Fitnessprogramme für ältere Liegenschaften
Liegenschaften, die vor 1988 gebaut wurden und bei denen bis jetzt keine energetischen Sanierungsmassnahmen an der Gebäudehülle oder den haustechnischen Anlagen erfolgten, gelten für Reto Giovanoli von der Zahn + Co. AG, die zur Gebäudetechnikdienstleisterin Hälg Group gehört, als «energetisch sanierungsbedürftig». Dazu zählen insbesondere Anlagen für Heizungen, Lüftungen und Brauchwasser, die ihre zu erwartende Lebensdauer überschritten haben.
Investitionskosten rechnen sich rasch
Das Bewusstsein für nachhaltige energetische Lösungen wächst und wird von Bund und Kanton gepusht – dennoch schrecken die auf den ersten Blick hohen Kosten nach wie vor viele Immobilienbesitzer davon ab, eine solche Lösung zu wählen. «Die hohen Investitionskosten für Alternativsysteme relativieren sich bei einer Gesamtbetrachtung über die ganze Lebensdauer», hält Reto Giovanoli entgegen. «Berücksichtigt man die Energie- und Unterhaltskosteneinsparungen, Förderbeiträge und gesetzlichen Rahmenbedingungen, amortisieren sich die höheren Investitionskosten bereits mittelfristig», so Giovanoli.
Nebst Einfamilienhäusern sind auch viele Mehrfamilienhäuser in die Jahre gekommen. Und nicht immer steht viel Land zur Verfügung, um beispielsweise Bohrungen für Erdwärme durchzuführen. Für Reto Giovanoli ist klar: «Welches Wärmeerzeugungssystem bei einer Sanierung in Frage kommt, muss individuell pro Objekt angeschaut werden.» Es gebe ja nicht nur die Wärmepumpe mit Erdsonde, sondern auch andere Systeme wie die Luft/Wasser-Wärmepumpe, die Holz- und Pelletheizung sowie weitere Systeme. «Es gibt für jeden Fall eine Lösung», hält Giovanoli fest.
Ähnlich verhalte sich dies auch bei Gewerbeliegenschaften: Nur eine gezielte Untersuchung führt zur optimalen Lösung. In Gewerbebauten spielten meistens zusätzlich noch Lüftungsanlagen und die Regelsysteme (zur Steuerung von Gebäudetechnikanlagen oder gleich ganze Leitsysteme für Gebäudeautomation) eine energetisch wichtige Rolle. «Auch für diese Komponenten gibt es energetische Optimierungsmöglichkeiten, mit welchen viel Energie und Geld gespart werden kann», sagt Giovanoli.
Gewerbeliegenschaften unter Druck
Bis vor kurzem war der Anteil an sanierungsbedürftigen Altbauten im Thurgau im Vergleich zu anderen Regionen noch relativ klein. «Mit der hohen Bautätigkeit hat sich das jedoch geändert, da ältere Immobilien im Markt bei der Vermietung unter Druck kommen. Da ist dann eine Sanierung fast ein Zwang», stellt Attila Wohlrab von der immokanzlei AG fest.
Bei Gewerbeobjekten beurteilt er den Anteil an sanierungsbedürftigen Bauten um einiges höher als bei Wohnobjekten. Investoren von Gewerbeobjekten änderten aus Erfahrung erst bei zu erwartenden Leerständen die Situation. «Bei Gewerbeliegenschaften ist dann auch oft das Abwägen zwischen Sanierung und Abbruch ein grosses Thema», so Wohlrab.
Bei einer Sanierung werde mit ihnen bekannten Fachplanern ein Konzept erarbeitet, welche Arbeiten zu welchem Zeitpunkt ausgeführt werden können. «Für unsere Investoren ist dann natürlich auch wichtig, wie sich eine Sanierung rechnet und finanziert werden kann», hält Wohlrab fest. Und auch die Klärung von Fragen wie: Können die Mieter bleiben? Sind Mietzinsanpassungen möglich? «Im Extremfall muss auch eine Kündigung aller Mietparteien geprüft werden, damit grössere Sanierungsarbeiten überhaupt ausgeführt werden können», erklärt Wohlrab.
