«Die grösste Herausforderung liegt in der Unsicherheit»
Tobias Wolf, das Motto des diesjährigen KMU-Tags lautete: «KMU und Beziehungen – konstant im Wandel». Wie sehr haben die Corona-Jahre die KMU verändert? Und wie geht es den KMU nach der Pandemie?
Vor genau 12 Monaten haben wir uns beim KMU-Tag 2021 mit den Themen Unsicherheit und Überraschungen auseinandergesetzt. Damals sind wir davon ausgegangen, dass wir schon bald in einem «New Normal» ankommen. Ein Jahr später sind wir noch längst nicht in einer neuen Stabilität angekommen. Im Gegenteil – gefühlt haben wir kontinuierlich neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. KMU sehnen sich nach Stabilität im konstanten Wandel. Da können gute persönliche und organisationale Beziehungen helfen.
Mit welchen Herausforderungen hatten die KMU in der Corona-Zeit am meisten zu kämpfen?
Die grösste Herausforderung lag und liegt in der kontinuierlichen Unsicherheit. Anfänglich wurde man überrascht und überrumpelt. Gleichzeitig hat dies viele KMU auch mobilisiert und es entstand ein neues Wir-Gefühl in vielen Betrieben. Man hat sich neu aufgestellt und teilweise alte Strukturen aufgebrochen.
Nach Corona kam der Ukraine-Krieg – und mit ihm die Energiekrise. Wie gut sind die KMU für diese neuen Herausforderungen gerüstet?
Es wäre gelogen, wenn diese «Krisen» nicht viele KMU negativ beeinflussen würden. Jedoch sind viele KMU heute deutlich agiler und flexibler, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Es kann heute bei vielen Firmen eine organisationale Resilienz beobachtet werden, die KMU besser mit einem «Krisenmodus» umgehen lässt.
Auch im Vorfeld des diesjährigen KMU-Tags wurde wieder eine Umfrage unter 350 KMU-Führungskräften und -Inhabern gemacht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der aktuellen Studie?
In dieser unsicheren Zeit sind es Beziehungen, die vielen Unternehmen und manch einer Privatperson jene Sicherheit bewahren konnten, die es in all jener «Inkonstanz» der letzten Zeit braucht. Über 90 Prozent der KMU-Führungskräfte gehen sogar davon aus, dass persönliche Geschäftsbeziehungen immer wichtiger werden für den beruflichen Erfolg.
Vertrauen, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit sind gemäss Studie für die Teilnehmer die wichtigsten Werte in ihren Geschäftsbeziehungen – wichtiger als fachliche Kompetenz. Kann eine geschäftliche Beziehung langfristig funktionieren, wenn weniger Wert auf die fachlichen Kompetenzen gelegt wird? Oder anders gefragt, was nützt mir ein netter und ehrlicher Geschäftspartner, wenn ihm das fachliche Wissen fehlt?
Die fachliche Kompetenz wird als Grundvoraussetzung als sogenannter «Hygienefaktor» angenommen. Dies ist kein Begeisterungsfaktor mehr. Wenn die fachliche Kompetenz nicht stimmt, wird es so oder so schwierig – ob nett oder nicht.
Gibt es Unterschiede in der Art der Beziehungspflege zwischen grösseren und kleineren Unternehmen?
Grössere Unternehmen nutzen laut den Umfrageergebnissen deutlich häufiger digitale Technologien. Sowohl bei der Pflege von Kundenbeziehungen als auch bei der von bestehenden Partnerbeziehungen. Je kleiner ein Unternehmen, desto eher wird der persönliche und «physische» Kontakt bevorzugt.
Welche Aspekte sind denn wichtig, für eine gute persönliche Beziehung?
Im Zentrum stehen Vertrauen, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit. KMU-Führungskräfte sind nach wie vor Handschlag-Typen.
Spätestens seit Corona mussten sich die KMU zwangsläufig auch verstärkt mit der Digitalisierung auseinandersetzen, um die Beziehungen zu Partnern, Kunden etc. weiterhin pflegen zu können. Wie hat das funktioniert?
Die Digitalisierung war und ist schon seit vielen Jahren und vor der Pandemie ein dominierendes Thema. Gleichzeitig stehen wir noch immer am Anfang. Corona hat sicherlich zur Offenheit gegenüber der Digitalisierung beigetragen. Der Stein ist nun endlich ins Rollen gekommen. Wichtig ist, dass KMU diesen Schwung mitnehmen und weiter in die Digitalisierung investieren.
Wird die digitale Kommunikation und Beziehungspflege nach Corona wieder abschwächen oder wird sie sich weiter verstärken?
Die Zukunft wird sicherlich hybrider sein. Persönliche und physische Kontakte bleiben zentral. Sie werden jedoch selektiver. Qualität vor Quantität.