«Die Schweiz fliegt unter dem Washingtoner Radar»

Stefan Legge, Donald Trump ist wieder US-Präsident und droht mit neuen Zöllen auf Importe, insbesondere aus China und Europa. Welche Auswirkungen könnten diese Massnahmen auf die exportorientierte Ostschweizer Wirtschaft haben?
Jeder achte Franken im Ostschweizer Export kommt aus den USA. Das zeigt, wie bedeutend dieser Markt für die hiesige Wirtschaft ist. Sollte Washington höhere Importzölle auf Schweizer Produkte einführen, müssten Unternehmen prüfen, ob sie diese Mehrkosten an ihre Kunden weitergeben können. Besonders betroffen wären Branchen mit hohem Exportanteil, wie Maschinenbau oder Medizintechnik. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Donald Trump sich primär auf China und die EU konzentriert. Das könnte für die Ostschweiz indirekte Folgen haben – etwa durch politische Gegenreaktionen oder verschobene Handelsströme.
Die USA erwägen Importzölle von bis zu 60 Prozent auf chinesische Produkte. Wie könnte dies Ostschweizer Unternehmen mit Verbindungen nach China betreffen?
Falls chinesische Exporteure durch die hohen Zölle weniger Waren in die USA verkaufen können, werden sie nach alternativen Märkten suchen – auch in Europa und der Schweiz. Das bedeutet verstärkten Wettbewerb, könnte aber auch Chancen eröffnen, wenn Unternehmen beispielsweise von günstigeren Vorprodukten aus China profitieren. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass die bilateralen Handelsbeziehungen Schweiz–China unter Druck geraten, falls die Schweiz als Ausweichstandort für chinesische Exporte stärker ins Blickfeld Washingtons rückt.
In Trumps erster Amtszeit geriet die Schweiz wegen ihrer Handelsbilanzüberschüsse bereits in den Fokus. Ist es wahrscheinlich, dass Schweizer Unternehmen erneut mit Massnahmen konfrontiert werden?
Die Schweiz fliegt weitgehend unter dem Radar in Washington, was angesichts der Unberechenbarkeit des Weissen Hauses ein Vorteil sein kann. Zwar gibt es weiterhin ein Handelsdefizit der USA gegenüber der Schweiz, doch mit dem Abbau der Industriezölle ist es schwieriger geworden, uns unfairen Handel vorzuwerfen. Dennoch bleibt der Wechselkurs ein heikles Thema: Sollte die Schweiz den Franken gezielt schwächen, könnte dies erneut Vorwürfe der Währungsmanipulation nach sich ziehen – mit möglichen wirtschaftspolitischen Gegenmassnahmen.
«Jeder achte Exportfranken der Ostschweiz kommt aus den USA.»
Donald Trump setzt auf eine aggressive Wirtschaftspolitik und könnte erneut Druck auf die Federal Reserve ausüben. Wie beeinflusst das die Ostschweizer Wirtschaft?
Trump hat sich mehrfach kritisch zur Geldpolitik der US-Notenbank geäussert und könnte versuchen, eine Lockerung zu erzwingen, um den Dollar zu schwächen. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit Ostschweizer Exporteure verbessern. Doch paradoxerweise stärken seine Importzölle den Dollar, weil sie die Handelsbilanz der USA entlasten. Für die Ostschweizer Wirtschaft wäre ein schwächerer Franken kurzfristig positiv, aber eine anhaltende Währungsinstabilität könnte längerfristig neue Herausforderungen mit sich bringen.
Wie gefährlich ist Trumps Protektionismus für die Maschinen-, Präzisions- und Medizintechnikbranche der Ostschweiz?
Das hängt stark von der jeweiligen Branche und den Produkten ab. Einige Unternehmen können Zölle an ihre Kunden weitergeben, andere müssen mit Margenverlusten rechnen. Besonders problematisch wäre es, wenn Donald Trumps Protektionismus Nachahmer in anderen Ländern findet. Die gute Nachricht: Die meisten Volkswirtschaften sehen weiterhin Vorteile in globalen Handelsbeziehungen, sodass eine weltweite protektionistische Welle derzeit unwahrscheinlich scheint.
Trump droht mit Zöllen auf europäische Autos und Maschinen. Sind Ostschweizer Unternehmen direkt betroffen?
Die Schweiz exportiert kaum Autos, aber viele Ostschweizer Zulieferer hängen von der deutschen Automobilindustrie ab. Diese leidet ohnehin unter strukturellen Problemen, und neue US-Zölle auf europäische Fahrzeuge würden die Situation weiter verschärfen. Auch Maschinenbauer könnten betroffen sein, wenn europäische Firmen aufgrund neuer Zölle die Produktion verlagern und weniger Vorleistungen aus der Schweiz beziehen. Solche Massnahmen kämen für viele Unternehmen zur Unzeit.
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«Viele Unternehmen können Zölle nicht einfach an ihre Kunden weitergeben.»
Was können Ostschweizer Unternehmen tun, um sich gegen die Risiken von Trumps neuer Handelspolitik abzusichern?
Die grösste Herausforderung ist die Unsicherheit. Unternehmen sollten verschiedene Szenarien durchspielen und ihre Strategien entsprechend anpassen. Dazu gehören etwa Diversifizierung der Absatzmärkte, Absicherung von Währungsrisiken und Investitionen in Innovationen, um ihre Preissetzungsmacht zu stärken. Das Gute ist: Auch viele ausländische Konkurrenten sind von Trumps Politik betroffen, was den Wettbewerb relativiert.
Die EU erwägt Schutzmassnahmen gegen US-Strafzölle. Könnte dies zu einer Eskalation führen, die auch die Ostschweizer Wirtschaft trifft?
Die EU befindet sich wirtschaftlich in einer schwierigen Lage und ist nicht an einem Handelskonflikt mit den USA interessiert. Dennoch muss sie sich wehren, wenn Trump mit einseitigen Massnahmen den Wettbewerb verzerrt. Falls es zu Vergeltungszöllen kommt, könnten Ostschweizer Unternehmen von gestörten Lieferketten oder sinkender Investitionsbereitschaft betroffen sein. Hier gilt es, wirtschaftliche Entwicklungen genau zu beobachten und flexibel zu reagieren.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer