Fachkraft

Sie hat das Flair für Farben

Sie hat das Flair für Farben
Jeannine Bänziger
Lesezeit: 5 Minuten

Von grossflächigen Aussenfassaden bis zu kleinen Rissen in den Wänden: Die Arbeit der Malerin ist vielfältig – und das ist es auch, was Jeannine Bänziger an ihrem Beruf so gut gefällt. Deshalb kann sie sich keinen anderen Beruf vorstellen.

Jeannine Bänziger steht in der Küche einer Altbauwohnung im St.Galler Museumsquartier. Weisse Hosen, weisses T-Shirt und die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Der Boden ist mit Plastik abgedeckt, die Übergänge zu Schrank, Decke und Fenster sind abgeklebt. In der Hand hält sie einen grossen Farbroller. Die Malerin ist soeben mit dem Streichen der Küchenwand fertig geworden und beäugt nun kritisch ihre Arbeit. Ein paar Sekunden vergehen, dann nickt Bänziger zufrieden: keine Flecken, keine Löcher, keine vergessenen Stellen. «Diese Wand kann ich jetzt gut so trocknen lassen», sagt sie und hängt den Farbroller zurück an den Farbeimer.

«Wenn ich die frisch gestrichene Wand sehe und weiss, wie sie vorher ausgesehen hat, gibt mir das ein gutes Gefühl.»

Farbe seit einem Vierteljahrhundert

Seit bald 25 Jahren arbeitet Jeannine Bänziger als Malerin; seit siebeneinhalb Jahren ist sie für die St.Galler Firma Hofmann Malerei AG tätig. Damit ist sie eine von wenigen Frauen, die diesen Beruf ausüben. «Bei uns im Betrieb sind wir sechs Malerinnen», sagt sie. «Zwei Lernende, drei Festangestellte und eine, die mittlerweile in der Projektleitung arbeitet. Dazu haben wir noch ein paar temporäre Mitarbeiterinnen.»

Die gebürtige Engelburgerin liebt ihre Arbeit, kann sich keinen anderen Beruf für sich vorstellen. «Ich bin eine Macherin und gerne unterwegs. Ich kann nicht den ganzen Tag im Büro sitzen», sagt sie. «Ich will mit den Händen arbeiten und am Abend auch das Resultat meiner Arbeit sehen.» Bänziger gefällt vor allem der Vorher-Nachher-Effekt, der sich beim Malen ausgesprochen gut zeigt. «Wenn ich die frisch gestrichene Wand sehe und weiss, wie sie vorher ausgesehen hat, gibt mir das ein gutes Gefühl», sagt sie, packt ihre Utensilien zusammen und wechselt in den nächsten Raum der Altbauwohnung, wo eine weniger strahlend weisse Wand wartet. «Die Vormieter hatten hier während fünf Jahren gewohnt, das sieht man den Wänden an. Sie sind leicht grau. Aber das ist normal, hier wurde gelebt.»

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Von der Mutter motiviert

Bevor die 40-Jährige an diesem Morgen mit ihrer Arbeit in der Altbauwohnung beginnen konnte, war sie ein paar Stunden in einer anderen Wohnung beschäftigt. «Dort mussten Löcher in der Decke ausgebessert werden», sagt sie. Auch das gehört zu den Tätigkeiten einer Malerin, so wie auch das Streichen von Aussenfassaden unterschiedlichster Gebäude, Schleifarbeiten oder eben das Malen von Wohnungen, Neubauten und anderen Räumen. Diese Vielseitigkeit fasziniert Bänziger an ihrem Job. «Es kann sein, dass ich an einem Tag mit einer grossflächigen Fassade beschäftigt bin und am anderen mit Detailarbeiten an einer profilierten Tür.»

Gerade für kleinere und feinere Arbeiten brauche es eine ruhige Hand. Daneben ist es für den Beruf der Malerin auch wichtig, das Flair und das Auge für Farben zu haben. «Oft müssen wir Farben mischen, um etwa Schäden ausbessern zu können. Da sollte man schon ein Händchen dafür haben, wie viel es von jeder Farbe benötigt.» Das Ziel sei es, so die Malerin, dass nach dem Anstrich keine Unterschiede mehr an Wänden, Türen oder Fassaden sichtbar sind.

 

«Es kann sein, dass ich an einem Tag mit einer grossflächigen Fassade beschäftigt bin und am anderen mit Detailarbeiten an einer profilierten Tür.»

Als Jugendliche war für Jeannine Bänziger nicht unbedingt klar, dass sie Malerin werden wollte. «Ich habe mir verschiedene Berufe angeschaut, aber nirgends hat es mir gefallen», erinnert sie sich. Ihre Mutter meinte dann, dass sie es als Malerin versuchen solle, da sie bereits als Kind die Tapeten ihres Zimmers selbst entfernt habe. Warum nicht, dachte sie und holte sich erste Berufseindrücke beim Schnuppern. Die Arbeit gefiel ihr auf Anhieb – und sie suchte sich eine Lehrstelle.

Nach der Lehrabschlussprüfung absolvierte Bänziger die Rekrutenschule und arbeitete temporär für verschiedene Malergeschäfte. Beim letzten Betrieb wurde eine Festanstellung daraus. Nach elf Jahren sei es dann Zeit für eine neue Herausforderung gewesen, sagt sie. «Ein Bekannter arbeitete bei der Firma Hofmann Malerei und ermunterte mich, mich hier zu bewerben – was ich getan habe.» Das war 2016; seither trägt Bänziger auf ihrer weissen Arbeitskleidung das Logo des St.Galler Familienbetriebs.

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Ein Arbeitgeber, der sie machen lässt

Die Hofmann Malerei AG ist ein Unternehmen mit einer 140-jährigen Tradition. Seit Sommer 2023 wird es von Dario Hofmann in fünfter Generation geführt. Vater Thuri, der das Geschäft während 30 Jahren leitete, ist ins zweite Glied getreten und unterstützt den Sohn seither als stellvertretender Geschäftsführer. Das Malergeschäft mit Hauptsitz in der Stadt St.Gallen beschäftigt rund 40 Angestellte und hat in den vergangenen Jahren sowohl bei denkmalgeschützten Gebäuden wie der St.Galler Kathedrale oder der Lokremise sowie bei öffentlichen Bauten wie dem Rathaus und der HSG als auch bei Kliniken, Schulen und Einfamilienhäusern für einen frischen Farbanstrich gesorgt. Jährlich werden mehr als 200’000 Kilogramm Farbe verwendet und über 2500 Farbmuster gemischt.

Jeannine Bänziger schätzt an ihrem Arbeitgeber, dass er ihr viele Freiheiten lässt. «Ich kann so arbeiten, wie ich möchte. Er vertraut mir, das spüre ich.» Ausserdem unterstütze er sie bei ihrem grossen Hobby: Die Malerin ist seit gut drei Jahren Mitglied der Feuerwehr Gossau, hat den Dienstgrad eines Wachtmeisters. Davor engagierte sich Bänziger bei der Feuerwehr der Stadt St.Gallen, wo auch ihr Partner, mit dem sie seit gut vier Jahren in Andwil wohnt, aktiv ist. «Je nach Anruf muss ich alles stehen und liegen lassen und mit der Mannschaft ausrücken», sagt sie. Dass ein Arbeitgeber das akzeptiere, sei nicht selbstverständlich. Allerdings achte sie immer darauf, dass ihre Baustellen trotzdem rechtzeitig fertig werden. «Es gab Tage, da habe ich nach einem längeren Feuerwehreinsatz noch gewisse Arbeiten auf der Baustelle zu Ende gebracht.»

Sie schätzt die Ruhe beim Arbeiten

Auch in der Altbauwohnung im Museumsquartier, in der bald eine neue Mieterschaft einziehen wird, müssen an diesem Morgen noch weitere Wände gestrichen, Löcher ausgebessert und Schäden geflickt werden. Allerdings wird Jeannine Bänziger dafür noch einen weiteren Tag brauchen, dies wird aber nicht der nächste sein, da sie dann bereits für eine andere Baustelle eingeplant ist. Jeweils am Montag bekommt sie von der Projektleiterin des Malerbetriebs den Plan mit den anstehenden Arbeiten der gesamten Woche. Danach habe sie sich zu richten, sonst sei sie aber ziemlich frei.

Bänziger arbeitet oft allein, was ihr nichts ausmacht. Im Gegenteil. Sie schätzt die Ruhe beim Arbeiten. «So kritisiert niemand meinen Arbeitsstil», sagt sie augenzwinkernd, «und ich komme schnell vorwärts». Und vorwärtsmachen müsse sie jetzt auch, fügt sie an und lacht. Sie stellt den Kübel mit der weissen Farbe vor die Wand im nächsten grossen Zimmer, das als Wohnzimmer genutzt werden könnte. Dann nimmt sie den Pinsel in die Hand und macht sich konzentriert und zügig an die Arbeit.

Text: Marion Loher

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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