New Work und Künstliche Intelligenz: Die neue Arbeitswelt wird technologischer und menschlicher zugleich
Text: Nora Lüthi, OST
Technologische Fortschritte spielen für New Work eine wichtige Rolle. Wenn nämlich repetitive und zeitaufwendige Aufgaben von KI-Tools übernommen werden können, bleibt den Mitarbeitern mehr Zeit für strategische, komplexe und kreative Aufgaben. Dies ist ganz im Sinne von New Work, wo Autonomie, Kreativität und Selbstverwirklichung der Mitarbeiter im Zentrum stehen.
Am 8. St.Galler New Work Forum des HR-Panels New Work der OST – Ostschweizer Fachhochschule wurde diskutiert, wie der Einsatz von KI die Prinzipien von New Work in Unternehmen fördern kann. Denn laut Prof. Dr. Alexandra Cloots, Leiterin des HR-Panels New Work, ist klar: Weitermachen wie bisher ist in der neuen Arbeitswelt keine Option.
KI ersetzt menschliche Arbeit nicht
«Wir müssen uns fragen, wie KI unsere Arbeit gestaltet und ergänzt», betont Alexandra Cloots. KI als Bedrohung für unsere Jobs zu sehen, sei nicht hilfreich. Aber KI dürfe die Diskussion auch nicht dominieren. «KI ist kein Ersatz für menschliche Arbeit. Sie ist ein Werkzeug, das uns neue Möglichkeiten eröffnet», erklärt die New Work-Expertin. Von einem rein technologischen Wandel könne daher nicht die Rede sein: «Wir befinden uns mitten in einem kulturellen Wandel. Wir haben die Chance, Arbeit im Kontext von KI mit dem Menschen im Zentrum neu zu denken.» Um das Potenzial von KI im Sinne von New Work zu nutzen, müssen Unternehmen KI-Werkzeuge richtig einsetzen.
Wie das funktionieren kann, erklärt Prof. Dr. Guido Schuster, Leiter des ICAI Interdisciplinary Center for Artificial Intelligence an der OST. «Auch wenn nicht alle von Anfang an begeistert sind, ist es wichtig, dass sich Arbeitgeber und Mitarbeiter auf KI-Werkzeuge einlassen», sagt Guido Schuster. Nur so könne man abschätzen, welche Werkzeuge für das eigene Unternehmen erfolgversprechend sind und welche nicht. Besonders wichtig ist es laut Guido Schuster, den Mitarbeitern Zeit zu geben, sich mit KI auseinanderzusetzen und den Umgang damit zu erlernen. Denn er ist überzeugt: «KI ersetzt keine Jobs, aber Menschen, die KI nutzen, übernehmen die Jobs von denen, die es nicht tun.»
Arbeitgeber und Mitarbeiter mit KI entlasten
Wenn Mitarbeiter neue Fähigkeiten erlernen, um ihre Arbeit mithilfe von KI effizienter zu machen, spricht man von «Upskilling». KI-unterstützte Lernsoftware kann den Upskilling-Prozess unterstützen. In einem Workshop im Rahmen des New Work Forums stellen Prof. Dr. Andreas Müller, Professor an der Hochschule Kempten, und Prof. Dr. Thomas Falter, Inhaber der develo GmbH, eine solche Software namens «growspace®» vor. «Die Software generiert mit KI personalisierte Lerninhalte und unterstützt Mitarbeiter nachhaltig in ihren spezifischen Jobrollen.» Das fördere deren individuelles Potenzial und entlaste Führungskräfte.
Eine Software zur Unterstützung von Unternehmen bietet auch die Abacus Umantis AG an. Das Unternehmen mit Sitz in St.Gallen sieht KI als «Gamechanger» für ihre HR-Software. «KI verändert bei Abacus Umantis die Interaktion von Anwender und Software grundlegend, indem die Intention des Endanwenders durch die Systeme verstanden und umgesetzt wird», zeigt Thierry Lutz, COO der Abacus Umantis AG, auf.
