Therapieren statt operieren
Als Querdenker revolutionierte Karl Müller III. die Schuhindustrie, indem er Sohlen entwickelte, die die Füsse nicht stabilisieren, sondern mobilisieren und damit einen gesundheitlichen Effekt auf den menschlichen Körper bewirken. Mit dem Abrollschuh MBT («Massai-Barfuss-Technologie») wurde der Thurgauer international bekannt. 2016 wurde Karl Müller mit seinem Unternehmen Namensgeber des FCSG-Heimstadions «Kybunpark».
Karl Müller, wir erreichen Sie für dieses Gespräch in Korea. Welche Beziehungen haben Sie zu dem ostasiatischen Land?
Ich habe 20 Jahre lang in Korea gelebt. Meine Frau und Mutter unserer vier Kinder ist Koreanerin. In Korea entdeckte ich meine Gaben als Unternehmer – und mit 45 befreiten mich die Reisfelder Koreas von meinen Knie-, Rücken- und Achillessehnen Schmerzen.
Sie haben 1997 den MBT-Schuh ohne Absatz erfunden, der das Gehen revolutionierte. Wie sind Sie eigentlich auf die Idee dazu gekommen, hatten Sie selbst Probleme mit den Füssen oder dem Bewegungsapparat?
Wir lebten in einem traditionellen Haus inmitten von Reisfeldern. Wenn meine Schmerzen jeweils so stark wurden, dass ich kaum mehr gehen konnte, ging ich auf die Reisfelder spazieren. Das half jeweils sofort. Das brachte mich dann zehn Jahre später auf die Idee, einen Schuh zu konstruieren, der das Gehen auf dem Reisfeld imitierte. Daraus entstand der MBT und ein paar Jahre später die Kybun-und Joya-Schuhe.
Hat Ihnen Ihr Maschinenbaustudium bei der Entwicklung geholfen?
Ja, der ETH habe ich einiges zu verdanken, so etwa den Lern- willen, das strukturierte Denken und auch das Durchhaltevermögen.
Der Abrollschuh hat sich therapeutisch bewährt; inzwischen sind über 20 Millionen Paar verkauft worden. Gleichzeitig wurde die Sohle von über 100 Schuhherstellern weltweit kopiert. Ärgert Sie das oder sehen Sie es eher als Kompliment an Ihre Erfindung?
Offen gesagt habe ich mich immer wieder geärgert, speziell dann, wenn ich vor Gericht in Korea sogar selbst des Kopierens bezichtigt wurde … Viele Menschen sagten mir immer wieder, ich soll doch stolz sein, das Original einer ganzen Branche zu sein. Mittlerweile kann ich es als Kompliment ansehen.
2006 haben Sie sich von MBT getrennt, weil die Firma sich mehr Richtung Lifestyle entwickeln wollte, und mit dem Luftkissenschuh Kybun («gutes Gefühl») 2007 eine neue Schuhmarke gegründet, die wieder vermehrt auf die Gesundheit fokussiert. Können Sie die Vorteile des «Kybun-Gehens» kurz umreissen?
Meine Motivation, Schuhe zu produzieren, war einzig und allein der medizinische Effekt unseres Konzepts. Ich wurde oft gefragt, mich an anderen Schuhmarken zu beteiligen – auch etwa bei der Marke ON. Das kam bei mir aber nie infrage, weil das Medizinische nicht im Fokus stand. Ich habe immer das Ziel verfolgt, jeden harten, flachen Boden in einen natürlichen Reisfeldboden zu verwandeln. Das geschieht mittels unserer elastisch-federnder Sohle – analog einem Trampolin, das die Schläge in die Gelenke in ein Training der feinen Muskulatur umwandelt.
Richtet sich der Schuh eher an eine ältere Kundschaft, die vielleicht Probleme mit dem Bewegungsapparat hat, oder können auch Junge, etwa Sportler, davon profitieren?
Alle! Wer Schmerzen an Gelenken, Rücken oder Muskeln hat, spürt schnell, dass diese meistens sofort nachlassen. Unsere Schuhe helfen auch, dass solche viel weniger auftreten, denn Barfussgehen auf elastisch-federndem Naturboden hilft bekannterweise ja auch.
Ihr Sohn lancierte mit Joya 2008 einen ähnlichen Schuh; beide Marken imitieren die natürliche Bewegung der Füsse auf weichem Grund. Zwölf Jahre lang gingen die beiden Brands ihre eigenen Wege, bis Sie und Karl Müller IV. 2019 ein gemeinsames Kybun-Joya-Gesundheitszentrum gründeten. Wie haben Sie sich «wiedergefunden»?
