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Auf dem Weg zu Netto-Null

Auf dem Weg zu Netto-Null
Urs Gantner
Lesezeit: 4 Minuten

2023 konnte die VAT, weltweit führende Anbieterin von High-end-Vakuumventilen, ihre Treibhausgase im Vergleich zum Vorjahr um fast die Hälfte reduzieren. Was bedeutet diese Reduktion für das Haager Unternehmen – und welche Strahlkraft hat sie auf die Kundschaft? CEO Urs Gantner kennt die Antworten.

Urs Gantner, Ihr Nachhaltigkeitsbericht ist durchweg positiv; so konnten die Treibhausgasemissionen um 45 Prozent reduziert werden. Möchten Sie mit gutem Beispiel vorangehen – oder halten Sie schlicht staatliche Vorschriften ein?
Die VAT hat sich seit jeher dem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen verschrieben – sei es beim Energieverbrauch, dem bestmöglichen Recycling oder der Vermeidung von Abfall. Dies ist aus eigenem Antrieb geschehen. Für uns war es das Richtige und ist es auch weiterhin. Wir sind also tatsächlich mit einem guten Beispiel vorangegangen. 

Und wo konnten Sie den grössten Hebel ansetzen?
Wir konnten bereits vielerorts starke Reduktionen verzeichnen; beispielsweise in unserem Stammwerk in Haag: Dort beziehen wir den ganzen Strom aus erneuerbaren Energiequellen. In den Standorten Malaysia und Rumänien ist das etwas schwieriger. Denn hier ist der Anteil an erneuerbaren Quellen kleiner als in der Schweiz. Daher setzen wir dort auf Strom aus Photovoltaikanlagen. Zudem sind wir in ein Programm eingebunden, das uns den Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen ermöglicht.

Damit sind Sie aber noch nicht zufrieden; was ist ihr nächstes Ziel?
Wir haben eine globale Initiative gestartet, um mit der «Science Based Target Initiative» konkrete Ziele für die VAT zu definieren, wie wir zu einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad beitragen können. Unsere langfristige Strategie ist es, unsere Aktivitäten unter der «Netto-Null»-Prämisse zu verfolgen.

 

«Wir haben schon immer Wert auf eine nachhaltige und effiziente Produktion gelegt.»

Und wie soll das geschehen?
Dazu gibt es eine Menge Massnahmen, darunter auch solche, die wir nur mit der Hilfe unserer Kunden oder Lieferanten erreichen können. In der Logistik beispielsweise benötigen wir die Bereitschaft, dass dank vorausschauender Planung weniger Produkte mit Luftfracht verschickt werden müssen. In einer dynamischen Branche wie der Halbleiterindustrie ist dies teilweise schwierig zu realisieren. Auch muss man sich bewusst sein, dass sich Branchen nicht über Nacht komplett umstellen können; z. B. werden wir weiterhin auf Aluminium und Edelstahl angewiesen sein. Dies zeigt, dass es ein Prozess ist, der einige Jahre dauern wird. In unseren eigenen Händen liegen aber Massnahmen beim direkten Verbrauch von Energie, der Reduktion von Transportwegen durch regionale Fertigungsstätten und der nachhaltigen Infrastruktur, wie unser LEED-Gold- («Leadership in Energy and Environmental Design», eine Auszeichnung des «US Green Building Council») zertifiziertes Innovationszentrum in Haag.

Es scheint, dass ESG-Fortschritte (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen) gerade auch in der MEM-Industrie immer wichtiger werden. Sind diese Ihren Kunden wichtig?
Ja. ESG-Massnahmen gehen heute weit darüber hinaus, als nur den CO₂-Ausstoss zu verringern. Die Gesellschaft befindet sich in einem Wandel; junge Berufstätige haben oft einen anderen Fokus als die Generation davor. Diese Ansprüche mit den Abläufen eines Industrieunternehmens unter einen Hut zu bringen, ist eine grosse Aufgabe, die in den Sozialbereich, also das S von ESG, fällt. Gesunde Governance – das G in ESG – Strukturen müssen dabei ebenfalls berücksichtigt werden.

Neu haben Sie weltweit über zwei Drittel erneuerbare Energien in Ihrem Energiemix. Auch hier die Frage: Wollen Sie eine Vorreiterrolle einnehmen oder spielen hier andere Faktoren wie Vorschriften oder Preise hinein?
Natürlich streben wir an, wenn immer möglich auf eine 100-Prozent-Quote an CO₂-neutralen Energien zu gelangen. Das hängt aber auch von der Verfügbarkeit ab. Hinzu kommt eine vollständige Analyse der gesamten Lieferkette. So kann es sein, dass der gesamte CO₂-Fussabdruck eines unserer Produkte, bis es beim Kunden ankommt, geringer ist, weil kürzerer Transportwege den Einsatz nicht erneuerbarer Energie in der Produktion mehr als kompensieren.

 

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«Wir wollen unseren Kunden die besten Lösungen liefern.»

Dieser Sinneswandel kam bereits vor mehreren Jahren. Doch woher kommt er?
Wir bei der VAT haben schon immer Wert auf eine nachhaltige und effiziente Produktion gelegt. Es ist eher das Resultat einer wachsenden Institution als eines Sinneswandels, dass wir jetzt einen solchen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Wir wollen das Richtige tun – und Transparenz ist uns nicht zuletzt auch unseren Mitarbeitern gegenüber sehr wichtig. Wir machen es also, weil es angebracht ist – nicht, weil jemand danach fragt.

Schlagen sich Reduktionspläne nicht auch auf die Betriebskosten, Arbeitsprozesse und auf die Kundschaft nieder?
Das ist die grosse Angst vieler Unternehmen, die sich mit der Nachhaltigkeit befassen. Persönlich glaube ich aber, dass trotz der Kosten, die zu Beginn anfallen, mittelfristig durch eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie Wettbewerbsvorteile für alle unsere Ansprechgruppen (vom Zulieferer bis zum Kunden) erzielt werden können, die grösser sind als die Kosten der Implementierung. Für innovative Firmen ist es eine Chance und keine Last.

Gibt es auch Änderungen für die Kunden?
Nein, wir wollen unseren Kunden die besten Lösungen für ihre Bedürfnisse liefern und unser Fokus auf Nachhaltigkeit zahlt sich letztlich auch für sie aus. Unsere Hauptkunden sind im Halbleitermarkt tätig, einem global vernetzten Ökosystem. Die Produkte dieser Industrie tragen wesentlich dazu bei, dass nachhaltige Produkte und Systeme entstehen können. Denken Sie nur an die Elektrifizierung in der Mobilität, der Produktion oder der Verteilung und optimalen Nutzung von Energie. Das «Semiconductor Climate Consortium» (SCC) treibt den Fortschritt bei der Bewältigung der klimatischen Herausforderungen innerhalb ihrer industriellen Wertschöpfungskette voran und unterstützt das Pariser Abkommen und damit verbundene Vereinbarungen, die den 1,5 °C-Pfad vorantreiben. VAT ist Gründungsmitglied des SCC.

Text: Fabian Alexander Meyer

Bild: zVg, Pixabay

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