Gast-Kommentar

«Eine strategische Bitcoin-Reserve macht keinen Sinn»

«Eine strategische Bitcoin-Reserve macht keinen Sinn»
Lesezeit: 3 Minuten

Die Idee einer strategischen Bitcoin-Reserve sorgt für kontroverse Diskussionen: Während die Krypto-Industrie Druck auf die US-Regierung ausübt, mit der digitalen Währung Schuldenprobleme zu lösen, zeigt Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank, auf, warum eine solche Reserve weder praktikabel noch sinnvoll ist.

Text: Thomas Stucki

Die Krypto-Industrie hat den Wahlkampf von Donald Trump mit riesigen Millionenbeträgen unterstützt. Von Trump erwartet sie ein kryptofreundliches Umfeld ohne Regulierung. Den ersten Erfolg hat sie bereits erreicht: Der von ihr verhasste Chef der US-Börsenaufsicht, Gary Gensler, hat seinen Rücktritt angekündigt. Die Krypto-Industrie will von Trump aber mehr als ein Geschäft ohne Einschränkungen. Sie macht in Washington Druck, dass die USA eine strategische Bitcoin-Reserve aufbauen sollen.

Wie die meisten Länder haben auch die Amerikaner verschiedene strategische Reserven. Diese beinhalten üblicherweise Nahrungsmittel oder andere Güter, die im Krisenfall für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. In den USA ist die strategische Ölreserve am bekanntesten. Diese wird von den Präsidenten regelmässig angezapft, wenn der Ölpreis – und damit der Benzinpreis – stark steigt, was in der Bevölkerung schlecht ankommt.

Da Bitcoins weder gegessen noch als Energiequelle genutzt werden können, müssten sie einen anderen strategischen Nutzen haben, um die Haltung einer Reserve zu rechtfertigen. Laut der Krypto-Lobby soll die Bitcoin-Reserve dazu dienen, die Schulden der USA von aktuell 36'000 Milliarden US-Dollar zu eliminieren. Dazu müssten heute einige Milliarden in Bitcoin investiert werden. Der Wertzuwachs des Bitcoins würde es dann in einigen Jahren erlauben, die Schulden zurückzuzahlen.

Schöne Theorie

Wie vieles bei Donald Trump und seinem Umfeld klingt das auf dem Papier einfach und schmerzlos, scheitert in der Umsetzung jedoch an den realen Rahmenbedingungen. Nehmen wir an, die USA bauen eine solche Reserve im Umfang von 1 % der Schulden auf. Sie müssten Bitcoin im Wert von 360 Milliarden US-Dollar kaufen – etwa ein Drittel so viel, wie sie in einem Jahr für die Armee ausgeben, oder 5 % des Budgets. Das ist also machbar. Da es sich um eine Investition und keine Ausgabe handelt, belastet es das Budget nach aussen hin ohnehin nicht. Zudem wird vorgeschlagen, dass der Aufbau der Bitcoin-Reserve durch die Fed finanziert wird, sodass sie für den Staat «gratis» wäre.

Die Schwierigkeiten liegen jedoch nicht in der Finanzierung, sondern bei den Kryptowährungen selbst. Gemäss der Webseite coinmarketcap.com beträgt die Börsenkapitalisierung von Bitcoin 1'900 Milliarden US-Dollar und diejenige von Ether 440 Milliarden US-Dollar. Alle anderen Kryptowährungen sind im Kontext eines Aufbaus einer strategischen Reserve irrelevant, da sie zu klein sind. Die USA müssten somit 19 % des gesamten Bitcoin-Bestandes aufkaufen. Das würde den Preis massiv in die Höhe treiben und damit auch die Kosten für den Reserve-Aufbau.

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Fallstricke der Umsetzung

Dann bliebe nur noch zu warten, bis der Kurs des Bitcoins auf das nötige Niveau steigt, um die Schulden zu tilgen. Auf Basis eines Einstiegs bei 100'000 US-Dollar pro Bitcoin wäre dafür ein Preis von 10 Millionen US-Dollar notwendig. Sollten die US-Schulden in der Zwischenzeit weiter steigen – was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird –, wäre ein noch höherer Kurs erforderlich.

Die grösste Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Halter von US-Staatsanleihen die Rückzahlung nicht in Bitcoins, sondern in klassischen US-Dollars verlangen. Schon die Ankündigung, dass die USA einen Teil ihrer strategischen Bitcoin-Reserve auflösen werden, würde den Kurs des Bitcoins und anderer Kryptowährungen kollabieren lassen.

Fazit

Eine strategische Bitcoin-Reserve macht für die USA keinen Sinn – weder in Bezug auf die Notwendigkeit zum Schutz der Bevölkerung noch in der praktischen Umsetzung. Darum geht es der Krypto-Industrie auch nicht. Die US-Bevölkerung und die Staatsschulden sind ihr egal. Es geht einzig darum, die Spekulation auf Kryptowährungen anzuheizen und so den Wert der eigenen Bestände zu steigern – und dabei sind sie bisher recht erfolgreich.

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