Wertschaffungsfreie Arbeit
Text: Louis Grosjean, Partner altrimo
Haben Sie sich schon mal über komplett sinnbefreite Jobs gewundert? Arbeiten oder Stellenprofile, die überhaupt keinen Sinn ergeben? Die niemandem nützen oder sogar schädlich sind? Die keine oder gar eine negative Wertschöpfung mit sich bringen?
Bullshit-Jobs
In einem 2018 erschienenen Buch des US-amerikanischen Autors David Graeber mit dem Titel «Bullshit-Jobs» habe ich spannende Kategorien gefunden.
Arbeiten, die nur deshalb zu verrichten sind, weil sie jemandem das Gefühl von Wichtigkeit geben (z. B. Entourage von Diktatoren oder «Vorzimmer-Damen»).
Arbeiten, die zwar im Rahmen einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft entstehen, jedoch aus Sicht der gesamten Gesellschaft schädlich sind (z. B. Outbound-Call-Center-Mitarbeiter, die reihenweise Leute anrufen, um sie zum Wechsel der Krankenkasse zu animieren).
Arbeiten, die nur zur Vertuschung und/oder Kompensation von grundsätzlichen Dysfunktionalitäten da sind (z. B. Sekretariats-Arbeitskräfte, welche tagelang Tabellen für Reports abschreiben, weil das Management-Information-System des Unternehmens diese Reports nicht generieren kann und das Management unfähig ist, dies zu ändern).
Arbeiten, die vorgeschrieben werden (von Gesetz oder Hierarchie), nur damit das Unternehmen sagen kann, dass das Thema adressiert wird. Dazu gehören einige Arbeiten im Compliance-Bereich von Finanzinstituten, ineffektive Revisionsarbeiten und manche Feigenblatt-Diversity-Fachstellen, die nicht den Hauch einer Chance haben, ihre Vorschläge in der Praxis umzusetzen.
Durchlauferhitzer-Arbeiten: Transfer von Arbeiten von einer Stelle im Unternehmen zur anderen. Dies kann vertikal (entlang der Hierarchie) oder horizontal (entlang von Prozessen) geschehen und wird dadurch gekennzeichnet, dass dieser Transfer ohne jeglichen Mehrwert erfolgt.
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Am Anfang steht die Wertschaffung
Diese Bullshit-Jobs dürfte es eigentlich nicht geben. Die ganze ökonomische Theorie basiert – vereinfacht gesagt – auf dem Begriff des Nutzens. Nutzen ist Wertschaffung. Wo kein Wert vorhanden ist, gibt es keine Zahlungsbereitschaft des Kunden. Dieser bekommt einen materiellen oder ideellen Wert, und zahlt dafür Geld. Vom Mitarbeitenden bekommt der Arbeitgeber eine Arbeitsleistung, und er zahlt ihm einen Lohn. So läuft das.
Neben der ökonomischen Betrachtung gibt es die philosophische: Arbeit ist sinnstiftend, wenn dadurch Werte geschaffen werden. Die zeitgenössische Philosophin Andrea Veltman formuliert es wie folgt: Die Definition eines Ziels, insbesondere eines für andere wertschöpfenden Ziele mit dauerhafter Wirkung, ist konstituierend für sinnstiftende Arbeit.
Ein guter Vorsatz fürs neue Jahr
Und jetzt kommt die Testfrage: Haben Sie solche Arbeiten im eigenen Unternehmen erkannt? Oder gar in den eigenen Aktivitäten? Wenn ja: weg damit. Dafür zahlt der Kunde nicht. Damit lassen sich auch keine Mitarbeitenden begeistern, im Gegenteil. Solche Arbeiten wirken für die Betroffenen und ihr Umfeld sinnfrei, ergo demotivierend.
Sinnfreie, weil nicht wertschaffende Arbeiten vom eigenen Unternehmen zu verbannen, klingt nach einem sinnvollen Vorsatz für das neue Jahr.