Attraktivität kommt nicht von ungefähr
Michael Götte, als Herbert Grönemeyer 1989 am Open Air St.Gallen auftrat, fiel er durch viele Sonderwünsche – etwa drei komplette Büros, 100 weisse Handtücher oder ein eigenes Verpflegungszelt – auf. War das bei seinem Auftritt 2013 in Tübach auch so?
Nein, wir und unser Veranstalter waren natürlich auf die Vorkommnisse aus dem Jahr 1989 vorbereitet. Herbert Grönemeyer hatte bei uns aber keinerlei Sonderwünsche.
Wie ist es überhaupt gelungen, den Star für ein Open Air auf der Sportanlage Kellen zu gewinnen?
Eventmanager Adrian Osterwalder aus Abtwil hatte die Idee, auf der regionalen Sport- und Erholungsanlage Kellen in Tübach etwas Grosses zu organisieren. Mit der Idee eines Winter-Open-Airs kam er auf uns zu. Der Tübacher Gemeinderat war begeistert und hat alles daran gesetzt, dieses Vorhaben möglich zu machen.
Tübach hat «nur» knapp 1600 Einwohner auf 1,99 Quadratkilometern und zählt damit zu den kleinsten Dörfern im Kanton. Trotzdem macht die Gemeinde immer wieder von sich reden, sei es mit einem Schwingfest, dem Etappenstart der Tour de Suisse oder eben dem Konzert von Herbert Grönemeyer. Warum suchen Sie die Schlagzeilen?
Wir sind überzeugt, dass wir mit solchen Anlässen an Attraktivität gewinnen. Auch möchten wir zeigen, dass solche Events nicht nur in grossen Ortschaften möglich sind.
Nun steht ein weiteres Highlight auf dem Programm: Am 19. Juni startet die Tour-de-Suisse-Etappe nach Weinfelden in Tübach. Der Tag wird zum Dorffest. Wie sind Sie nach 2011 zum zweiten Mal Austragungsort geworden, da gab es doch bestimmt auch andere Gemeinden, die das TdS-Spektakel gerne bei sich gesehen hätten?
Es war eine lange Geschichte. 1:1 dasselbe wie im Jahr 2011 wollten wir ursprünglich nicht machen. Das neue Konzept von einem Hub war aber für unsere Gemeinde doch eine Nummer zu gross und finanziell nicht tragbar. Nach Abklärungen mit unsern See-Nachbarn Goldach, Rorschach und Rorschacherberg wollten wir grundsätzlich auf eine Durchführung 2023 verzichten. In einer zweiten Abklärung in Zusammenarbeit mit der Stadt St.Gallen kamen wir zum selben Schluss. Nachdem sich dann auch Zürich und Davos gegen eine Durchführung entschieden hatten, war der Ball wieder bei uns.
In Zusammenarbeit mit St.Gallen-Bodensee-Tourismus haben Sie sich dann Ende 2022 doch für eine Durchführung entschieden.
Genau, unterdessen war das Angebot auch einiges günstiger und konnte auf verschiedene Schultern verteilt werden. Die Idee ist, dass St.Gallen auch längerfristig eine zentrale Rolle bei der Planung der Tour de Suisse spielen wird. Das Ganze konnte dank unserer guten Kontakte zu den Verantwortlichen der Tour de Suisse, zum Sport im Generellen und zu den entsprechenden Funktionären für Tübach entschieden werden.
Tübach ist nicht nur für überregionale Events bekannt, sondern auch für ein reiches Vereinsleben; rund 30 Vereine zählt Ihre Gemeinde. Andernorts gehen Vereine ein, bei Ihnen scheinen sie zu blühen. Was ist hier das Erfolgsrezept?
Wir versuchen, die Traditionen trotz der Entwicklung zur Agglomerationsgemeinde weiterzuleben und zu fördern. Dies gelingt uns dank einer weitsichtigen Raumplanung, monetärer Unterstützung und regelmässigem Austausch mit den entsprechenden Ansprechpartnern. Zudem unterstützen wir die Vereine mit Infrastruktur, stellen etwa Probelokale oder Sportanlagen gratis zur Verfügung und pflegen einen regelmässigen Austausch mit den verantwortlichen Vereinsfunktionären.
