Wie die Winterversorgungslücke überbrückt werden kann
Die Energiewende und der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft erfordern neue Ansätze im Energiesystem. Da erneuerbare Energien witterungsabhängig sind, entstehen Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage. Für den Ausgleich von kurzfristigen Schwankungen im Bereich von Stunden und bis zu ein paar Tagen gibt es bereits eine Vielzahl von Lösungen am Markt – Batteriespeicher, thermische Speicher oder Pumpspeicher in den Alpen.
Weit weniger entwickelt ist hingegen die Speicherung über längere Zeiträume. Saisonale Speicherung bezieht sich auf die Speicherung von Energie, die im Sommer erzeugt und im Winter genutzt wird. Heute sind Speicherseen die einzige wirtschaftlich eingesetzte Technik zur saisonalen Speicherung.
Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage
Erneuerbare Energien wie Solar- und Windenergie sind fluktuierend: In den Sommermonaten wird mehr Solarenergie produziert, während die Nachfrage im Winter steigt, da Heizsysteme mehr Energie benötigen. Windenergie ist in den Wintermonaten ergiebiger, doch in der Schweiz liegt das grössere Potenzial bei der Solarenergie. Daher besteht Bedarf an gespeicherter Energie, idealerweise aus Sommerüberschüssen. Alternativ könnten die Produktion und Einspeicherung von Energie in Ländern mit ganzjährig hohem Potenzial für erneuerbare Energien wie Island, Kanada oder Marokko erfolgen. Doch je weiter die Transportdistanz, umso wichtiger wird dabei eine hohe Speicherdichte, das heisst möglichst viele Kilowattstunden sollten in einer Tonne oder in einem Kubikmeter Material transportiert werden können.
Energiemengen
Die Schweiz importiert jährlich etwa 200 TWh an Energieträgern, darunter Erdölprodukte, Erdgas und Uran, und ist damit energetisch zu rund 70 Prozent vom Ausland abhängig. Wärmedämmung und Wärmerückgewinnung reduzieren den Aufwand für Wärme in Gebäuden und in industriellen Prozessen.
Eine weitere Reduktion findet durch die Elektrifizierung der Wärme durch Wärmepumpen sowie der Mobilität durch Elektrofahrzeuge statt. Beide dieser Techniken benötigen nur ein Drittel oder noch weniger der Energiemenge in Form von Strom, die benötigt würde, um die gleiche Fahrleistung oder Wärmemenge durch fossile Energieträger bereitzustellen.
Insgesamt wird der Energiebedarf also sinken, doch aufgrund der weitgehenden Elektrifizierung wird bis 2050 ein Anstieg des Strombedarfs auf 70–90 TWh erwartet. Trotz eines massiven Ausbaus von Photovoltaik und einer moderaten Erhöhung von Wind- und Wasserkraft bei parallel erfolgender Abschaltung der Kernkraftwerke wird ohne weitere Massnahmen eine Versorgungslücke von etwa 10 TWh im Winter bestehen bleiben, die durch saisonale Speicherung oder Energieimporte gedeckt werden muss.
Saisonal bedeutet nur einen Energieumsatz pro Jahr –und das ist ein Problem
Für die saisonale Energiespeicherung werden nicht die gleichen Technologien zur Anwendung kommen wie für die kurzfristige Speicherung von Energie. Der Grund dafür ist hauptsächlich ein ökonomischer: Batteriespeicher beispielsweise sind sehr gut geeignet, um kurzfristig im Bereich von Stunden oder ein paar Tagen zu speichern, aber für Monate oder gar eine saisonale Energiespeicherung sind sie auch bei Annahme von massiven Kostensenkungen nicht wirtschaftlich.