Als Vater und Sohn haben wir immer an der Beziehung gearbeitet. Ich hätte mir nicht im Traum ausgedacht, dass beide Firmen eines Tages zusammengeführt würden. Es hat sich einfach so aus dem Alltag heraus ergeben. Als Rentner könnte ich es mir heute nicht mehr anders vorstellen. Ich bin Karl sehr dankbar, dass er sich entschieden hat, all die Last, die ein Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern mit sich bringt, auf sich zu nehmen.
Im Mai 2022 fusionierten die Marken Kybun und Joya, im August haben Karl Müller IV. und Claudio Minder die operative Gesamtleitung der Kybun Joya Vertrieb AG übernommen, die dank der Fusion zum weltweit führenden Hersteller von Gesundheitsschuhen avancierte. Wie glücklich sind Sie über die «familieninterne» Nachfolgelösung?
Es ist für mich wie ein Traum in Erfüllung gegangen, den ich so niemals geträumt hätte. Denn ich weiss, dass Karl IV. ebenso ein Herz hat für Kunden, Vertriebspartner und Mitarbeiter, wie ich es hatte. Vieles wird er anders machen als ich – das muss auch so sein, wenn das Unternehmen weiter wachsen soll. Ich bin sehr guter Dinge, dass er mit seinem Team die richtigen Entscheidungen treffen wird, um Kybun Joya nach 20 oder 30 Jahren auch der nächsten Generation übergeben zu können.
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Die Kybun-Joya-Gruppe ist in über 40 Ländern weltweit mit über 1000 Verkaufspunkten vertreten. Heute beschäftigt sie 200 Mitarbeiter, die Hälfte davon in der Schweiz. Wo sehen Sie die Gruppe in fünf oder zehn Jahren?
Ein Unternehmen muss wachsen, damit es langfristig überleben kann. Karl IV. und Claudio Minder haben mit Joya bewiesen, dass sie tagtäglich die richtigen Entscheidungen treffen können, um zu wachsen. Ich bin sicher, dass sie das auch in Zukunft werden. Selbstverständlich ist das aber nicht. Wie schnell Fehlentscheide zum Zusammenbruch von grossen Unternehmen führen können, sieht man leider immer wieder. Ein trauriges Beispiel ist die Swissair. Karl und Claudio haben aber die nötige Demut, gute Entscheidungen so zu treffen, dass sie eines Tages ein bis zwei Millionen Paar Schuhe pro Jahr produzieren und verkaufen werden.
Ihr Motto lautet «Therapieren statt operieren»; Sie werben damit, dass durch richtiges Gehen bis zu 50 Bewegungsbeschwerden nachhaltig vermieden werden können. Ist richtiges Gehen wirklich so wichtig für eine anhaltende Gesundheit des Bewegungsapparats?
Ja. Ich bin überzeugt, dass man dank der Therapiemethode «natürlich balancierend Gehen» fast alle Operationen an Rücken, Hüften, Knien und Füssen vermeiden und damit gegen 20 Prozent der Gesundheitskosten sparen könnte. Ich bin eines von Zehntausenden von Beispielen, bei denen das funktionierte: Vor zwei Monaten holte ich mir durch einen Sportunfall zwei Meniskusrisse und konnte drei Wochen lang kaum mehr gehen. Heute kann ich wieder voll belasten und Sport treiben. Warum das so ist, kann man in meinen Vorträgen erfahren.
Zum Schluss: Wenn Sie jemanden in zwei Sätzen davon überzeugen müssten, einmal einen Kybun- oder Joya-Schuh auszuprobieren, wie lauteten diese?
Wenn Sie in einen unserer Kybun-Joya-Shops in St.Gallen, Arbon oder in der Schweizer Schuhfabrik in Sennwald gehen und dort diesen Artikel vorweisen, dürfen sie einen Kybun-oder Joya-Schuh zwei Wochen kostenlos ausprobieren.
Und ganz zum Schluss: Wann wird Kybun oder Joya einen Fussballschuh auf den Markt bringen?
Ich denke, Sie sprechen mich darauf an, weil Kybun mit dem «Kybunpark» seit sieben Jahren Namensgeber und Hauptsponsor des FCSG ist. Die Spieler vom FCSG nutzen unsere Produkte wie Kybun-Matten, Kybun-Laufbänder, Kybun-Joya-Faszien-Releaser oder Kybun-Schuhe tagtäglich und regenerieren sich damit, verletzen sich weniger und können nach Verletzungen früher belasten. Sie werden aber niemals in Kybun-oder Joya-Schuhen Fussball spielen, weil dort nicht mobilisieren, sondern stabilisieren gefragt ist.