Weniger Führung, mehr Effekt: Warum CEOs selbstorganisierte Manager brauchen
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Text: Paul Beerli, Verwaltungsrat, Beerligroup AG
Drastische Marktveränderungen, steigende Kosten und ein akuter Fachkräftemangel – all das stellt Unternehmen vor massive Herausforderungen. Gleichzeitig zwingen disruptive Technologien, geopolitische Spannungen und sich wandelnde Kundenbedürfnisse Unternehmen dazu, sich permanent anzupassen.
Inmitten dieser Transformationen ist es für CEOs essenziell, ihre Teams erfolgreich zu führen, ohne sich in der operativen Personalsteuerung und -betreuung zu verlieren. Doch viele CEOs stehen vor genau diesem Problem: Sie verbringen zu viel Zeit damit, ihre eigenen Führungskräfte zu managen. CEOs kennen diesen Gedanken: «Ich habe einen Sack voller Flöhe in meinem Unternehmen!» Warum ist das so? Und wie kann man es besser machen?
Die Opfer-Täter-Falle
Oft hört man: «Vertrauen ist kein Bonus, den man sich erst verdienen muss – es ist die Grundlage für echte Höchstleistung. Wer als Chef erst Ergebnisse abwartet, bevor er Vertrauen schenkt, bremst das Potenzial seiner Mitarbeiter. Menschen wachsen am stärksten, wenn sie spüren, dass jemand an sie glaubt.»
Doch hier entsteht ein Ungleichgewicht: Warum liegt die Verantwortung allein beim Chef? Warum wird der Chef zum «Täter» und der Mitarbeiter zum «Opfer» gemacht? Vertrauen sollte keine Einbahnstrasse sein – beide Seiten können und sollen sich diesen Vertrauensvorschuss gegenseitig gewähren. Schliesslich verfolgen beide dieselben Ziele: eine bessere Teamdynamik, mehr Sinn in der Arbeit, grössere Wertschätzung und gemeinsamen Erfolg.
Es ist an der Zeit, dass Unternehmen dieses Ungleichgewicht auflösen und eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens fördern. Dadurch wird der Führungsaufwand drastisch gesenkt.
Der Führungsaufwand ist oft zu hoch – und unnötig
Viele CEOs erleben tagtäglich das gleiche Dilemma: Ihre Organisationen sind personell aufgebläht und ineffizient. Grosse Abteilungen könnten stark reduziert werden, ohne dass die Unternehmensleistung leidet. Doch stattdessen müssen sich die Führungskräfte mit Mitarbeitenden auseinandersetzen, die wenig zum Unternehmenserfolg beitragen und gleichzeitig unverhältnismässig viele Managementressourcen binden. Als Verwaltungsrat oder Aktionär eines solchen Unternehmens würde ich genau hier ansetzen – lange bevor kostspielige Business Process Reengineering-Projekte oder gar Restrukturierungen gestartet werden.
«Führungspersönlichkeiten, die allein durch ihre Art und Weise erfolgreich in der Mitarbeiterführung sind, überzeugen als Individuen. Sie handeln aus eigenem egoistischem Interesse und müssen sich nicht hinter einem grösseren Ziel verstecken, um die Mitarbeiter zu überzeugen.»
Eine wirklich gute Führungspersönlichkeit zeichnet sich nicht durch Hierarchie oder Kontrolle aus, sondern durch ihre innere Stabilität. Wer sich selbst gut führen kann, führt vielfach auch andere souverän. Doch in vielen Unternehmen fehlen genau diese selbstbewussten, eigenverantwortlichen Manager. Stattdessen agieren sie mit defensiven Strategien, verstecken sich hinter Prozessen und nutzen Krisensituationen, um noch mehr Kontrolle, Reporting und interne Stabsstellen zu etablieren. Das bindet wertvolle Führungsressourcen und verschlechtert oft die Lage, anstatt sie zu verbessern.
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Was ist zu tun?
Die Antwort ist klar: CEOs sollten bei der Rekrutierung verstärkt auf Führungskräfte setzen, die sich vor allem selbst gut organisieren können. Ein Manager, der sich selbst führen kann, braucht keine ständigen Anleitungen, Sinnerklärungen und täglichen Schmeicheleinheiten von oben – er handelt eigenständig und effektiv. Viele Unternehmen leiden unter einer Überzahl an Führungskräften, die ihren eigenen Arbeitsalltag nicht effizient strukturieren und zu viel Führungskapazität ihrer Chefs in Anspruch nehmen.
Das zeigt sich auch an der Stimmung im Unternehmen: Selbst in höheren Management-ebenen (n-2, n-3, n-4) klagen Führungskräfte darüber, dass die Teamdynamik schlecht sei, sie den Sinn ihrer Arbeit nicht mehr sehen oder zu wenig Wertschätzung erfahren. Doch genau diese Manager haben selbst Teams unter sich – wie sollen sie in dieser Konstellation andere erfolgreich führen?
Fazit: Wer als CEO das Management seiner unterstellten Manager optimieren will, braucht keine ausgeklügelten Prozesse, sondern die richtigen Menschen. Selbstorganisierte Geschäftsleitungsmitglieder sind die beste Führungsentlastung für CEOs. Achten Sie bei der nächsten Rekrutierung darauf!