St.Gallen

Wasser im Wandel: Zwischen Überfluss und Mangel am Weltwassertag

Wasser im Wandel: Zwischen Überfluss und Mangel am Weltwassertag
Das Symposium an der OST in Rapperswil begann mit einem gemeinsamen Eintauchen in den Zürichsee
Lesezeit: 5 Minuten

Am interdisziplinären Symposium der OST im Vorfeld des Weltwassertags (22. März) wurde deutlich: Die Wasserversorgung steht weltweit wie auch im Wasserschloss Schweiz zunehmend unter Druck. Klimawandel, Schadstoffe und strukturelle Herausforderungen verlangen entschlossenes Handeln für eine Zukunft mit Wassersicherheit. Vertreter aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft diskutierten in Rapperswil-Jona über Risiken, mögliche Lösungen und die Rolle von Partnerschaften.

Text: PD/stz.

Das Symposium begann ungewöhnlich: mit einem gemeinsamen Eintauchen in den Zürichsee. «Wir wollten eine unmittelbare Verbindung zum Wasser schaffen, bevor wir über Zahlen und Strategien sprechen», erklärte Veranstaltungsleiter Dorothee Spuhler. Der Schwumm symbolisierte das, worum es geht – Wasser als Lebensgrundlage dem Menschen näherbringen.

Tatsächlich zeigte sich im Verlauf der Tagung, dass Wasser zwar im Überfluss erscheinen mag, jedoch längst nicht immer verfügbar ist, wenn es gebraucht wird. «Wir verbrauchen in der Schweiz pro Person täglich rund 4200 Liter Wasser – das meiste davon indirekt durch Konsum von Produkten, deren Herstellung viel Wasser benötigt, oft in wasserarmen Regionen im globalen Süden stattfindet», erklärte André Podleisek, Nachhaltigkeitsverantwortlicher an der OST.

Dorothee Spuhler
Dorothee Spuhler

Wasser am falschen Ort zur falschen Zeit

Rolf Meier, Vizedirektor des SVGW (Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfachs), fasste die aktuelle Lage zusammen: «Klimawandel, Schadstoffeinträge und Infrastrukturmängel gefährden zunehmend die Wassersicherheit, auch im Wasserschloss Schweiz.» Zwar fallen jährlich 26 Kubikkilometer Niederschlag auf die Schweiz, und nur 1,5 Prozent davon werden als Trinkwasser genutzt.

Gleichzeitig verschwinden jedoch die natürlichen Wasserspeicher des Alpenraums: «Seit 1850 haben wir bereits zwei Drittel der Gletschermasse verloren. Bis 2100 könnten 90 Prozent unserer Gletscher weg sein», so Meier. Das hat Auswirkungen – von Gebirgen bis zu den Tieflandregionen. In längeren Trockenperioden droht Wassermangel. Gleichzeitig verursachen Starkniederschläge Verschmutzungen und Schäden. Die Folge: «Wasser gibt es entweder zu viel, zu wenig, zur falschen Zeit oder in schlechter Qualität.»

Ein wachsendes Problem sind sogenannte «Ewigkeitschemikalien» (PFAS), die mittlerweile weltweit nachgewiesen wurden – vom Amazonas bis in die Alpen. «Diese Stoffe lassen sich kaum entfernen. Deshalb ist es entscheidend, ihren Eintrag von Anfang an zu verhindern», betonte Meier.

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André Podleisek
André Podleisek

Was kostet Wasser – und was ist es uns wert?

«Eine Karaffe St.Galler Hahnenwasser kostet weniger als einen Viertel Rappen – und das ist noch teuer gerechnet», sagte Peter Jans, Stadtrat von St.Gallen, um eindrücklich zu belegen, dass die realen Kosten für Aufbereitung und Versorgung in keinem Verhältnis zum eigentlichen Wert stehen. Auch Fachleute schätzten den Preis einer Karaffe teilweise auf 5 Rappen.

Martin Kurt von der Wasserversorgung Rapperswil-Jona erinnerte an die immensen Leistungen, die notwendig sind, damit Trinkwasser zuverlässig aus dem Wasserhahn kommt: «Diese Selbstverständlichkeit wird erst dann sichtbar, wenn sie wegfällt.» Umso mehr freue es ihn, wenn etwa gemeinsam mit der OST oder Stiftungen Projekte zur Wasserversorgung in Ländern wie Liberia realisiert werden können, wo genügend sauberes Wasser bis heute ein permanentes Problem ist.

Auch Luca Eberle, Stadtrat von Rapperswil-Jona, betonte: «Ohne den See gäbe es unsere Stadt in dieser Form nicht. Wasser prägt unsere Identität – sei es durch Seebäder, Schifffahrt oder Lebensqualität.» Gleichzeitig erinnerte er daran, dass die Stadt auch lokale Wasser-Herausforderungen hat, wie sanierungsbedürftige Pumpwerke und Bäder.

