Ostschweiz

«Eine wachsende Bevölkerung ist eine Herausforderung, eine schrumpfende ein Problem»

«Eine wachsende Bevölkerung ist eine Herausforderung, eine schrumpfende ein Problem»
Alice Hollenstein
Lesezeit: 3 Minuten

Ohne Personenfreizügigkeit geht es nicht, sie ist das tauglichste Steuerungsinstrument für die Zuwanderung. Wegen der anstehenden Pensionierungswelle wird die Ostschweizer Wirtschaft zukünftig noch stärker auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sein. Gleichzeitig gilt es, die Herausforderungen des Bevölkerungswachstums gezielt anzugehen. So lautet das Fazit am Konjunkturforum Zukunft Ostschweiz 2024 mit rund 1'000 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Text: PD/stz.

«Die Zuwanderung wird heute intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert, sie beschäftigt die Menschen. Das müssen wir ernst nehmen», so IHK-Präsidentin Andrea Berlinger Schwyter eingangs der Veranstaltung. «Gleichzeitig ist unsere wirtschaftliche Erfolgsgeschichte eng mit der Zuwanderung verwoben. Das wird sich in Zukunft kaum ändern, denn unsere Unternehmen bleiben auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen.»

Das Konjunkturforum «Zukunft Ostschweiz» der Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank (SGKB) mit rund 1'000 Gästen widmete sich dieses Jahr der Arbeitsmigration.

Andrea Berlinger Schwyter
Andrea Berlinger Schwyter

Personenfreizügigkeit von grösster Bedeutung

Salome Zeintl, Geschäftsleitungsmitglied der Zeintra AG, Nicolas Härtsch, CEO der Varioprint AG, und KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm diskutierten im anschliessenden Podium die Chancen und Herausforderungen der Zuwanderung.

Mehrfach betont wurde dabei die Bedeutung der Personenfreizügigkeit mit der EU. Diese stelle eine unbürokratische, arbeitsmarktorientierte Zuwanderung sicher. Das sei ein entscheidender Vorteil für die Ostschweizer Wirtschaft: Nach wie vor bleibt der Arbeitskräftemangel eine Hauptsorge der hiesigen Unternehmen.

So hob etwa Salome Zeintl die Wichtigkeit eines unbürokratischen Zugangs zu ausländischen Arbeitskräften hervor: «Als Vertreterin der vierten Generation unseres Familienunternehmens möchte ich weiterhin in der Schweiz produzieren. Das wäre ohne ausländische Arbeitskräfte kaum noch möglich.»

Markus Bänziger
Markus Bänziger

Gesellschaftliche Herausforderungen gezielt und rasch angehen

Kehrseiten der Arbeitsmigration wurden vor allem im Bevölkerungswachstum verortet. Knapper Wohnraum und überlastete Verkehrsinfrastruktur sind wesentliche Herausforderungen unserer Zeit. Die Zuwanderung ist dafür nicht der alleinige Treiber, doch sie verschärft diese.

Ob und wie das zu Dichtestress führt, erklärte Alice Hollenstein, Gründerin der Urban Psychology GmbH: «Wir sind uns vielleicht nicht bis ins letzte Detail einig, was guter Lebensraum ist. Doch das Wohlbefinden der Menschen hängt nicht von weniger Menschen, sondern von gut organisierter Dichte ab.» Damit sprach sie zahlreiche Lösungsansätze an, welche in der Städteplanung zur Reduktion von Dichtestress vorhanden sind.

Genau eine solche breite Palette an Massnahmen werde notwendig sein, um die gesellschaftlichen Herausforderungen des Bevölkerungswachstums anzugehen, folgerte daraus IHK-Direktor Markus Bänziger. Klar sei aber auch: Die Schweiz ist attraktiv. Das schaffe Chancen für eine Zukunft, in der westliche Gesellschaften aufgrund der demografischen Alterung vor weitreichenden Umwälzungen stehen. «Bevölkerungswachstum ist eine Herausforderung, eine schrumpfende Gesellschaft ein Problem», fasste Markus Bänziger zusammen.

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Jan-Egbert Sturm
Jan-Egbert Sturm

Wirtschaftliche Erholung lässt auf sich warten

Traditionsgemäss widmete sich «Zukunft Ostschweiz» auch der konjunkturellen Entwicklung. Das globale Umfeld bleibt für die Ostschweizer Wirtschaft herausfordernd, eine schwache Nachfrage aus dem Ausland und speziell aus Deutschland drückt auf die hiesigen Exporte. «Es läuft sicher nicht so rund, wie wir das gerne hätten, doch ist die Lage auch nicht vergleichbar mit den Krisen vergangener Jahre», so KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm. Insgesamt lasse eine spürbare Erholung aber nach wie vor auf sich warten.

«Bei den Kunden beobachte ich aktuell zwei Welten: Während es exportorientierte Unternehmen schwierig haben, läuft es in der Binnenwirtschaft besser», ergänzte dazu Thomas Stucki, Leiter des Investment Centers der SGKB, am anschliessenden Podium.

Optimismus versprühte derweil Fabian Chiozza, Finanzchef des Haager Vakuumventilherstellers VAT: «Als Frühzykliker sehen wir einen Silberstreifen am Horizont. Die Aufträge ziehen wieder an.»

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