Als Botschafter eines Hidden Champions in aller Welt unterwegs
«Schon in jungen Jahren wollte ich reisen, international unterwegs sein», sagt Claudio Caliano. Als junger Familienvater stellte er diesen Wunsch aber hinten an. Bis er die Ausschreibung seiner heutigen Stelle entdeckte: «Zu den Aufgaben gehören Reisen zu Kunden, aber ich bin nicht permanent unterwegs; das kam mir entgegen.»
40 Prozent unterwegs
Der gelernte Elektriker, der sich seit je her für technische Belange interessierte, wagte den Schritt und bewarb sich. Inzwischen ist er zu etwa 40 Prozent seines Arbeitspensums auf Achse. Viele Einsätze sind bei europäischen Kunden, doch immer wieder führen ihn Reisen weiter weg, im Herbst reiste Claudio Caliano nach Puerto Rico, gerade war er in Algerien, bevor er noch einen Abstecher nach Hamburg machte.
In Algerien stand bei einem Kunden aus der Pharma-Branche die Fünf-Jahres-Wartung von Ventilen in einer Trocknungsanlage an, in Hamburg wurden die Ventile eines Unternehmens revidiert, das aus Molke Zwischenprodukte für Nahrungsmittel oder Tierfutter herstellt. «Überall, wo brennbarer Staub entsteht, sind Ventile aus unserer Ventex-Palette verbaut.»
Bei den Kunden wird der Servicetechniker stets gut aufgenommen, «man spürt schon, wie wichtig unsere Komponenten in den Anlagen sind». Wenn die Kunden in die jährliche Wartung investieren und alle fünf Jahre eine gründliche Revision vornehmen lassen, zahle sich das aus, da die Sicherheit für Mitarbeiter und Umwelt gewährleistet bleibt und die jeweilige Produktion so kaum einen Stillstand verzeichnet, erklärt Claudio Caliano. «Wenn in der Pharmaindustrie die Produktion für einen Tag stoppt, kann das schnell hohe sechsstellige Ausfälle verursachen; das wäre fatal.»
Explosion eindämmen
Egal, ob organische Stoffe wie Zucker oder anorganische Stoffe wie Aluminium – in Staubform kann fast jedes Material in Verbindung mit Sauerstoff und einer Zündquelle explodieren. In Industrieanwendungen kommt dem Explosionsschutz daher eine grosse Bedeutung zu. Sollte es trotzdem zu einer Entzündung kommen, darf sich die Wucht der Explosion nicht über die Produktionsanlagen weiterverbreiten – dafür sorgen die Ventile der Spezialisten aus Herisau.
«Der Druck der Explosion erreicht das Ventil vor der Flamme», erklärt Rico-Geschäftsführer Aleksandar Agatonović, dadurch wird das Ventil sofort sicher verschlossen und verriegelt. Die Ausbreitung der Explosion wird gestoppt, Folgeschäden werden vermieden. Rico-Ventile werden in verschiedenen Grössen und Varianten in der Industrie verbaut; es gibt sie für horizontale und vertikale Einbaulagen und in verschiedenen Ausführungen.
Die seit Jahrzehnten bewährten Ventex-Ventile werden technisch stets weiterentwickelt, dazu kommen aber auch andere, neue Produkte wie der Redex-Ball, ein Kugelhahn für Explosionsentkopplung. Im Portfolio der Rico Sicherheitstechnik AG finden sich aber auch gasdichte Absperrklappen oder Brandschutzklappen, die unter anderem auf U-Booten eingesetzt werden.
Minutiöse Planung
Wenn Claudio Caliano am Firmensitz arbeitet, erledigt er viele administrative Aufgaben – und plant seine nächsten Serviceeinsätze. «Ich verwende die Zeit in Herisau, um den Einsatz beim Kunden so minutiös wie möglich zu planen», sagt er. Dadurch lassen Komplikationen und Unvorhergesehenes weitestgehend ausschliessen.