Wenn ein Speicher für den Tag-Nacht-Ausgleich eingesetzt werden kann, dann nutzen wir seine Kapazität idealerweise 365 Mal pro Jahr. Die jährlichen Kapitalkosten sind ein Resultat aus den Investitionskosten, deren Verzinsung, und der Lebensdauer. Im Falle eines Batteriespeichers sind diese selbst unter sehr optimistischen Annahmen höher als 36 Franken pro kWh. Wenn ein Batteriespeicher mit diesen Kapitalkosten 360-mal pro Jahr vollständig be- und entladen wird, dann schlagen diese Kosten mit mindestens 10 Rappen für jede kWh zu Buche, die wir aus dem Batteriespeicher entnehmen (36 Franken/360). Dieser Preis ist ok, denn wir bezahlen für Strom aus dem Netz als private Endkunden 20-30 Rappen/kWh. Bei nur einer Be- und Entladung pro Jahr aber verursachen nur schon die Kapitalkosten 36 Franken pro kWh, die wir daraus beziehen. Niemand wird das bezahlen wollen. Selbst bei einer Kosten-Degression um Faktor 30 sind wir da noch weit weg von einer Wirtschaftlichkeit.
Lösungsansatz 1: Hohe Speicherdichten für geringe Kapitalkosten
Batterien sind keine Lösung für die saisonale Speicherung, aber es gibt Alternativen mit geringeren Kapitalkosten. Ein Weg führt über hohe Speicherdichten, weil dann auch weniger Material und weniger Behälter benötigt werden. Hohe Speicherdichten werden durch Technologien erreicht, die auf chemischen Reaktionen basieren. Die Produktion eines chemischen Energieträgers aus Strom wird als Power-to-X bezeichnet; X steht dabei für Gas, Liquid oder Solid und beschreibt den resultierenden Energieträger wie Wasserstoff, Methan, Methanol oder Ammoniak. Auch Metalle wie Eisen oder Aluminium können als Energiespeicher dienen.
Die im Winter zurückgewinnbare Energie beträgt in der Regel nur 40-60 Prozent der im Sommer für die Produktion aufgewendete Energie. Da die Sommerüberschüsse jedoch kaum anders verwendet werden können und deshalb kostengünstig sind, ist der geringere Wirkungsgrad im Vergleich zu Batterien weit weniger entscheidend als die Tatsache, dass die Kapitalkosten und der Platzbedarf viel geringer sind als bei Batterien. Während die Speicherdichte von Batterien im Bereich von einigen 100 kWh pro m3 liegt, erreicht etwa Aluminium als Energieträger selbst als Granulat noch 15 MWh/m3, was um den Faktor 15–30 höher ist.
Aufgrund der hohen Relevanz tiefer Kapitalkosten pro umgesetzter Energiemenge für die Anwendung als saisonale Speichertechnik könnte es wirtschaftlicher sein, Energieträger aus Power-to-X aus Ländern zu importieren, in denen die Produktionsanlagen ganzjährig arbeiten können und nicht nur Sommerüberschüsse verarbeiten. Der Import von 10 Twh eines Materials mit ähnlicher Speicherdichte wie Erdöl wäre im Vergleich zu den aktuellen 200 TWh Energieimporten der Schweiz überschaubar.
Auch interessant
Lösungsansatz 2: Geringe Speicherdichte, dafür Material und Behälter fast gratis
Eine weitere Möglichkeit sind Technologien mit geringen Speicherdichten, aber kostengünstigen Materialien. Erdbeckenspeicher, die mit Wasser gefüllt sind, werden zur Speicherung von Wärme eingesetzt. Diese Technik wird bereits in Dänemark und Deutschland genutzt und auch in der Schweiz untersucht. Die Speicher müssen gross sein, um Wärmeverluste zu minimieren, bieten jedoch Kapitalkosten von unter 5 Rp. pro kWh ausgespeicherter Wärme.
Die Nachteile dieser Methode sind der hohe Platzbedarf und die Tatsache, dass nur Wärme gespeichert werden kann. Dennoch wird diese Technik aus ökonomischen Gründen wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen, da zwei Drittel des Winter-Energiebedarfs auf Wärme entfallen.
Text: Michel Haller und Zoe Stadler
Bild: zVg