Gast-Kommentar

Wenn sich CEOs über ihr Mittelmanagement nerven

Wenn sich CEOs über ihr Mittelmanagement nerven
Paul Beerli
Lesezeit: 3 Minuten

Es gibt eine Ebene in der Unternehmenshierarchie, die viel Verantwortung trägt, aber oft wenig Anerkennung bekommt: das Mittelmanagement. Eigentlich sollte es als entscheidendes Bindeglied zwischen Strategie und Umsetzung agieren, doch in der Realität wird diese Schicht häufig zur Problemzone. Nicht nur Mittelmanager fühlen sich von ihren Aufgaben und Erwartungen überfordert – auch CEOs, die sich mit dieser Ebene auseinandersetzen müssen, geraten regelmässig an ihre Grenzen.

Text: Paul Beerli, Verwaltungsrat, Beerligroup AG

Mittelmanager stehen unter Druck. Sie sitzen gewissermassen zwischen zwei Stühlen: den strategischen Zielvorgaben der oberen Führung und den praktischen Herausforderungen der Mitarbeitenden im operativen Bereich. Dieser Spagat wird in Zeiten von Veränderungsprozessen, Turnarounds, Changemanagement-Initiativen, Unternehmenstransformation und insbesondere bei M&A-Aktivitäten besonders spürbar. «Oben» wollen alle ständig alles ändern, «unten» herrscht Apathie und Fluktuation.

Die Rahmenbedingungen haben sich ebenfalls verschärft. Früher konnten sich Mittelmanager mit Privilegien wie Dienstwagen, Bonusmeilen oder exklusiven Kantinen trösten. Doch diese Statussymbole sind heute oft gestrichen. Die Frustration ist verständlich, aber diese Haltung darf nicht dazu führen, dass Mittelmanager ihren Widerstand aktiv oder passiv kultivieren.

Warum CEOs die Geduld verlieren

Doch nicht nur die Mittelmanager fühlen sich aufgerieben – auch die CEOs sind zunehmend genervt. Der Frust richtet sich oft gegen mangelnde Initiative und Entschlossenheit im Mittelmanagement. Viele Topmanager berichten, dass sie das Gefühl haben, gegen Windmühlen zu kämpfen. Häufig fehlt es an emotionalem Engagement und einem klaren Bekenntnis zum Aufbruch. Die Haltung ‚Das war schon immer so‘ ist Gift für jeden Change-Prozess.

Ein prominentes Beispiel für konsequentes Handeln liefert Elon Musk. Nach der Übernahme von Twitter 2022 stellte er seinen Mitarbeitenden ein Ultimatum: Wer nicht bereit sei, Teil einer „extrem Hardcore“-Kultur zu werden, könne das Unternehmen mit einer grosszügigen Abfindung verlassen. Musks Vorgehen mag radikal erscheinen, doch es verdeutlicht eine Kernbotschaft: In Zeiten des Umbruchs braucht es keine Zauderer, sondern entschlossene Mitstreiter.

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«In einer Turnaroundsituation in einem Unternehmen haben sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter ihre ganz eigenen Motive. Das macht die Führung äusserst anspruchsvoll.»

Emotionen managen, Widerstände überwinden

Die Herausforderungen im Mittelmanagement sind nicht nur organisatorischer, sondern vor allem emotionaler Natur. In jeder Belegschaft gibt es bei einem Turnaround unterschiedliche Lager: ein Drittel, das aktiv mitzieht, ein Drittel, das unsicher abwartet, und ein Drittel, das sich aus Angst oder Unverständnis verweigert. Emotionale Stagnation im Mittelmanagement kann den gesamten Turnaround gefährden.

Die Frage ist: Wie lassen sich die mittleren Führungskräfte motivieren? CEOs müssen deutlich machen, warum der Wandel notwendig ist, und gleichzeitig Wege aufzeigen, wie jeder Einzelne zur Lösung beitragen kann. Es geht nicht darum, jeden zufriedenzustellen, sondern darum, eine kritische Masse für den Aufbruch zu gewinnen.

Der Mittelweg ist oft der falsche Weg

Ein häufiger Fehler vieler CEOs: Sie setzen auf Kompromisse, um niemanden vor den Kopf zu stossen. Doch dieser Mittelweg führt oft ins Nichts. In einer Krisensituation braucht es klare Entscheidungen und eine kompromisslose Priorisierung der Unternehmensziele. Wer zu lange auf Einbindung und Konsens setzt, riskiert, den gesamten Prozess zu blockieren.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Führungskräfte blindlings handeln sollten. Entscheidend ist, dass sie ein Bewusstsein für die Dynamik im Unternehmen entwickeln. Manche Mitarbeitenden haben die Dringlichkeit des Wandels längst erkannt, andere leben noch in einer Komfortzone, sprich auf einem anderen Planeten! Der erste Schritt besteht darin, diese Gruppen zu identifizieren und gezielt anzusprechen.

Fazit: Führung erfordert Mut und Konsequenz

Der Umgang mit dem Mittelmanagement ist keine leichte Aufgabe. Es erfordert Geduld, Empathie – und manchmal auch eine klare Kante. CEOs, die ihre Visionen umsetzen wollen, müssen bereit sein, unbequeme Entscheidungen zu treffen.

Führung heisst nicht, es allen recht zu machen, sondern das Richtige zu tun.

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