Claudio Caliano macht die Auftragsabwicklung mit den Kunden und klärt, welche Ersatzteile mutmasslich benötigt werden. Die Komponenten werden dann frühzeitig an den Kunden versandt, damit sie beim Service tatsächlich verfügbar sind und nicht irgendwo an einem Zoll auf die Abfertigung warten. Danach erfolgt die eigene Reiseplanung, das Organisieren von Hotel und Flug. Wichtig ist die genaue Ablaufplanung; der Kunde muss wissen, wann der Servicetechniker kommt und welche Vorleistungen er zu erledigen hat.
«Die zu wartenden Ventile müssen dann bereits ausgebaut, gereinigt und dekontaminiert sein», erklärt Claudio Caliano. Es ist ein wenig wie im Spital: Wenn der Chirurg kommt, liegt der Patient schon vorbereitet im Operationssaal. «Die Ventile sind irgendwo in den Leitungen verbaut, das kann auch auf sieben Metern Höhe sein», sagt Claudio Caliano. Bereits ein kleines Ventil hat 68 Kilogramm Gewicht, das von Hand abzubauen, wäre schwierig.
Die grösseren Ventile können schnell auch 300 Kilogramm Gewicht haben. Darum muss der Kunde diese schon vorher demontiert haben. Nur einmal, als eine Information auf der Strecke blieb, fuhr Claudio Caliano vergebens sechs Stunden zu einem Kunden nach Deutschland – dieser war nicht vorbereitet, die Ventile waren nicht ausgebaut. «In der Regel kann ein Kunde seine laufende Produktion auch nicht einfach stoppen.»
Wirklich Weltmarktführer
Der Begriff «Hidden Champion» umschreibt die Rico Sicherheitstechnik AG ziemlich gut. Viele Unternehmen sagen von sich, dass sie Weltmarktführer sind; «wir strapazieren das nicht so sehr – aber sind es wirklich», hält Aleksandar Agatonović fest. Rund 90 Prozent der Produkte werden in die ganze Welt exportiert; es gibt Kunden in Japan, Südamerika oder Singapur. Gleichzeitig weiss in Herisau kaum jemand, was die Firma herstellt.
Im Hinblick auf die Rekrutierung künftiger Fachkräfte wäre es dem Geschäftsführer recht, wenn das Unternehmen weniger versteckt ist. Das dürfte auch bald der Fall sein: Rico Sicherheitstechnik AG, heute in einer diskreten Liegenschaft eingemietet, baut am Ortsrand von Herisau in der Nordhalde einen neuen Firmensitz, «dann sollte das Ganze etwas prominenter daherkommen».
Potenziellen neuen Fachkräften wird das einschlägige Know-how vom Unternehmen vermittelt. Aleksandar Agatonović weiss, dass es den gelernten Explosionsschützer nicht gibt. «Leuten mit handwerklichem Talent können wir aber alles beibringen, wenn sie den Willen dazu haben.»
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Ein wenig wie Ferien
Claudio Caliano ist in Herisau geboren und aufgewachsen; er lebt mit seiner Familie auch in Herisau und empfindet es als «Luxus», für eine Firma im Ort arbeiten zu können. Doch auch wenn er sich als «waschechten Herisauer mit italienischem Background» bezeichnet: Seine heutige Arbeitgeberin kannte auch er nur knapp dem Namen nach.
Der neue Servicetechniker wurde an seinem neuen Arbeitsort gründlich eingearbeitet, «ich bekam eine gute Schulung». Gegenüber seiner früheren Stelle als Elektriker ist die jetzige Position eine Umstellung, eine gewünschte Umstellung. «Man entwickelt sich weiter im Leben», sagt Claudio Caliano. «Meine familiäre Situation lässt dies nun zu, und ich bin froh, dass ich den Schritt gemacht habe.»
Als Servicetechniker kann er mit den Händen arbeiten und sein Flair für Technik einsetzen. «Ich bin auch stolz darauf, dass wir ein Produkt herstellen, das Leben, Umwelt und Systeme schützt.» Gleichzeitig kann er reisen, «ich lerne stets neue Kulturen und andere Menschen kennen». Seine Freunde würden manchmal witzeln, ob er wieder in die Ferien verreise, wenn ein Serviceeinsatz ansteht. «Ganz ehrlich: Ich mache das so gerne, dass es nahe an einem Ferienerlebnis ist.»
Text: Philipp Landmark
Bild: Marlies Beeler-Thurnheerr