Analyse und Konzept garantieren Erfolg
Um generell böse Überraschungen bei einer Sanierung zu vermeiden, sei sowohl bei Wohn- als auch Gewerbeimmobilien eine vorausschauende und längerfristige Planung mit professionellen Fachplanern und guten Handwerkern essenziell. Dies böten Firmen wie die Zahn + Co. AG, mit der die immokanzlei häufig zusammenarbeite. «Und natürlich ist auch eine frühzeitige und ehrliche Kommunikation mit den Mietern unabdingbar», betont Wohlrab.
Im Hinblick auf die energetische Sanierung der Gebäudetechnik sollte man diese nicht losgelöst vom Gebäude betrachten. «Häufig gibt es zusätzliche Gebäudeteile, die bei einer energetischen Sanierung mit auf der Liste stehen. Das Wichtigste ist deshalb eine genaue Analyse des Istzustandes», hält Reto Giovanoli fest. Sie gebe Auskunft über den Energiebedarf und die Energieflüsse innerhalb der Liegenschaft. «Daraus können die entsprechenden Lösungsansätze entwickelt werden», so Giovanoli. Für Wohnobjekte sei der GEAK (Gebäudeausweis der Kantone) ein wertvolles Hilfsmittel. «Gewerbeliegenschaften sind wegen der aufwendigeren Haustechnik differenzierter zu betrachten. In beiden Fällen lohnt es sich, einen Spezialisten beizuziehen», empfiehlt Giovanoli.
Nach der Analyse des Istzustandes erfolgt die Ausarbeitung eines Erneuerungskonzepts. Es beinhaltet die Gebäudehülle und die haustechnischen Anlagen. «Mit dem Immobilienbesitzer ist zu klären, wie die Liegenschaft strategisch positioniert ist und welche Investitionen getätigt werden können», sagt Reto Giovanoli. «Bei Gewerbeliegenschaften ist auch die zukünftige Nutzung in die Betrachtung mit einzubeziehen. Unter Umständen reichen auch kleiner dimensionierte Gebäudetechnikanlagen aus.» Aus diesem Informationsmix werde dann zusammen mit dem Eigentümer das Erneuerungskonzept erarbeitet.
Immobilienexperte Attila Wohlrab stimmt den Ausführungen von Reto Giovanoli voll und ganz zu: «Unsere Aufgabe ist es zusätzlich, die Rentabilität vor und nach einer Sanierung zu prüfen. Oft spielt dies bei der Ausführungsentscheidung und des Umfangs für den Eigentümer eine grosse Rolle.»
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Dos and Don’ts
Für eine erfolgreiche Sanierung der Liegenschaft empfiehlt Attila Wohlrab Wohn- und Gewerbeliegenschaftsbesitzern insbesondere eine frühzeitige Bestandsaufnahme und professionelle Fachplaner. «Keinesfalls sollte man schnelle, billige Lösungen mit sogenannten Freunden ohne Leistungsausweis wählen – und sich auch nicht von allen Bekannten dreinreden lassen», betont Wohlrab.
Für Reto Giovanoli stehen vonseiten der Gebäudetechnik die genaue Istzustandsaufnahme sowie die Bedürfnisabklärung mit dem Immobilienbesitzer im Vordergrund. «Keinesfalls sollte man haustechnische Anlagen einfach 1 : 1 ersetzen, ohne vorher nach links oder rechts zu schauen», legt einem Giovanoli ans Herz. Die Investition müsse langfristig betrachtet werden. «In Alternativsysteme zu investieren, lohnt sich.» «Einen Blick in die Zukunft der Technik zu machen und auch einmal den Mut zu haben, den eigenen Anlagehorizont bei der Immobilie zu hinterfragen, lohnt sich immer», ergänzt Immobilienexperte Attila Wohlrab. «Also etwa die Frage, ob es besser ist, eine Sanierung auszuführen oder vielleicht die Liegenschaft durch eine andere zu ersetzen.»
Text: Tanja Millius
Bild: Marlies Thurnheer