Was bringt das neue Aktienrecht?
Im Parlament anfänglich umstritten war der Vorschlag des Nationalrates, dass das Aktienkapital auch in Fremdwährung geführt werden dürfe. Der Ständerat begründete seine ablehnende Haltung gegenüber dem Vorschlag mit dem Gläubigerschutz. Erst mit der Debatte vom 9. Juni 2020 erklärte er sich bereit, dem Vorschlag des Nationalrat Folge zu leisten. Infolgedessen wurde der Bundesrat vom Parlament damit beauftragt, einen Katalog an zulässiger Fremdwährung für das Aktienkapital auszuarbeiten.
Fremdwährungen nun möglich
Obwohl bereits unter geltendem Recht die Rechnungslegung einer Gesellschaft in einer für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung erfolgen kann (Art. 958d Abs. 3 OR), galt dies bis anhin nicht für das Aktienkapital. Infolge der Revision darf nun auch das Aktienkapital in einer für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung lauten (Art. 621 Abs. 2 nOR), womit sich auch die kapitalbezogenen Aspekte wie Dividenden, Reserven und Überschuldung nach der entsprechenden Fremdwährung richten.
Zu beachten ist dabei, dass der Nennwert einer Aktie unabhängig von der Währung des Aktienkapitals neuerdings mindestens 0.01 Schweizer Franken zu betragen hat (Art. 622 Abs. 4 nOR).
Flexibilität von GV- und VR-Beschlüssen
Des Weiteren soll durch die Aktienrechtsrevision eine erhöhte Flexibilität der GV- und VR-Beschlüsse sichergestellt werden. So können GV infolge der Revision neuerdings auch multilokal unter bestimmten Auflagen (Art. 701a Abs. 2 nOR), virtuell (Art. 701d nOR) oder mit GV-Tagungsort im Ausland durchgeführt (Art. 701b nOR) und Beschlüsse somit auf dem Zirkularweg gefasst werden.
Auch VR-Beschlüsse können aufgrund der Revision auf elektronischem Wege gefasst werden, wobei vom Gesetzgeber keine Unterschrift verlangt wird (Art. 713 Abs. 2 nOR). Virtuelle GV- und VR-Beschlüsse wurden zwar schon mit der COVID-19-Verordnung 2 eingeführt und mit der COVID-19-Verordnung 3 bis zum Inkrafttreten des neuen Aktienrechtes verlängert, benötigen jedoch nach dessen Ablauf eine feste Grundlage im Gesetz.
Abberufung der Revisionsstelle
Zudem treten durch die Aktienrechtsrevision verschärfte Regelungen betreffend die Abberufung der Revisionsstelle in Kraft. Demnach kann die GV die Revisionsstelle inskünftig nur noch aus wichtigen Gründen abberufen (Art. 730a Abs. 4 nOR), wobei die massgeblichen Gründe im Anhang zur Jahresrechnung offenzulegen sind (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 14 nOR).
Unterteilung der Reserven
Die Reserven werden infolge der Aktienrechtsrevision (analog dem Rechnungslegungsrecht) in gesetzliche Kapitalreserven, gesetzliche und freiwillige Gewinnreserven unterteilt (Art. 671 ff. nOR). Dabei dürfen freiwillige Gewinnreserven nur gebildet werden, wenn dies durch das dauernde Gedeihen des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen aller Aktionäre gerechtfertigt ist (Art. 673 Abs. 2 nOR).
Verluste müssen dabei in folgender Reihenfolge verrechnet werden: Zuerst mit dem Gewinnvortrag, dann mit den freiwilligen Gewinnreserven, anschliessend mit der gesetzlichen Gewinnreserve und zuletzt mit der gesetzlichen Kapitalreserve. Anstelle einer Verrechnung mit den gesetzlichen Reserven ist aber auch ein Vortrag auf neue Rechnung gestattet (Art. 674 nOR).
Zwischendividende und Zwischenabschluss
Unter geltendem Recht ist die Zulässigkeit von Zwischendividenden aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage höchst umstritten. Das revidierte Aktienrecht schafft neu mit Art. 675a nOR sowie Art. 960f nOR eine explizite Gesetzesgrundlage für ihre Zulässigkeit. Die GV kann demnach eine Zwischendividende beschliessen, sofern (i) die Voraussetzungen zur Dividendenausschüttung erfüllt sind und (ii) ein geprüfter Zwischenabschluss vorliegt.
Bei einer Gesellschaft mit Opting-out ist allerdings keine Prüfung des Zwischenabschlusses erforderlich. Im Übrigen kann auf eine Prüfung verzichtet werden, wenn alle Aktionäre der Ausschüttung zustimmen und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden (Art. 675a nOR).
Kapitalband
Wie der Nationalrat hat sich auch der Ständerat schon zu Beginn der parlamentarischen Beratung für die Einführung eines Kapitalbands ausgesprochen. Damit kann die GV den VR ermächtigen, das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite (Kapitalband) im Umfang von jeweils 50% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals während maximal fünf Jahren zu erhöhen oder herabzusetzen (Art. 653s nOR). Das Kapitalband kombiniert die bisherige genehmigte Kapitalerhöhung mit der neuen Möglichkeit einer genehmigten Kapitalherabsetzung. Die Bestimmungen zur genehmigten Kapitalerhöhung werden mit Inkrafttreten der Revision hingegen aufgehoben.
Zu beachten ist zudem, dass im Fall einer Kapitalherabsetzung der Gläubigerschutz (Schuldenruf und Prüfungsbestätigung) bei jeder einzelnen Kapitalherabsetzung innerhalb des Kapitalbands zu erfolgen hat (Art. 653u Abs. 3 nOR).
Beabsichtigte Sachübernahme
Die Aktienrechtsrevision bringt auch gewisse Vereinfachungen bei der Gründung von Gesellschaften sowie allfälligen Kapitalerhöhungen mit sich. Dazu gehört beispielsweise die (beabsichtigte) Sachübernahme von Aktionären oder diesen nahestehende Personen, welche derzeit noch als Tatbestand einer qualifizierten Gründung oder Kapitalerhöhung (Art. 628 Abs. 2 OR) statuiert ist.
In der Praxis führt die (beabsichtigte) Sachübernahme immer wieder zu Unklarheiten, da sich die Beurteilung, ob ein bestimmter Erwerb als eine (beabsichtige) Sachübernahme qualifiziert werden kann, oft als schwierig herausstellt. Dies soll sich infolge der Revision ändern, indem die (beabsichtige) Sachübernahme keinen qualifizierten Tatbestand mehr darstellt. Bei einer davon zu unterscheidenden gemischten Sacheinlage und Sachübernahme unterliegen die Sachübernahme-Komponente und die entsprechende Gegenleistung der Gesellschaft jedoch weiterhin der Statuten- und Registerpublizität (Art. 634 Abs. 4 nOR).
Sanierung
Ziel des Bundesrates war es zudem, mit verschiedenen neuen aktienrechtlichen Bestimmungen Anreize für Unternehmen zu schaffen, frühzeitig allfällige Sanierungsmassnahmen zu treffen. Dazu gehört beispielsweise die Pflicht des VR zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit und Einleitung von Sanierungsmassnahmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit.
Bereits bisher sah das Gesetz eine Handlungspflicht des VR vor, wenn die Gesellschaft überschuldet ist oder eine entsprechende Besorgnis besteht. Auch die Voraussetzungen, unter welchen die Benachrichtigung des Konkursgerichts bei Überschuldung der Gesellschaft unterbleiben kann, werden durch die Revision klar definiert (vgl. Art. 725b Abs. 4 nOR).