Präzisionsarbeit beginnt mit guter Kommunikation
Jeder Arbeitstag beginnt für Pascal Bruderer mit zwei Stehsitzungen, sogenannten Shopfloor-Meetings. Sie sind fest in seiner Agenda eingeplant und dauern jeweils eine Viertelstunde. Eine Sitzung findet mit seinen beiden Teamleitern, den zwei Technikern und der Disposition statt, die andere mit dem COO und weiteren Abteilungsleitern. «Mit diesen kurzen, aber regelmässigen Treffen halten wir einander auf dem Laufenden. So können wir rasch reagieren, falls Probleme auftreten», sagt der Leiter der Abteilung Kitten und Zentrieren bei der Fisba AG in St.Gallen.
Der 34-Jährige arbeitet seit zweieinhalb Jahren in dieser Funktion und ist für insgesamt 50 Angestellte verantwortlich. Diese werden von den beiden Teamleitern geführt, die sich vor dem morgendlichen Treffen mit Pascal Bruderer mit den Mitarbeitern austauschen und ihren Chef danach über den aktuellen Stand orientieren. «Ein guter Informationsfluss in beide Richtungen und eine transparente Kommunikation sind bei einem Unternehmen mit 360 Leuten essenziell», sagt er.
Kleine Linse für die weite Welt
Die Fisba AG zählt zu den führenden Anbietern in der Optikindustrie und ist spezialisiert auf die Entwicklung und Produktion von hochwertigen optischen Komponenten und Systemen. Das Traditionsunternehmen im Osten der Stadt St.Gallen bietet eine breite Palette an kundenspezifischen Lösungen, darunter optische Linsen, Prismen, Spiegel, Filter sowie ganze Objektive, die in verschiedenen Hightech-Anwendungen wie der Medizintechnik, Lasertechnologie, Messtechnik und Mikroskopie verwendet werden. Die Fisba AG ist bekannt für ihre Expertise in der Präzisionsoptik und setzt auf modernste Technologien sowie höchste Qualitätsstandards. Die massgefertigten Produkte werden weltweit vertrieben; neben dem Hauptsitz in St.Gallen gibt es weitere Standorte in Deutschland, den USA und in China.
In der Abteilung von Pascal Bruderer werden hauptsächlich Linsen für Geräte der Endoskopie, also für die konventionelle, minimalinvasive und die Robotik gesteuerte Chirurgie, gefertigt. Solche Geräte kommen beispielsweise bei Bauch- oder Magenspiegelungen, aber auch bei Knieoperationen oder der Entfernung von Harn- oder Nierensteinen zum Einsatz.
Im gesamten Produktionsprozess gehört die Abteilung Kitten und Zentrieren zu den letzten Schritten in der Linsen-Herstellung. Als Erstes werden aus Glasblöcken Quader getrennt, die danach zu Radien geschliffen und daraufhin beschichtet werden. «Die Oberfläche wird veredelt, weil sie dadurch eine viel bessere optische Eigenschaft bekommt», sagt der Abteilungsleiter. Dann folgt das Kitten. Dabei werden zwei oder mehrere Komponenten der Linsen miteinander verklebt oder, wie es in der Fachsprache heisst, gekittet. Dies geschieht hauptsächlich mit einem UV-Kleber, der verhärtet, sobald UV-Licht appliziert wird. Durch das Kitten werden die optischen Achsen der Linsen zueinander ausgerichtet. Anschliessend wird ihr Mantel beim Zentrieren bearbeitet und in Form gebracht. Danach geht die Linse zurück in die Kitterei, wo sie gereinigt und eingelagert wird.
Pascal Bruderer ist dafür verantwortlich, dass am Schluss die Qualität der hochpräzisen Teile stimmt und die richtige Anzahl zur richtigen Zeit produziert wird. