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Kundennähe als Schlüssel-Erfolgsfaktor

Kundennähe als Schlüssel-Erfolgsfaktor
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Es wird wieder Licht in der Ostschweizer MEM-Branche: Während einige Betriebe noch über gestiegene Energiekosten und Einkaufspreise für Material klagen, freuen sich andere über zunehmend kürzer werdende Lieferfristen und intakte Lieferketten. Ulf Heule von der Heule Werkzeuge AG aus Balgach, Ivo Högg von der Högg AG Produktionstechnik aus Wattwil und Pirmin Helbling von der Kindlimann AG aus Tägerschen ordnen ein.

Wie die steigenden Energie- und Einkaufspreise Produktionskosten, Preisgestaltung und Gewinnmargen in ihrer Firma beeinflusst haben, wollte der LEADER von den MEM-Kapitänen wissen. «Glücklicherweise hat dies nur einen geringen Einfluss auf unsere Produkte, da Material und Energie nur kleine Bestandteile unserer Kalkulation sind», sagt Heule-CEO Ulf Heule. Als Unternehmung mit grossem Exportanteil spüre er hingegen die Währungssituation mit dem starken Franken. «Steigenden Kosten versuchen wir möglichst abzufangen», sagt Högg-Inhaber Ivo Högg. Dies mit konstruktiven Anpassungen, Optimierungen in der Planung und Fertigung, Verhandlungen mit Lieferanten oder wenn nötig – und als letzten Schritt – «mit Anpassungen in der Lieferkette».

In den vergangenen zwei Jahren hätte es aber auch Preissteigerungen gegeben, die Högg an ihre Kunden weitergeben musste. Höhere Kosten schmerzten jeden Produzenten, seien aber zugleich Treiber für Innovationen, kann der Kindlimann-GL-Vorsitzende Pirmin Helbling der aktuellen Situation etwas Positives abgewinnen. Dank der im internationalen Vergleich geringeren Inflation konnte Kindlimann die Wettbewerbsfähigkeit beibehalten.

«Der Trend geht seit Jahren in automatisierte, ‹mannarme› Produktion von kleineren Losgrössen.»

Und wie wollen die Ostschweizer MEM-KMU diese Kostensteigerungen kompensieren?

«Mit Investitionen in die Automatisierung einfacher Tätigkeiten sowie eine gesunde und faire Unternehmenskultur mit flexiblen, engagierten Mitarbeitenden», bringt es Pirmin Helbling auf den Punkt. Ulf Heule gibt ein Beispiel: «Im Sommer 2023 durften wir eine eigene Photovoltaikanlage in Betrieb nehmen, die bis zu 16 Prozent unseres Strombedarfs deckt.» Diese Anlage auf dem Heule-Firmengebäude mit beinahe null CO₂-Ausstoss ist die grösste Solaranlage in Balgach. Als Produktionspartner der Industrie seien sie fortlaufend gezwungen, ihre Effizienz zu steigern, um steigende Kosten zu kompensieren, sagt auch Ivo Högg. «Das ist für uns seit jeher Alltag, nicht nur in letzter Zeit.»

Der anhaltende Konflikt in der Ukraine dürfte aber Lieferketten und Geschäftsbeziehungen, insbesondere im Hinblick auf Materialbeschaffung und Exportmärkte, beeinflussen, oder? Jein, sagt Ivo Högg: «Als der Krieg vor zwei Jahren begonnen hatte, war die Lage unübersichtlich. Aktuell hat sich die Situation normalisiert und stellt bezogen auf die Materialbeschaffung kein Problem mehr dar.»

So sieht es auch Pirmin Helbling: «Aktuell haben wir keine Probleme in der Materialbeschaffung – und die Logistikketten funktionieren.» Jedoch sei Kindlimann, wie andere Betriebe auch, aufgrund des Konflikts indirekt durch negative Geschäftsentwicklungen bei einzelnen Kunden beeinflusst. Auch Ulf Heule dämpft allzu hohe Erwartungen: «Wir spüren die zahlreichen Unsicherheiten in der Weltwirtschaft insbesondere in der Zurückhaltung hinsichtlich Investitionen.»

NdOF 2024  Gottlieber Hüppen  
Ulf Heule, Pirmin Helbling, Ivo Högg
Ulf Heule, Pirmin Helbling, Ivo Högg

Gibt es, dank steigender Investitionen in Rüstungsgüter, vielleicht gar eine «positive» Seite des Krieges?

Während die Rüstungsindustrie keinen Einfluss auf das Geschäftsmodell der Stahlhändlerin Kindlimann AG hat, schätzt Ivo Högg, dass die Rüstungsgüterindustrie «langfristig sicherlich von den diversen Konflikten ‹profitieren›» werde, ebenso wie Ulf Heule: «Es ist gut denkbar, dass gewisse Branchen durch die Entwicklungen im Rüstungsbereich einen Aufschwung verzeichnen. Wir spüren aber bisher nicht viel davon.»

Und wie reagieren unsere MEM-Unternehmen auf solche geopolitische Unsicherheit? Haben sie wegen vielleicht Notfallpläne entwickelt, um auf schnelle Veränderungen in der politischen Landschaft reagieren zu können? Nein, sagt Ulf Heule, und begründet: «Wir sind eine global tätige Unternehmung, weshalb der Einfluss einzelner Konfliktherde auf uns eher gering ist.» Der Krieg in der Ukraine tangiere Heule deshalb nur wenig; sollte allerdings der Taiwan-Konflikt eskalieren, hätte das «mit höchster Wahrscheinlichkeit grössere Auswirkungen auf uns», da Heule auch in China mit einer Tochtergesellschaft vertreten ist.

