Patron, Politiker und prägende Figur

Geboren wurde Edgar Oehler am 2. März 1942 in Balgach. Nach seiner Schulzeit absolvierte er die Kantonsschule in St.Gallen, wo er 1962 die Matura erlangte. Anschliessend leistete er seinen Militärdienst und stieg bis zum Leutnant auf.
Ab 1963 studierte Oehler an der HSG Staatswissenschaften mit Schwerpunkt auf öffentliches Recht. Er entschied sich für den konsular-diplomatischen Lehrgang und setzte seine akademische Ausbildung an der Universität Zürich sowie an der Christian University Tokyo fort. Im Jahr 1975 promovierte er erfolgreich.
Vom Gipsergeschäft zur Industriegruppe
Bereits während seines Studiums zeigte sich sein Unternehmergeist: Edgar Oehler gründete ein eigenes Gipsergeschäft in Balgach und sammelte erste unternehmerische Erfahrungen. Parallel dazu war er als Journalist und später Chefredaktor für die Tageszeitung «Die Ostschweiz» tätig.
1985 trat Oehler als Generaldirektor in die Arbonia-Forster-Gruppe ein. 2003 übernahm er die Mehrheit der Aktien des Arboner Bauzulieferers und wurde Verwaltungsratspräsident sowie CEO. Unter seiner Führung expandierte die AFG stark, kaufte zahlreiche Firmen und diversifizierte ihr Geschäftsfeld.
Michael Götte erinnert sich an diese Zeit: «1999 engagierte mich Edgar Oehler für ein temporäres Projekt. Dabei interessierte er sich nicht für meine formellen Qualifikationen. Vielmehr fragte er mich, ‹ob ich schaffen kann›. Nach meinem USA-Aufenthalt ging es im gleichen hemdsärmeligen Stil weiter: Ohne grosse Diskussionen setzte er mich zugunsten von Hartchrom Frankreich ein.»
Sein Führungsstil war von strategischer Weitsicht, aber auch von risikoreichen Entscheidungen geprägt. Kritiker warfen Oehler gelegentlich vor, autoritär zu sein, doch selbst sie mussten anerkennen, dass sein wirtschaftlicher Erfolg und sein politisches Wirken die Schweiz mitgestaltet haben. Michael Götte: «Edgar Oehler war ein Patron alter Schule. Er hat von seinen Mitarbeitern viel verlangt. Dies war aber für mich kein Problem. Denn er hat vorgelebt, was er von anderen erwartete: Gab es eine Nachtschicht, war auch er bis zum Schluss dabei.»
«Bereits während seines Studiums zeigte sich sein Unternehmergeist.»
Oehler studierte unter anderem in Japan und war geschäftlich viel in China unterwegs. «Er kümmerte sich persönlich um seine Niederlassung in China. Das führte dazu, dass er in gewissen Phasen den geschäftlichen Einsatz fast mehr auf China fokussiert. Diese lag Edgar Oehler immer sehr am Herzen», erinnert sich Götte.
Auf dem Höhepunkt 2008 beschäftigte die AFG rund 6000 Mitarbeiter und machte einen Umsatz von 1,2 Milliarden Franken. Doch die Finanzkrise 2008/09 setzte dem Unternehmen zu; unter Druck der Banken musste Oehler seine Stimmenmehrheit abgeben.
In den Folgejahren wurden Vorwürfe laut, wonach er «zulasten des Unternehmens private Vorteile» gezogen habe. Es kam zu einer Rückzahlung von 2,4 Millionen Franken; 2011 trat Oehler als Verwaltungsratspräsident zurück. Bis 2014 blieb er Verwaltungsratsmitglied, ehe er sich aus der AFG zurückzog.
Nach seinem Ausstieg bei der AFG kaufte Edgar Oehler 2014 die STI Hartchrom AG zurück – ein Unternehmen, das er zuvor an die AFG verkauft hatte. Unter seiner Leitung baute
er die Firma erneut auf und führte sie erfolgreich weiter. 2023 zog sich der Patron mit 81 Jahren als Geschäftsführer zurück und übergab die Leitung an seine Tochter Andrea.
«Kalif von Bagdad» und Sportförderer
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit war Edgar Oehler auch politisch aktiv: Von 1971 bis 1995 vertrat er die CVP (heute: Die Mitte) im Nationalrat und war Mitglied in mehreren wirtschafts- und finanzpolitischen Kommissionen. Als Präsident des Verbands Schweizerischer Zigarettenindustrie (1991–2004) war der Nichtraucher zudem ein einflussreicher Lobbyist der Tabakbranche.
Der Rheintaler hat Michael Götte auch politisch gefördert – und trotzdem ist Götte in der SVP gelandet und nicht wie Oehler in der CVP. «Ja, er war ein überzeugter CVPler. Gleichzeitig aber ging es ihm immer um die Sache. Dazu gehörte auch der Wettbewerb um die bessere Idee und die bessere Lösung. Edgar Oehler förderte mich als Person und nicht als Parteisoldat.»
Internationale Bekanntheit erlangte Oehler 1990, als er eine Schweizer Delegation in den Irak führte, um mit Diktator Saddam Hussein über die Freilassung mehrerer Schweizer Geiseln zu verhandeln. Sein diplomatisches Geschick trug dazu bei, dass die Geiseln freikamen – ein Erfolg, der ihm den Spitznamen «Kalif von Bagdad» einbrachte.
Oehler war in der Ostschweiz nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Sportförderer bekannt: Er unterstützte den FC St.Gallen 1879 als Investor und Sponsor. Die 2008 eröffnete AFG-Arena (heute Kybunpark) trug seinen Firmennamen. «Seine Entscheidung, die Namensrechte für das neue Fussballstadion in St.Gallen zu erwerben, war spontan», erinnert sich Michael Götte. «Dies teilte er den Partnern am 24. Dezember 2005 kurz vor dem Heiligen Abend mit.»
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«Sein Führungsstil war fordernd, seine Entscheidungen oft kompromisslos.»
Oberst, Multimillionär und Familienvater
Edgar Oehler war mit Marianne Oehler-Metzler verheiratet und Vater von vier Töchtern, die er aus Sri Lanka adoptierte. Seine militärische Karriere führte den Balgacher bis zum Oberst der Schweizer Armee. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schätzte sein Vermögen 2020 auf 275 Millionen Franken.
Oehler war charismatisch, direkt und nicht immer einfach im Umgang. Sein Führungsstil war fordernd, seine Entscheidungen oft kompromisslos. Doch genau das machte ihn aus: Er war jemand, der Verantwortung übernahm, klare Kante zeigte und sich nicht von Widerständen aufhalten liess.
In den vergangenen Jahren ging es Oehler nicht mehr so gut; vor ungefähr fünf Jahren machten sich gesundheitliche Einschränkungen immer mehr bemerkbar. «Sein Zustand verschlechterte sich zusehends», so Michael Götte, der dem Patron auch in seinen letzten Jahren immer nahegestanden hat.
Mit seinem Tod verliert die Ostschweiz eine ihrer prägendsten Figuren. Edgar Oehler war mehr als ein Unternehmer – er war Visionär, Patron und Kämpfer für wirtschaftliche Stärke. Sein Name bleibt untrennbar mit der AFG, der Geiselfreilassung von 1990 und dem FC St.Gallen 1879 verbunden.
Text: Stephan Ziegler
Bild: who-s-who.ch