Ostschweiz

Demokratische Unternehmensführung?

Demokratische Unternehmensführung?
Unser Gastautor Louis Grosjean, Partner altrimo
Lesezeit: 2 Minuten

Demokratische Unternehmensführung kann gut gehen, aber auch grandios scheitern. Rousseau – ein Urgestein der Demokratie – hilft in dieser Folge unserer Serie «LEADER-Philosophie» beim Nachdenken darüber, was es für eine erfolgreiche Demokratisierung im Unternehmen braucht. Und ob wir sie wirklich wollen oder besser sein lassen.

Demokratische Struktur, flache Hierarchien, Holokratie, Schwarmintelligenz usw. sind seit Jahren in Mode. Die Macht soll verteilt werden. Es lebe die Gleichheit. Seit der Aufklärung ist der Gleichheitsbegriff positiv konnotiert. Nivellierung ist «in».

Zuviel Konsens macht mich skeptisch. Deswegen habe ich bei Jean-Jacques Rousseau nachgeschaut, was er zur Demokratie sagte. Rousseau ist eine authentische Quelle für diese Frage: Er war Teil der Aufklärung, entwarf eine Verfassung für Korsika und beobachtete die Schweizer Institutionen seiner Zeit mit scharfem Auge. Die Demokratie war zentral in seinem Gedankengut. So hat er kritisch untersucht, was es braucht, damit eine Demokratie funktioniert. Seine Schlussfolgerungen sind gute Wegweiser für die heutige demokratische Unternehmensführung.

Rousseau und die Demokratie

Zusammengefasst funktioniert eine Demokratie nach Rousseau dann, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (s. Contrat social, Buch III, Kapitel IV):

  • Kleiner Staat, um das Volk zu versammeln;
  • Einfachheit der sozialen Regeln;
  • Gleichheit in Ruhm und Reichtum;
  • Kein Luxus.

Die Ostschweizer LEADER-Leserschaft wird unweigerlich an Appenzell denken – denn dort sind diese Voraussetzungen recht gut erfüllt. Das ist aber nicht die These dieses Artikels.

Was Rousseau unter diesen vier Voraussetzungen gebietet, ist die Reduktion der Komplexität und die Erhöhung der Betroffenheit: Was von vielen zu entscheiden ist, muss einfach sein und Gleichheit ermöglichen.

Unternehmensführung nach Rousseau

Machen wir diese Gebote nun konkret. Wer eine demokratische Unternehmensführung einführen will, soll – angelehnt an Rousseau – Folgendes beachten.

1) Kleiner Staat: überschaubare Unternehmensgrösse beibehalten. Wird das Unternehmen zu gross, muss es aufgeteilt werden.

2) Einfachheit der sozialen Regeln: Lange Reglemente und eine komplizierte Unternehmenskultur brauchen Expertenwissen. Das macht demokratische Entscheide unpraktikabel.

3) Gleichheit in Ruhm und Reichtum: Hier geht es ans Eingemachte. Es gibt keinen Platz für Eitelkeit. Alle Stakeholder sollen vom Unternehmenserfolg profitieren (und das nicht nur symbolisch). Das Problem: Ein Recht auf Dividende haben nur die Aktionäre, und die meisten Unternehmensinhaber werden das nicht wollen. Rousseau trifft hier unbewusst ein sensibles Thema. Aber er hat recht, denn Hand aufs Herz: Wer will schon demokratisch mitregieren, wenn nur ganz wenige vom Ergebnis guter Entscheide profitieren?

4) Kein Luxus: Augenmass im Ausgabenverhalten fördert die Eigenverantwortung aller.

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Ehrlich mit dem Demokratiebegriff umgehen

Es steht mir nicht zu, für oder gegen eine demokratische Unternehmensführung zu plädieren. Jeder Unternehmer wird dies für sich selbst beurteilen müssen.

Die These in diesem Artikel lautet: Wenn ich als Unternehmer über die Einführung demokratischer Strukturen nachdenke, muss ich mir Rousseau in Erinnerung rufen, statt teure Holokratie-Consultants anzuheuern. Gehälter angleichen und Macht abgeben gehören dazu, sonst funktioniert die demokratische Unternehmensführung nicht. Wenn ich viele sichtbare Luxuselemente in meinem Leben brauche, führe ich lieber hierarchisch als holokratisch.

Also: Wer die Versuchung verspürt, sein Unternehmen zu demokratisieren, macht am besten den Selbstcheck mit Rousseau. Wenn dieser positiv ausfällt, kann man weitermachen. Ansonsten fragt man sich besser ein zweites Mal, was man mit der Demokratisierung erreichen will. Denn eine unehrliche Demokratisierung hilft niemandem.

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