlstand in unserer Region sorgen, die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdienen. Das zeigt schon auch, welchen Stellenwert die Wirtschaft allgemein in unserer Gesellschaft hat …
Ziegler: … oder eben nicht. Eigentlich eine Schande, dass dazu Private brauchte und der Staat es einfach als selbstverständlich hinnahm, dass unsere Wirtschaft so gut funktioniert.
Schnetzer: Aber auch eine Chance! So konnten wir unabhängig von jeglicher staatlichen Institution – und ohne jede Förderung, möchte ich betonen – ein Magazin lancieren, das ein einziges Ziel hatte und hat: der Ostschweizer Wirtschaft die Bühne zu geben, die sie verdient. Hierzu vielleicht noch folgende Anekdote: Wir verlegten damals im Auftrag des St.Galler Gewerbeverbandes die «St.Gallische Gewerbezeitung» und ich versuchte den damaligen Geschäftsführer Arthur Bürgi zu überzeugen, beim LEADER als Mitherausgeber aufzutreten, was er aber dankend ablehnte. Heute bin ich ihm dafür sehr dankbar, denn eine solche Kooperation hätte uns in der redaktionellen Ausrichtung wohl sehr eingeschränkt.
Ziegler: Und so konnte der LEADER auch den «Mächtigen», wenn man so sagen will, auch mal an den Karren fahren.
Schnetzer: Genau. Ob Kantons-, Regierungs-, National-, Stände- oder gar Bundesräte: Wir mussten auf niemanden Rücksicht nehmen und konnten und können der Politik ungeniert die Leviten lesen. Vor allem in der Startphase haben wir uns schon das eine oder andere mal exponiert. Wir waren anders, auch frecher. Marcel Baumgartner und Stefan Millius waren damals für die Redaktion verantwortlich und haben diesen Geist auch reingebracht. Wir hatten so eine Art Start-up-Groove und den Kopf voller Ideen. Wir haben vieles umgesetzt, hatten es aber auch quasi neben dem «Platz» immer lustig. Da kommt mir in den Sinn: Paul Rechsteiner hatte ich mal als Inbegriff von Schweizer Lebensfreude bezeichnet und ihn zusammen mit Pia Hollenstein als potenzielles Traumpaar definiert. Ich weiss nicht, ob man das in der Form heute noch machen könnte.
Ziegler: Aber das Meckern ist es ja nicht, was den LEADER hauptsächlich ausmacht. Das sind die Erfolgsstories aus der und über die Ostschweizer Wirtschaft.
Schnetzer: So ist es. Die USP des LEADERs sind Wirtschaftsgeschichten aus der Region zwischen Bodensee und Säntis. Mord, Totschlag, Panikmache und Stimmungsmache haben wir in den restlichen Medien schon genug. Wir zeigen die Leistungsträger der Ostschweizer Wirtschaft.
Ziegler: Wir haben uns ja in den Anfangsjahren öfter gefragt, ob uns nicht dereinst die Stories ausgehen würden – schliesslich ist die Ostschweiz nicht unendlich gross, sondern eher überschaubar.
Schnetzer: Ja, und das Gegenteil war der Fall: Auch nach zwei Jahrzehnten mit gegen 180 LEADER-Hauptausgaben werden wir bei der Suche nach innovativen Firmen und interessanten Persönlichkeiten aus unserer Region problemlos fündig Wir haben mehr als genug Themen, über die wir berichten können. Das spricht für die Ostschweizer Wirtschaft und zeigt, wie sie wächst, gedeiht und floriert.
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Ziegler: Eigentlich müssten wir den LEADER gesamtschweizerisch verteilen, damit alle sehen, was in der Ostschweiz geleistet wird. Wir haben ja die Tendenz, unser Licht eher unter den Scheffel zu stellen.
Schnetzer: So nach dem Motto: Tue Gutes und sprich darüber? Wir haben in der Tat viele Abonnenten, die entweder Heimweh-Ostschweizer oder sonst wie an unserer Gegend interessiert sind. Aber grossmehrheitlich kommen die Abonnenten natürlich aus der Ostschweiz. 2004 und 2005 habe ich versucht, das regionale Konzept auch über andere Regionen zu stülpen, und wir haben tatsächlich auch Ausgaben in Zürich und im Espace Mittelland realisiert, leider aber nicht nachhaltig. Wir haben diese Ausgaben auch von St.Gallen aus gemacht. Und das funktioniert nicht, wenn man die Regionalität im Fokus hat. Man braucht in der Region Leute, welche gut vernetzt sind und die Stakeholders kennen. Ich hatte das mit Baumgartner und Millius in der Redaktion – und mit Martin Schwizer einen Top-Werbevermarkter. Diese Platzhirsche haben im Raum Zürich und Bern gefehlt.
Ziegler: Apropos Abonnenten: Vor zehn Jahren, als die erste grosse Digitalisierungswelle über die Welt schwappte, stand die Sorge im Raum, ob wir als «Heftlimacher» überhaupt noch bestehen können, wo doch alles nach digitalem Content schrie.