Peter Jans
Peter Jans

Wasser, eine globale Ressource, die lokal genutzt wird

«Damit Wasser in Zukunft für alle Lebewesen auf der Erde in angemessener Menge und ausreichender Qualität zur Verfügung steht, sind aufgrund der dreifachen Umweltkrise – Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Wasserverschmutzung – besondere Anstrengungen auf globaler Ebene nötig», erklärt Daniel Maselli, Politikberater der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).

«Der Versuch, den globalen Wasserkreislauf als öffentliches Gut international anzuerkennen, könnte ein wichtiger Beitrag dazu sein. Allerdings müssten auf dem Weg dazu viele politische, wirtschaftliche und juristische Hindernisse überwunden werden. Ob die aktuelle Weltlage dies zulässt, muss leider bezweifelt werden. Bis dahin kann und muss jede Person und jede Organisation in Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten ihr Möglichstes im jeweiligen Wirkungsumfeld tun, um Wasser als unanfechtbar lebensnotwendige Ressource zu schützen und zu bewahren.»

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Lösungen sind umsetzungsfertig

In Workshops und Podiumsdiskussionen stand das Thema Partnerschaften im Mittelpunkt. Christina Mallin, Expertin für Klimaanpassung, unterstrich: «Wir investieren heute zu wenig in die Vorbereitung auf den Klimawandel – nicht nur in physische, sondern auch in gesellschaftliche Infrastrukturen.» Das Bewusstsein für Wassersicherheit müsse gestärkt werden.

Ernst Bromeis, Wasserbotschafter, appellierte: «Die Menschen sehen die Folgen – bröckelnde Berge, gefährdete Wälder, verschmutzte Flüsse. Aber wir handeln nicht entschlossen genug. Nach solchen Foren wie heute vergessen wir oft wieder, wie dringend es ist.»

Lukas Kircher, Direktor Agridea, erläutert, welche Rolle der Landwirtschaft zukommt: «Wir können den Wasserfussabdruck senken, wenn wir biologisch produzieren, den Anbau gegenüber der Tierhaltung unterstützen und das Gelände so bewirtschaften, dass Wasser im Boden und in der Vegetation gespeichert wird.»

«Für eine nachhaltige Planung der Wassernutzung brauchen wir Daten. Diese zur Verfügung zu stellen, ist eine der Aufgaben des Bundesamts für Umwelt», sagt Carlo Scapozza, Leiter der Abteilung Hydrologie, Bundesamt für Umwelt. Christian Stamm, Vizedirektor der Eawag, appelliert an die Wissenschaft: «Wir wussten schon vor 20 Jahren, dass Grundwasserreserven zurückgehen werden, aber offenbar haben wir es nicht geschafft, dass dieses Wissen auch in die Politik gelangt.»

Johannes Heeb, Vertreter der Privatwirtschaft und Co-Chair des Swiss Water Partnership, präsentiert Wasser als eine Chance für mehr Nachhaltigkeit: «Wenn man Unternehmen den Wert des Wassers in der Wertschöpfungskette aufzeigt, ist das oft ein Türöffner für andere Nachhaltigkeitsthemen.» Delphine Margara forderte gezielte Förderung des Nachwuchses: «Junge Menschen haben Zeit, aber wenig Ressourcen – Ältere haben Ressourcen, aber wenig Zeit. Wenn wir beides verbinden, entsteht Wirkung.» Auch mit kleinen Mitteln könnten junge Menschen viel bewegen – oft aus der Not heraus besonders kreativ und wirkungsvoll.

Karla Schlie lenkte den Blick auf globale Zusammenhänge: Viele Produkte, die wir täglich konsumieren, insbesondere Fleisch und Kleider, enthalten Wasser aus Regionen mit ohnehin knapper Versorgung, und weltweit haben viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und einer adäquaten Sanitärversorgung. «Wir haben hier eine globale Verantwortung. Durch internationale Partnerschaften, Zusammenarbeit und bewussteren Konsum können wir hier viel bewirken.»

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Wasserschloss mit Investitionsbedarf

Die Schweiz gilt zwar als «Wasserschloss Europas», doch das Bild trügt. Die Versorgung mit sauberem Wasser wird auch hier komplexer – sei es durch den Klimawandel, zunehmende Verschmutzung oder veraltete Infrastrukturen. Die gute Nachricht: Lösungen sind vorhanden. Technisch, politisch und gesellschaftlich.

«Schon vor über 2000 Jahren haben Menschen mit Aquädukten Wasser umgeleitet. Es ist also möglich, mit dem nötigen Willen und dem richtigen Wissen Wassersicherheit zu schaffen», sagte Christina Mallin. Entsprechend schloss Dorothee Spuhler die lebhaften Diskussionen: «Jetzt geht es darum, das Bewusstsein zu stärken, unsere bestehenden Netzwerke zu erweitern und gemeinsam an Massnahmen zu arbeiten – in der Schweiz und weltweit.»

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