Auch Ivo Högg sieht die aktuelle Situation eher entspannt: «Eines unserer wichtigsten Merkmale ist, dass wir uns schnell und agil auf neue Situationen einstellen können. Als Fertigungspartner für verschiedenste Branchen sind wir uns solche wirtschaftlichen, politischen oder technologischen Veränderungen gewohnt.» Högg sei aber immer wieder froh darüber, dass sie als Fertigungspartner ein «sehr diverses Kundenportfolio» beliefern dürfen. Und Pirmin Helbling betont die Wichtigkeit von aktuellen Informationen: «Als Teil eines global tätigen Familienunternehmens beurteilen wir die Situationen laufend, um rasch bestmöglich auf Unsicherheiten reagieren zu können.»

Innovationen sind auch dazu da, um Effizienz zu steigern und Kosten zu senken.

Gibt es neue Technologien oder Automatisierungsprozesse, die in der Ostschweiz kürzlich eingeführt wurden? «Der Trend geht seit Jahren in automatisierte, ‹mannarme› Produktion von kleineren Losgrössen», sagt Ivo Högg. Interessant sei auch die Zusammenführung von verschiedenen Fertigungstechnologien in einem einzigen integrierten Prozessschritt. «In beides haben wir in den vergangenen Jahren viel investiert.»

Auch Pirmin Helbling setzt auf die automatisierte Produktion – «dank des Neubaus vor vier Jahren mit viel Automatisierung in der Lagertechnik setzen wir auch in der Produktion für einfache Tätigkeiten vermehrt auf die Unterstützung kollaborativer Roboter» – ebenso wie Ulf Heule: «Vor einiger Zeit haben wir in der ganzen Unternehmung Lean Management eingeführt. Dadurch konnten wir schon zahlreiche Prozesse optimieren und somit effizienter gestalten.» Werden neue Maschinen angeschafft, liege der Fokus auf der Automatisierung und der Integration mehrerer Prozessschritte innerhalb einer Maschine.

Und wie sieht es aktuell mit den Fach- und Arbeitskräften aus, welche Massnahmen ergreifen unsere MEM-Unternehmen, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu halten? «Eine gesunde und faire Unternehmenskultur mit Einbezug einer langfristigen Karriereplanung in einem global tätigen Familienunternehmen ist Teil des Erfolgs, Mitarbeiter langfristig binden zu können», fasst Pirmin Helbling die Kindlimann-Strategie zusammen.

Auch Ulf Heule betont den Familienbezug: «Wir sind ein familiengeführtes Unternehmen – unterdessen ist mein Sohn Rik zusammen mit mir als Co-CEO tätig. Für uns wichtig sind eine angenehme Arbeitsumgebung, wo das Arbeiten Freude bereitet, sowie die individuelle Förderung jedes einzelnen Mitarbeiters». Dem pflichtet Ivo Högg bei, weist aber darauf hin, dass es aktuell herausfordernd sei, geeignete Mitarbeiter zu finden, die auch ins Team passen. «Neben den ‹Basics› wie Lohn oder Arbeitsweg werden Faktoren wie Sinnhaftigkeit und Benefits immer wichtiger. Hier versuchen wir, unsere Stärken hervorzuheben.» 

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«Neben den ‹Basics› wie Lohn oder Arbeitsweg werden Faktoren wie Sinnhaftigkeit und Benefits immer wichtiger.»

Legen die Kunden in unsicheren Zeiten vermehrt Wert auf Beziehungen mit verlässlichen Partnern? «Absolut», sagt Ulf Heule. «Wir wollen für unsere Kunden nicht nur ein Werkzeuglieferant, sondern ein solcher langfristiger Partner sein.» Das werde in besonderem Masse geschätzt. «Unsere Kundenbeziehungen sind nach wie vor von gegenseitigem, langjährigem Vertrauen gezeichnet», unterstreicht auch Ivo Högg. «Je unsicherer sich die wirtschaftliche Lage darstellt, umso wichtiger ist dies.» Die persönliche Nähe zum Kunden sei wichtiger denn je, um «auf kurzfristige Änderungen im Markt rasch reagieren zu können», stösst Pirmin Helbling ins gleiche Horn.

Überhaupt, die Kundennähe: Diese sehen unsere MEM-Unternehmen als Schlüssel-Erfolgsfaktor: «Eigentlich ist es ganz einfach. Der Kunde braucht ein qualitativ gutes, termin- und kostengerechtes Produkt sowie eine umfassende persönliche Betreuung. Dann stimmt schon sehr viel», bringt es Ivo Högg auf den Punkt. Dem pflichtet Ulf Heule bei: «Das Wichtigste ist die Kundennähe. In unserem Markt verändert sich aktuell viel. Deshalb müssen wir spüren, was unsere Kunden benötigen – und unsere Lösungen und unseren Service entsprechend anpassen.»

Das sieht Pirmin Helbling genauso: «Wir setzen primär auf persönliche Kontakte und ein rasches Involvieren in die Entwicklungen unserer Kunden. Durch regelmässige Gespräche und direktes Feedback können wir schnell auf Veränderungen reagieren und massgeschneiderte Lösungen anbieten, die unsere Kunden sehr schätzen – und langfristige Geschäftsbeziehungen fördern.»

Text: Stephan Ziegler

Bild: zVg, Pixabay

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