Gast-Kommentar

Wenn der CEO auf den HR-Chef neidisch wird

Wenn der CEO auf den HR-Chef neidisch wird
Paul Beerli ist Verwaltungsrat der Beerligroup AG aus Niederteufen
Lesezeit: 3 Minuten

In vielen Unternehmen wird die Personalabteilung oft als reine Verwaltungsinstanz betrachtet. Doch was passiert, wenn HR nicht nur intern, sondern auch strategisch agiert und durch innovative Lösungen den Geschäftserfolg massgeblich beeinflusst? Ein Praxisbericht zeigt, wie HR-Profis durch tiefes Verständnis für das operative Geschäft zum unverzichtbaren Partner der Führungsetage werden – und damit sogar den Neid des CEO wecken können.

Text: Paul Beerli

In einem Ostschweizer Unternehmen herrscht Aufbruchstimmung, doch nicht im positiven Sinne: Die Verkaufszahlen stagnieren, in einigen Märkten sind sie sogar rückläufig. Der Druck auf die Kosten wächst, und die Prognosen für die nächsten zwei Geschäftsjahre sehen düster aus – zweistellige Verluste beim Jahresergebnis scheinen unausweichlich.

Inmitten dieser angespannten Situation tritt die Personalabteilung auf den Plan. Sie präsentiert dem CEO einen umfangreichen Umsetzungsplan zur Verbesserung der EBIT-Margen für alle Geschäftsbereiche. Überraschend daran ist, dass dieser Plan nicht extern erarbeitet wurde, sondern das Resultat eines zweitägigen internen Workshops ist, an dem alle HR Business Partner der vier Produktbereiche sowie der Personalchef selbst beteiligt waren.

Der CEO ist sichtlich beeindruckt von der professionellen und durchdachten Herangehensweise der HR-Abteilung und teilt den Vorschlag sofort mit dem Verwaltungsrat. Drei Wochen später ist es offiziell: Der Verwaltungsrat gibt nicht nur grünes Licht für das Projekt, sondern ernennt den Personalchef sogar zum Gesamtprojektleiter des Umsetzungsprojektes. In diesem Moment könnte man sagen, der CEO verspürt eine Art leisen Neid gegenüber seinem Personalchef.

Leider handelt es sich bei diesem Praxisbericht um ein fiktives Beispiel.

Wie sieht die Realität aus? Jahrzehntelang wurden HR-Fachleute in vielen Unternehmen lediglich als Verwaltungsorgane gesehen. Ihre Hauptaufgaben bestanden darin, Gehälter abzuwickeln, Arbeitszeiten zu erfassen und hier und da vielleicht noch einige administrative Aufgaben zu übernehmen. Ihre Rolle beschränkte sich oft auf die interne Dienstleistungsebene, weit weg von der strategischen Bedeutung, die sie sich oft wünschten.

Immer wieder pochten HR-Leiter auf ihre Aufnahme in die Geschäftsleitung, doch nur wenige erreichten dieses Ziel. Manche begnügten sich damit, als Mitglied der erweiterten Konzernleitung geführt zu werden – eine Position, die auf dem Papier zwar prestigeträchtig wirkte, in der Praxis jedoch oft ohne echten Einfluss war.

Mit dem Wandel der Unternehmenswelt hin zu einer stärkeren Fokussierung auf Mitarbeiterführung und -entwicklung änderte sich auch die Rolle der HR-Abteilungen. In Grossunternehmen wurden aus «HR-Fachleuten» zunehmend «HR Business Partner», was den Anschein erwecken sollte, dass diese Experten auf Augenhöhe mit den Divisionsleitern agierten und ein tiefes Verständnis für das operative Geschäft besassen. In der Realität jedoch blieb diese Bezeichnung oft nichts weiter als ein Feigenblatt. Viele dieser HR Business Partner hatten die Aufgabe, HR-Guidelines zu überwachen und die Einhaltung der internen Richtlinien sicherzustellen. Ein bisschen wie ein Compliance Officer, aber eben immer noch weit entfernt von einem echten Partner auf Augenhöhe mit den Führungskräften im Business.

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Doch was braucht es, um als HR-Verantwortlicher wirklich als Business Partner ernst genommen zu werden?

Die Antwort liegt auf der Hand: Ein tiefes und aufrichtiges Interesse an den Kernbereichen des Unternehmens, also an Produkten, Märkten, Finanzen, Technik, Supply Chain Management und Vertrieb. Nur wer sich in diese Themen aktiv einarbeitet, kann letztlich auch in strategische Entscheidungsprozesse eingebunden werden – und, was fast noch wichtiger ist, ernst genommen werden. Dass dabei gleichzeitig die Belange der Mitarbeiter berücksichtigt und die Auswirkungen von Veränderungen auf die Belegschaft mitbedacht werden, versteht sich von selbst. Doch das alleine reicht eben nicht aus.

Die meisten HR-Verantwortlichen haben meiner Meinung nach noch einen weiten Weg vor sich, um diesen Status als echter Business Partner zu erlangen. Denn Hand aufs Herz: Kennen Sie einen HR Business Partner, der bereit wäre, für sechs Monate in der Produktion zu arbeiten, um die Abläufe vor Ort wirklich zu verstehen? Oder einen HR-Verantwortlichen, der den Head of Sales zu Akquisitionsgesprächen begleitet, um aus erster Hand zu erfahren, was der Markt verlangt? Wie oft hört man von HR-Leuten, die mit dem CFO an wichtigen Bankverhandlungen teilnehmen, um hautnah mitzuerleben, was bei der Aushandlung neuer Kreditlinien auf dem Spiel steht?

Wer als HR-Experte die strategische Anerkennung sucht, die man sich oft wünscht, muss sich über die rein personalbezogenen Themen hinaus in die operativen und finanziellen Realitäten des Unternehmens einarbeiten. Nur so kann er wirklich als Partner auf Augenhöhe agieren und das Vertrauen der Unternehmensführung gewinnen – und vielleicht am Ende sogar ein wenig Neid beim CEO wecken.

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