«Wir wollen einen ausverkauften Kybunpark»
Am Freitag, 4. Juli 2025, wird das erste von drei EM-Spielen in St.Gallen angepfiffen. Die Stadt als Host City und der Kanton beteiligen sich mit einem Kostendach von max. 2,8 Millionen Franken gemeinsam an der Finanzierung der WEURO 25. Verantwortlich für die Organisation ist Roger Hegi, ein umfassender Kenner der in- und ausländischen Fussballszene und ehemaliger Spieler und Trainer des FC St.Gallen. Mit seiner besonderen Verbundenheit zum FC St.Gallen und seinem Wohnsitz in der Stadt sei Hegi die ideale Besetzung für diese wichtige Position, frohlockte die Stadt Ende September 2023 in einer Mitteilung. Hegis Stellvertreterin ist Céline Bradke, ehemalige Mittelfeldspielerin des FC St.Gallen 1879.
«Etwas Unvergessliches» schaffen»
Erklärtes Ziel der UEFA ist es, dass die WEURO 25 das erfolgreichste Frauen-Fussballturnier aller Zeiten wird. Noch erfolgreicher als die Frauen-Fussball-EM 2022 in England, die alle bisherigen Zuschauerrekorde gebrochen hat. Dieses Ziel verfolgt auch Céline Bradke: «Wir streben einen ausverkauften Kybunpark für unsere drei Gruppenspiele an. Nach dem Motto ‹mehr als 90 Minuten› wollen wir unsere wunderbare Stadt und Region sowie die gesamte Ostschweiz touristisch, wirtschaftlich, sportlich, kulturell und medial im besten Licht darstellen. Über das Jahr 2025 hinaus beabsichtigten wir, mit der WEURO etwas Unvergessliches zu schaffen und den Frauenfussball in unserer Region weiterzubringen.»
Vor allem Gastronomie und Hotellerie dürften profitieren
Auch beim Gewerbeverband ist man erfreut darüber, dass die Stadt St.Gallen als Host City drei EM-Spiele austragen darf. «Für die Gewerbler ist es sehr wertvoll, solche Events in der Stadt St.Gallen durchzuführen. Denn jede Veranstaltung und jeder Gast mehr sind Garanten für gute Verkaufszahlen in den Geschäften und den gastronomischen Einrichtungen», sagt Felix Keller, Geschäftsführer des Kantonalen Gewerbeverbands (KGV). Aus seiner Sicht dürften primär die Gastronomie, Hotellerie und deren Zulieferer von diesen Events profitieren. Doch nicht nur sie. «Geht es diesen Branchen gut, werden auch weitere Branchen gewinnen. Denn die Gewerbler treiben einander an», weiss Keller.
«Spannend dürfte es zweifellos werden, wenn einzelne Teams und Begleittrosse ihr Trainingscamp im Kanton St.Gallen aufschlagen sollten, wie dies die Rumänen anlässlich der EURO 2008 der Männer getan hatten», sagt Karin Jung, Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen. «In der Region Bad Ragaz wurden damals rund 4000 Übernachtungen von Gästen aus Rumänien registriert. Da im Kanton St.Gallen mindestens zwei Hotels mit der erforderlichen Infrastruktur und dem entsprechenden Know-how existieren, stehen die Chancen gut, dass wir Ähnliches erleben können.»
Für eine Beurteilung der wirtschaftlichen Chancen und Herausforderungen sei es aber noch zu früh, so Jung weiter, da viele relevant Faktoren noch gar nicht bekannt wären und es für St.Gallen als Host City einer Frauenfussball-Europameisterschaft noch keine Erfahrungswerte gäbe. «Letztlich liegt es an den Unternehmen selbst, entsprechende Potenziale auszuloten und diese für sich zu nutzen», so Jung.
Genaue Spielregeln bisher nicht bekannt
Dass das lokale Gewerbe nicht zu kurz kommt, dafür wollen auch die Verantwortlichen der Host City St.Gallen sorgen, auch wenn die Möglichkeiten diesbezüglich beschränkt sind, da die UEFA sämtliche Vermarktungsrechte exklusiv für sich beansprucht. «Die strengen Vorgaben der UEFA erstrecken sich hauptsächlich auf den Stadionperimeter und überall dort, wo es offizielle, von der UEFA ‹gebrandete› Zonen gibt», erklärt Céline Bradke. «In den anderen Bereichen sind wir weitgehend frei, wie wir das Rahmenprogramm gestalten, sodass das lokale Gewerbe, die Gastronomie, der Tourismus und der Handel auch einbezogen werden können.»
Die genauen «Spielregeln» seien aber momentan noch in der finalen Abstimmungsphase zwischen der UEFA und den Host Cities, sodass hierzu noch keine präziseren Aussagen möglich wären, so Bradke.
Ebenfalls noch keine präzisen Aussagen kann man bei der Shopping Arena machen, weil die Vorbereitungen auf diesen Anlass erst Ende Februar beginnen. Es ist aber anzunehmen, dass die Shopping Arena als direkte Nachbarin des Stadions ebenfalls wirtschaftlich davon profitieren wird.
«Es wird an nichts fehlen»
Gross ist die Freude natürlich auch bei der Stadion St.Gallen AG, die der UEFA den Kybunpark für drei Gruppenspiele zur Verfügung stellt. «Die Tatsache, dass wir einer der Gastgeber der Europameisterschaft 2025 sein dürfen, erfüllt uns mit Freude und Stolz. Wir sind uns sicher, dass es den Teams in St.Gallen an nichts fehlen wird», sagt Ivo Forster, CEO der FC St.Gallen Event AG. Da die UEFA sämtliche Vermarktungsrechte exklusiv für sich beansprucht, profitiere man vorwiegend von den Stadioneinnahmen sowie aus den Erträgen aus dem Catering, so Forster.
Der Standort St.Gallen gelte dank seiner erstklassigen Infrastruktur bereits heute als attraktiver Austragungsort für bedeutende Spiele und als ideales Umfeld für Trainingslager, das unter anderem gerne von Clubs wie Villareal oder Valencia aus Spanien genutzt wird. Und auch die Schweizer Nationalmannschaft der Herren sowie die der Frauen waren für Camps und Testspiele bereits im Kybunpark zu Gast. «Die bevorstehende Europameisterschaft 2025 bietet uns eine weitere herausragende Gelegenheit, unseren tollen Standort in der Fussballwelt zu etablieren», ist Ivo Forster überzeugt.
Auch interessant
Gut für das Selbstbewusstsein
Trotz der eben erwähnten Nati-Testspiele im Kybunpark und den Trainingslagern von weltbekannten Top-Clubs sind internationale Sport-Grossereignisse in St.Gallen bislang rar. «Umso wichtiger ist es, dass wir Teil der EURO 2025 sind», sagt Sportvermarkter Hans-Willy Brockes, Geschäftsführer der ESB Marketing Netzwerk AG. «Am wichtigsten ist das für das Selbstbewusstsein der Stadt und der Region. Und vielleicht ist es eine Initialzündung dafür, dass wir versuchen, mehr internationale Topereignisse nach St.Gallen zu holen und damit eine positive Entwicklung anzustossen: Städte und Regionen, die regelmässig durch sportliche Grossereignisse auffallen, profitieren von zusätzlichem Tourismus und regionaler Reputation», so Brockes.
Das Wichtigste sei die Willkommenskultur, ist Sportvermarktungsexperte Brockes überzeugt. «Alles, was wir in der Ostschweiz tun, um als gastfreundlich wahrgenommen zu werden, nutzt der Region wirtschaftlich.» Kurzfristig werde der wirtschaftliche Effekt allerdings gering sein. «Aber die Gratiswerbung, die durch die internationalen Medien stattfindet, ist entscheidend», erklärt Brockes, der als gutes Beispiel dafür Bregenz erwähnt:
«Auf der Seebühne hat 2008 das deutsche ZDF seine EURO-Berichterstattung gemacht. Spiele fanden dort nicht statt. Dennoch pilgern bis heute deutsche Gäste nach Bregenz, um die Seebühne, auf der Jürgen Klopp kommentiert hat, zu sehen. Ich bin gespannt, welcher Nation St.Gallen ‹Heimatgefühle› gibt!»
So geht es nun weiter
Das «WEURO-Team» der Host City St.Gallen beginnt in Kürze mit der Erarbeitung eines Konzepts. Ein erster Entwurf soll der UEFA im April 2024 vorgelegt werden. «Es geht darin um erste Angaben zu den Themen Organisation, Vermarktung, Mobilität und Sicherheit», erklärt Céline Bradke.
Eine verfeinerte Version, angereichert mit Massnahmen zur Sportförderung, zur Nachhaltigkeit und zum Fanerlebnis, wird dann bis Oktober 2024 eingereicht. Und nach der Gruppenauslosung am 16. Dezember 2024 wird die finale Version erstellt. Die Host Cities tauschen sich zudem auch regelmässig aus und veranstalten Workshops. «Damit die Women's EURO 2025 ein voller Erfolg wird», so Bradke.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: zVg