«Bier braucht Heimat»
Adi Schmid, warum gibt es die Biergarage?
Die Idee entstand auf einer Weltreise mit meiner Frau. Wir erkannten, dass Schweizer Bier hohes Ansehen geniesst. Wir beiden lieben Bier und ich wollte schon immer mein eigener Chef sein. Deshalb brauen wir heute. Wir wollten einen Beitrag zur Varianz leisten für andere, die auch gerne Bier haben. Vor zwanzig Jahren gab’s noch etwa dreissig Brauereien in der Schweiz. Heute sind es wieder über 1200. Wir waren Pioniere dieses Trends. Wir setzen hier auf Genuss-Biere – auch zu passenden Begleitern auf dem Teller. Das Genuss-Gesamtpaket fasziniert mich. Wenn Bier und Essen sensorisch abgestimmt sind, gibt das eine runde Sache.
Warum gibt es heute so viele Brauereien?
Bierbrauen ist in der Schweiz relativ einfach, etwa im Vergleich zu Deutschland. Man meldet sich bei der Oberzolldirektion an und erhält eine Nummer. Dann darf man über 400 Liter jährlich produzieren. Eine kleine Brauanlage zu kaufen, ist für viele Schweizer erschwinglich. So entstand der Hype. Heute kennt fast jeder einen Bierbrauer. Die meisten Brauereien sind winzig. Darum ist das für den klassischen Biermarkt nicht so entscheidend. Bier ist eigentlich ein Mengengeschäft in einem Verdrängungsmarkt.
Wie hält Ihr Euch da?
Es gibt eine Akzeptanz für kleinere Betriebe, die etwas teurer sind. Kleine können kein Bier für unter zehn Rappen herstellen. Bei uns ist die Produktion schon fast zwanzigmal teurer. Gegen die Grossen sind wir preislich chancenlos. Die preissensitiven Kunden sind nichts für uns. Eine Flasche Bier kostet bei uns 2.50 Franken plus Depot. Deshalb wollen wir unseren Kunden einen Mehrwert bieten. Es ist spannend, Welten zu verknüpfen – Bier mit anderen Genüssen zu verbinden.
Wie muss ich mir das vorstellen?
Der Konsum soll ein Erlebnis sein. Wir wollen Inspiration geben. Wer Wasabi-Nüsse zum Pale Ale geniesst, wird merken, dass die Nüsse an Schärfe verlieren, während beim Bier die Bitterkeit abnimmt. Mit Bier lassen sich bestimmte Eigenschaften von Lebensmitteln betonen. Man kann verschiedene Effekte erzielen. Das ist Mehrwert, der Spass macht.
Das macht Ihr in der Biergarage?
Genau! Wir machen fünf Sorten Bier. Zudem betreiben wir hier eine Bierakademie und ein Eventlokal – mit Kursen, Workshops oder Degustationen. Private und Firmen kommen hierher. Zudem arbeite ich mit der Spitzengastronomie zusammen und helfe, deren Mitarbeiter auszubilden. Ich engagiere mich auch an der Hotelfachschule. Da geht es ums Sensorische: Wie funktioniert der Gaumen? Was passiert beim Trinken? Wie geht man mit Gläsern um?
Wer trinkt Dein Bier?
Ganz unterschiedlich! Hier trifft sich samstags beim Rampenverkauf alles – Bankdirektor und Handwerker. Bier verbindet. Bier macht Freude. Ich habe einen grossen, stabilen Kundenstamm. Kaum jemand holt einen Harass, ohne noch ein Bier zu trinken. Dann stehen alle um die Theke herum und quatschen. Unser Bier gibt es auch bei verschiedenen Händlern in der Region, etwa in der Weinhandlung Vogelsanger oder im Regio-Herz-Laden in St.Gallen. Etwas mehr als die Hälfte geht an die etwas gehobenere Gastronomie. Wir produzieren zwischen 20’000 und 30’000 Liter pro Jahr.
Wie schmeckt Dein Bier?
Wir machen geschmacklich sehr runde Biere. Sie sind angenehm, ausgewogen, vollmundig und trinkfreudig. Damit heben wir uns ab. Sie machen keine Kopfschmerzen – ein kleiner Nebeneffekt. Es ist ein Bier für alle. St.Gallen ist zu klein, um absolute Spezialitäten anzubieten. Das funktioniert vielleicht in Zürich. Ich nenne meine fünf Biere meine «Boy Group». Für jeden und jede ist was dabei. Aber Qualität muss schon sein. Sei es beim Rohmaterial, der Produktion oder der Lagerung. Unsere Biere sind unfiltriert, dank der Schwebeteile haben sie mehr Geschmack.
Erzähl von Deiner Boy Group!
Da gibt es den «Oldtimer», deutsches Altbier, goldfarbig. Viele empfinden Lager als zu leicht, wollen lieber etwas Rezenteres und Aromatischeres mit Charakter. Es hat trotzdem einen lieblichen Touch. Der «Künstler» ist unser Weizen. Weizen mag man oder nicht. Der «Pilot» ist ein Pale Ale, englisch, leicht fruchtig in der Nase, moderat bitter, schön vollmundig. Der «Bandit» ist ein schwarzes Stout mit Schoko-Kaffee-Einschlag.
Welches ist Dein Lieblingsbier?
Der «Bandit» und das «Pale Ale». Sonst kaufe ich gerne schottische, schwarze Biere – eher für Fortgeschrittene. Mit denen würde ich kaum Absatz generieren. Unser dunkles Bier nötigen wir den Leuten auf (schmunzelt). Grossindustriell hergestellte Biere sind für mich sensorisch zu langweilig.
Deine Philosophie lautet «Heimat mit Blick auf die Welt». Wie meinst Du das?
Wir kultivieren das Lokale, mein Kopf ist auf jeder Flasche. Die Leute kommen gerne in die Biergarage. Bier verbindet. Bier braucht Heimat. Jeder weiss, wie Heimat schmeckt. Wir arbeiten aber auch mit internationalen Bierstilen, sind offen für Trends.
Text: Pascal Tschamper
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer