Good News aus der Ostschweiz
Doch der LEADER hockt in einer lukrativen Nische. Jener nämlich des Positiv-Journalismus. Wer kritische Porträts oder Aufsehen erregende Hintergrundrecherchen zum Wirtschaftsraum Ostschweiz lesen will, ist beim LEADER am falschen Ort. Solche Stücke findet man eher im «Tagblatt» oder in der «Handelszeitung» oder – wenn’s hoch kommt – in der «NZZ». Beim LEADER geht es um Good News, um das Wir-Gefühl als Unternehmerinnen und Unternehmer der Region, um das Kennenlernen neuer Firmen, um das Bekanntmachen von Entscheidungsträgern in der Welt der kleinen und mittleren Unternehmen, um das Abfeiern viel versprechender Start-ups. Der LEADER macht Positiv-Journalismus – und ich meine das ausschliesslich positiv. Das Magazin ist das Clubheftli der Ostschweizer Wirtschaft. Es geht nicht um geschönte Bilanzen, die es wohl auch bei uns gibt. Gescheiterte Karrieren spielen keine Rolle, ebenso wenig kommt das Heft Angebern und Hochstaplern auf die Schliche. Es werden auf Hochglanzpapier – und natürlich auch digital – die zahlreichen herausragenden (und manchmal auch die etwas weniger grossartigen) Leistungen abgebildet und gefeiert. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Die Ostschweiz ist eine hoch industrialisierte, im Kern starke und gesunde Wirtschaftsregion, die hin und wieder etwas mit ihrer Randlage hadert. Dabei müssen wir uns vor anderen überhaupt nicht verstecken. Es ist darum falsch, immer von einer Randregion zu sprechen. Das sind wir nicht. Das waren wir noch nie. Bereits im Mittelalter haben sich die Städte rund um den Bodensee zusammengeschlossen, sich gegenseitig die Währungen anerkannt, um den Handel zu vereinfachen. Diese Vernetzung, gerade auch mit den Nachbarregionen Fürstentum Liechtenstein, Vorarlberg und dem süddeutschen Raum, die gibt es heute noch. Doch wir müssen Sorge zu ihr tragen. Der Bundesrat ist in seiner aktuellen Zusammensetzung offensichtlich nicht in der Lage, die Beziehungen der Schweiz zur EU zu stabilisieren. Dabei ist gerade die exportorientierte, grenznahe Ostschweiz auf verlässliche Beziehungen zum wichtigsten Handelspartner angewiesen.
Warum erwähne ich das hier? Weil es auch der LEADER ist, der solche überregionale Themen, welche die ganze Ostschweiz betreffen und interessieren, aufgreift und journalistisch weiterdreht. Das ist ein Verdienst. Nebst einer starken Tageszeitung, die solche Aufgaben täglich zu stemmen versucht, kann es überhaupt nicht schaden, wenn sich ein neunmal jährlich erscheinendes Magazin vertieft mit regionalpolitischen Fragen befasst, welche für unsere Wirtschaft und Gesellschaft von grosser Bedeutung sind.
Ob das Verhältnis zu Europa, der Fachkräftemangel und die drohende Energiekrise: Dem LEADER gelingt es immer wieder, brennende Themen breit aufzugreifen und zu beleuchten. Insbesondere aber gelingt es ihm, ein gesamtostschweizerisches Publikum anzusprechen. Das gelingt selbst dem «Tagblatt» nur selten. Wir sind die «Thurgauer Zeitung» oder die «Appenzeller Zeitung» oder das «Toggenburger Tagblatt». Die kleinräumige Ostschweiz ist publizistisch noch zusätzlich regional und lokal zerstückelt. Das schafft natürlich Nähe. Andererseits fehlt aber mitunter auch der Blick aufs Ganze. Dieser Blick auf die Ostschweiz, das gelingt auch anderen Medienprodukten wie etwa «Saiten» nicht, das stark auf ein urbanes Publikum im Grossraum St.Gallen schielt. Der LEADER hingegen spricht alle an. Ich wünsche dem LEADER auf jeden Fall alles Gute zum Geburtstag und vor allem: eine erfreuliche Zukunft. Es ist für das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis einer Region wichtig, dass sie vielfältige Medien hat. Der LEADER erfüllt in seiner Nische eine wichtige Klammerfunktion. Würde es den LEADER nicht schon geben, man müsste ihn glatt neu erfinden. Auf Hochglanz, natürlich. Und vielleicht künftig versehen mit zusätzlichen journalistischen Leistungen, in welchen manchmal auch kritischere Zwischentöne erlaubt, ja erwünscht sind.