Schnetzer: Auch wir spüren die Digitalisierung, primär natürlich im Werbemarkt, das ist aber nicht vergleichbar mit der teilweise dramatischen Situation im Tageszeitungsmarkt. Wir machen heute kombinierte Angebote Print/Web, was gut funktioniert.
Ziegler: Ganz der Digitalisierung verschliessen konnten wir Print-Aficionados uns aber auf Dauer auch nicht.
Schnetzer: Das war auch nicht das Ziel. Mit dem Kauf der Webagentur Chrisign aus Weinfelden 2017 konnten wir natürlich auch die interne Digitalisierung vorantreiben. Und heute ist leaderdigital.ch das einzige reine Wirtschaftsnewsportal der Ostschweiz, das uns auch eine optimale crossmediale Verbreitung unserer Inhalte erlaubt. Alleine mit unserem Newsletter erreichen wir fast 10’000 Ostschweizer auf C-Level.
Ziegler: Daneben hat sich der LEADER als Partner für Corporate Publishing etabliert: Über 300 Sonderausgaben zu Firmenjubiläen, Neubauten oder Veranstaltungen spielen eine wichtige Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, Institutionen und Verbänden.
Schnetzer: Ja, 2004, also zwei Jahre nach der Lancierung, haben wir die ersten Specials lanciert. Wir bieten unseren Special-Partnern den Zugang zu den Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft in der Ostschweiz. Und das zu absolut interessanten Konditionen und einer mehrheitlichen Fremdfinanzierung, welche die Marketingbudgets der Partner nur marginal belastet.
Ziegler: Das war ja irgendwo auch ein logischer Schritt – schliesslich bieten wir nicht nur das Know-how, sondern garantieren mit unserer Verteilung auch für das richtige Zielpublikum ohne Streuverlust. Das zeigt etwa auch die steigende Nachfrage nach Medienpartnerschaften mit dem LEADER – Veranstalter wissen inzwischen, dass Promotionspräsenz für ihre wirtschaftsbezogenen Events im LEADER-Umfeld, und zwar im Print und im Web, entsprechende Aufmerksamkeit bringen.
Schnetzer: Ja, sowohl unsere Leser wie auch unsere Kunden vertrauen uns, wir sprechen die gleiche Sprache und interagieren auf Augenhöhe. Leader lesen eben den LEADER. Ziegler: Neben Print und Web organisieren wir ja auch noch Veranstaltungen wie den LEADER Digital Award.
Schnetzer: Ja, neulich hat mich grad wieder jemand gefragt, wieviele Angestellte ich hätte. Ich liess ihn raten.
Ziegler: Und er tippte auf etwa 30. Das geht mir auch immer wieder so.
Schnetzer: Ganz genau. Dafür ists etwa die Hälfte. Für den LEADER arbeitet etwa ein Dutzend – in der Redaktion, im Layout, im Verkauf und im Backoffice. Dann beschäftigen wir noch etwa ein halbes Dutzend, welche die anderen Kinder der MetroComm AG, u. a. die die Organe des St.Galler Gewerbeverbandes, St.Galler Hauseigentümerverbandes oder die 24er-Newsportale bewirtschaften und betreuen.
Ziegler: Das geht nur, weil du ein Sklaventreiber bist.
Schnetzer: Ich verlange viel von meinen Leuten, das stimmt. Aber ein Sklaventreiber? Soweit ich mich erinnern kann, machst du fünf Wochen Ferien im Jahr. Ich setze auf Eigenverantwortung und Kreativität und lasse viel Raum. Dieser sollte dann aber auch produktiv ausgefüllt werden.
Ziegler: Da muss ich dir recht geben, das Team hat viele Freiheiten, wenn die Leistung stimmt. Ich glaube, das Zauberwort hier ist «schlanke Strukturen». Wir können rasch und unkompliziert handeln und reagieren. Da macht uns so schnell keiner etwas vor.
Schnetzer: Das müssen wir auch. Schliesslich wollen wir auch in weiteren zehn Jahren wieder zusammensitzen und ein solches Gespräch führen.
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Ziegler: Dann sind wir beide schon fast in Rente. Vielleicht sitzen dann deine beiden Töchter an unserer Stelle?
Schnetzer: Das würde mich natürlich freuen – wenn ich zum 30. Geburtstag des LEADERs, vielleicht irgendwo am Strand, die Jubiläumsausgabe durchblättern könnte. Aber ganz grundsätzlich schaue ich von Jahr zu Jahr. Die Medien- (Welt) verändert sich stark. Der Strukturwandel geht weiter und ich gehe davon aus, dass es zu weiteren Konzentrationen und Zusammenschlüssen im Medienumfeld kommen wird. Synergien nutzen, um die Kosten zu senken, wird immer mehr zur Devise im Mediengeschäft. Natürlich wollen wir unsere Eigenständigkeit wahren, aber für Anpassungen flexibel bleiben. Auch werden wir im nächsten Jahr einige neue Projekte realisieren. Und natürlich freue ich mich, dass meine Töchter mit an Bord sind. Als wir mit dem LEADER angefangen haben, waren sie vier und sieben … Gerade mit diesem Vergleich wird einem die Zeitachse erst richtig bewusst.