Qualitative Daten für mehr Vielfalt
KI-Anwendungen basieren auf sogenannten Trainingsdaten – anhand dieser lernt die KI, Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Hochwertige, diverse und faire Daten bilden die fundamentale Basis, damit KI Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Sexualität oder ethnischer Herkunft nicht verstärkt.
Damit es solche Daten von Frauen überhaupt gibt, hat die Ringier AG die Initiative «EqualVoice» lanciert. Ziel der Initiative ist es, Frauen in den Medien sichtbarer zu machen. Denn 82 Prozent aller Medienberichte weltweit handeln von Männern. «Kernstück der Initiative ist der EqualVoice-Factor, der mithilfe eines Algorithmus die Sichtbarkeit von Frauen in Text-, Bild- und Videoinhalten misst und so eine faktenbasierte Grundlage für eine ausgewogene Darstellung in den Medien liefert», erklärt Elsa Reichling, Projektleiterin der Initiative.
«KI kann in ihren Daten auch verborgene Muster erkennen und dadurch Chancengerechtigkeit fördern. Zugleich besteht jedoch das Risiko, dass sie bestehende Vorurteile und Stereotype in den Daten reproduziert und verstärkt», zeigen Sonja Angehrn, Dozentin für KI und Machine Learning, und Sara Juen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IGD Institut für Gender und Diversity der OST, auf. Am New Work Forum erläutern sie, dass es entscheidend sei, die Mitarbeiter zu sensibilisieren, um KI für Chancengerechtigkeit zu nutzen. Hier seien insbesondere die Führungskräfte in der Verantwortung.
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Neue Arbeitsformen sind gefragt
Für Führungskräfte kann es aber eine Herausforderung sein, ihre Arbeitsformen im Sinne von New Work neu zu denken und zu verändern. Saskia Hinger, Lead Strategist, und Fleur Praetorius, Design Strategist bei Studio Banana unterstützen Unternehmen dabei, neue Arbeitswelten zu gestalten. Während des Veränderungsprozesses werden die Unternehmen von Ruggero Crameri, Change Coach der CRATIV GmbH, begleitet. Gemeinsam finden sie heraus, wie die besten Verhältnisse geschaffen werden können, um die Veränderungen der neuen Arbeitswelt gewinnbringend zu nutzen. «Wir fördern Partizipation und schaffen den richtigen Rahmen, damit alle in der Organisation Teil einer kollektiven Lösung werden.»
Weg von der Führung hin zur Eigenverantwortung der Mitarbeiter – darum geht es, kurz gesagt, bei der Selbstorganisation eines Unternehmens. «Bei diesem Organisationsdesign wird im Sinne von New Work die Zusammenarbeit gefördert, Entscheidungswege werden verkürzt, Mitarbeiter erhalten mehr Verantwortung und Gestaltungsspielraum», erklärt Prof. Dr. Nicole Bischof, Professorin am IOL Institut für Organisation und Leadership der OST, den Workshop-Teilnehmern.
Verwaltung – mit oder ohne KI?
Mitarbeiter in der Verwaltung tragen beim Einsatz von generativer KI eine besondere Verantwortung, da sie mit besonders schützenswerten Daten wie Personendaten arbeiten. Paul Meyrat ist Berater Digitale Verwaltung der Stadt Zürich und erklärt am New Work Forum, dass dies kein Grund sei, KI in der Verwaltung zu verbieten: «Die Befähigung unserer Mitarbeiter mit KI-Skills ist sehr wichtig.»
Entsprechende Weiterbildungskurse seien gut besucht und einige Verwaltungseinheiten wie die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) sind laut Paul Meyrat bei der Nutzung von KI bereits weit fortgeschritten. Dies sei keine Selbstverständlichkeit für die Verwaltung, die traditionell eher träge in der Umsetzung sei. Für den künftigen Einsatz von KI in der Zürcher Stadtverwaltung zeigt er sich zuversichtlich und ist überzeugt: «KI verändert nicht nur die Arbeit, sondern auch die grundlegenden Prinzipien, wie Organisationen Arbeit definieren, gestalten und ermöglichen.»