Geothermie Thurgau 2021

«Netto Null bis 2050»

«Netto Null bis 2050»
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Die Nutzung der Erdwärme gewinnt als klimafreundliche und potenziell unerschöpfliche Alternative immer mehr an Bedeutung. Der zuständige Regierungsrat Walter Schönholzer beurteilt die Chancen und Risiken der Geothermie für den Kanton Thurgau und betont, dass Energie, Wirtschaft und Verkehr zusammenhängen und miteinander fortentwickelt werden müssen.

Walter Schönholzer, der Thurgau hat bei der Energieförderung landesweit die Nase vorn. Einer der Höhepunkte war die Zustimmung des Grossen Rates zur «MuKEn 2014» ohne Gegenstimme. Was macht der Thurgau besser als andere Kantone?
Wir sind in der glücklichen Situation, dass die kantonale Energiepolitik breit mitgetragen wird. Dieser Zustand stellte sich aber nicht von allein ein, sondern ist das langjährige Werk zahlreicher Akteure, angefangen bei kompetenten und initiativen Energiefachleuten über engagierte Politikerinnen und Politiker bis hin zur Bevölkerung, welche die Ziele mitträgt und mit ihren Entscheidungen dafür sorgt, dass die Nase auch weiterhin vorne bleibt. Bei neuen energetischen Vorgaben ziehen wir die Verbände frühzeitig mit ein und nehmen Anregungen sowie Bedenken ernst. Zu erwähnen ist etwa die Biogaslösung beim Heizungsersatz, die zusammen mit der Gasbranche erarbeitet wurde. Mit «TG-Light» wurde zudem ein innovatives Produkt entwickelt, das einen vereinfachten Nachweis und weniger administrativen Aufwand für Planende erlaubt. 

Energiepolitik ist Sache der Kantone. Der Bund greift aber immer stärker in ihre Hoheit ein. Wo setzen Sie dem Bund Grenzen?
Energie- und Klimapolitik sind eine Verbundaufgabe von Bund, Kantonen, Gemeinden und der Bevölkerung. Natürlich gibt es verfassungsmässig festgelegte Kompetenzbereiche, die es zu respektieren gilt. Die Chancen der Zusammenarbeit bestehen aber darin, dass wir nur gemeinsam die gesteckten Energie- und Klimaziele erreichen können.

Energie, Wirtschaft und Verkehr stehen in einem direkten Zusammenhang. Für jeden Bereich eröffnen sich Chancen – aber auch Risiken. Worin bestehen die wichtigsten Gemeinsamkeiten?
Die Wirtschaft ist auf eine sichere Energieversorgung und ein funktionierendes Verkehrssystem angewiesen. Umgekehrt können Energie- und Klimaziele nur erreicht werden, wenn sie die Bedürfnisse von Wirtschaft und Mobilität berücksichtigen. Energieversorgung als Teil der Wirtschaft ist gleichzeitig «Treibstoff» für die Wirtschaft und den Verkehr. Gemeinsames Ziel ist es hier, den Ressourcenverbrauch zu senken, also effizienter zu werden, und fossilen durch erneuerbaren Treibstoff zu ersetzen. Energieeinsparungen senken die Betriebskosten und erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Auch die Mobilität hat ein enormes Effizienzpotenzial, gerade im motorisierten Individualverkehr. Bestreben und Herausforderung zugleich ist, Win-win-Situationen zu schaffen – für die Wirtschaft, die Bevölkerung und die Umwelt.

 

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«Bestreben und Herausforderung zugleich ist, Win-win-Situationen zu schaffen – für die Wirtschaft, die Bevölkerung und die Umwelt.»

Die Klimaziele von Bundesrat und Parlament sind für die Wirtschaft eine Herausforderung. Was bedeutet dies für die Thurgauer Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik?
Der Kanton Thurgau ist an der Erarbeitung einer Klimastrategie. Schon jetzt ist sichtbar, dass es kaum einen Bereich gibt, der nicht mit dem Thema Klima in irgendeiner Art und Weise verknüpft ist, sei es als Verursacher von Treibhausgasen oder Betroffener des Klimawandels. Klimaschutz und -anpassung werden die dominierenden Themen der nächsten Jahrzehnte sein. Das Ziel lautet: Netto Null bis 2050. Es genügt also nicht, effizienter zu werden, sondern wir müssen fossile Energieträger durch erneuerbare und möglichst einheimische Energien ersetzen. Andererseits geht es auch darum, uns und unsere Umwelt möglichst gut auf die bereits spürbaren Veränderungen vorzubereiten.

Ergeben sich auch volkswirtschaftliche Nutzen aus einer modernen Energie- und Umweltpolitik?
Absolut! Die Zürcher Fachhochschule für angewandte Wissenschaften hat 2014 berechnet, dass alleine der Kanton Thurgau jedes Jahr 425 Millionen Franken für Energieimporte ausgibt. Dieses Geld fliesst teilweise in Länder, in denen wir privat kaum Geld investieren möchten. Ziel der Energie- und Klimapolitik ist es, diese Importe durch einheimische, erneuerbare Energien zu ersetzen. Das Geld, das wir bei uns investieren, schafft hier Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Dies macht uns auch immuner gegen geopolitische Unabwägbarkeiten.

 

«Es genügt nicht, effizienter zu werden, sondern wir müssen fossile Energieträger durch erneuerbare und möglichst einheimische Energien ersetzen.»

Die Aktivitäten des Vereins Geothermie Thurgau haben inzwischen nationale Ausstrahlung. Das dient ja auch dem Ansehen des Kantons.
Die tiefe Geothermie hat in der Schweiz in den letzten Jahren zwar einige Rückschläge erleiden müssen. Dennoch gibt es den VGTG – ein derartiger Verein ist übrigens einmalig in der Schweiz – immer noch, und er kann stolz auf zehn Jahre Vereinsgeschichte und Erfolge zurückblicken! Die Mitglieder des Vereins lassen den Kopf nie hängen, sondern sind hoch motiviert und kämpfen für ihre Sache. Das zeigt sich etwa darin, dass es der Verein geschafft hat, ein Projekt in die Endauswahl des Wettbewerbs zur Verwendung der TKB-Gewinne zu bringen. Diese Ausdauer und Hartnäckigkeit begrüsse und bewundere ich, sie ist absolut notwendig! Ich wünsche sie dem Verein Geothermie Thurgau weiterhin in grossem Masse.

Wenn wir uns in zehn Jahren wieder treffen würden: Was sollte sich wohin entwickelt haben?
Ich wünsche mir, dass wir 2031 in der Energie- und Klimapolitik immer noch die Nase vorn haben und sich daraus ein «Spirit» entwickelt, unseren Kanton weiterhin in eine gute Richtung zu steuern, sodass auch künftigen Generationen alle Handlungsoptionen offenstehen. Noch etwas mehr Pioniergeist kann uns dabei nicht schaden. Und wer weiss, vielleicht läuft in zehn Jahren ein erstes Geothermie-Kraftwerk in unserem Kanton!

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