Apropos eingehen: Auch die vier Tübacher Restaurants – Landhaus, Löwe, Sonne, Atticum – scheinen zu florieren, während andernorts Restaurants schliessen müssen. Was machen die Tübacher Gastwirte besser als andere?
Das ist ein Zusammenspiel zwischen den Wirtsleuten, unserer Bevölkerung und den einzelnen Spezialitäten. Alle Lokale sind verkehrstechnisch gut erschlossen und bieten ein unterschiedliches, abwechslungsreiches kulinarisches Angebot. Somit gibt es in Tübach einen guten Mix, der weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt ist.
Auch für KMU scheint Tübach ein attraktiver Standort zu sein, bereits haben sich über 50 kleine und mittlere Betriebe hier angesiedelt.
Für unsere vielseitigen und innovativen KMU versuchen wir, ideale Rahmenbedingungen zu bieten, indem wir bauliche Entwicklungen so gut wie möglich unterstützen und auf bürokratische Massnahmen wenn immer möglich verzichten. Zudem fördern wir, dass sich das lokale Gewerbe gegenseitig kennt und voneinander profitieren kann. Nicht zuletzt sind wir bemüht, dass die Erschliessungen mit dem öffentlichen und individuellen Verkehr optimal passen.
Hat Tübach überhaupt noch Kapazitäten für mehr Betriebe oder sind die Baulandreserven erschöpft?
Wir haben nur noch wenige Flächen, die für Bauvorhaben im Bereich Wohnen oder Industrie und Gewerbe zur Verfügung stehen. Diese seltenen Parzellen sind im Privatbesitz und für den Eigenbedarf vorgesehen. Tübach hat kürzlich eine Ortsplanungsrevision gestartet und erhofft sich davon, eine mehrheitsfähige moderate Entwicklung präsentieren zu können, bei der die heutigen Strukturen erhalten bleiben.
Für welche Art von KMU eignet sich Tübach besonders?
Wir sind offen für jegliche Art von KMU. Grundsätzlich sind aber Unternehmen gefragt, welche die vorhandenen Infrastrukturen mit überschaubaren Anpassungen nutzen können.
An wen melde ich mich, wenn ich mich mit meinem Betrieb in Tübach niederlassen möchte?
Bei mir. Zusammen mit dem Verwaltungsteam, explizit mit der Bauverwalterin und Gemeinderatsschreiberin, versuchen wir, eine optimale Dienstleistung anzubieten.
Und wie sieht es mit Wohnraum aus, sind hier noch Objekte frei?
Auch hierzu versuchen wir immer, eine optimale Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage sicherzustellen. Da die Anfrage aber ein X-faches höher ist als das Angebot, müssen wir leider immer wieder enttäuschen. In vielen Fällen sind auch Immobilienhändler schneller bei den interessanten Objekten als die Gemeinde. Dies hat sich in den vergangenen zehn Jahren massiv verändert. Meistens geht es nicht mehr um die Objekte, sondern nur noch um das entsprechende Bauland.
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Dass Tübach interessant gerade für Familien ist, dürfte auch am Schul- und Jugendangebot liegen; Sie bieten Kita, Kindergarten, Primarschule und einen Jugendraum. Und der Ausländeranteil ist mit nicht einmal 13 Prozent relativ niedrig. Was macht Tübach für Familien besonders attraktiv?
Ein zeitgerechtes Angebot. So sind wir im Bereich der Tagesbetreuung oder in der Schulwahl in der Oberstufe fortschrittlicher, als uns der Gesetzgeber vorschreibt. Deshalb haben wir bezüglich Familienfreundlichkeit auch in verschiedenen kantonalen Studien immer wieder ausgezeichnete Rankings und bieten ein Angebot an, das für kleine Gemeinden in der Ostschweiz noch nicht Standard ist.
Zum Schluss: Mit welchem Event dürfen wir für Tübach in kommender Zeit noch rechnen?
Geplant ist nach 2023 noch nichts, wir sind aber sehr offen und unterstützen gerne, wenn ein entsprechender Veranstalter auf der «Kellen» einen Event durchführen möchte. Dort, wo im September zum zweiten Mal auch ein Inklusionssporttag unter dem Namen «Sport und Spass» abgehalten wird.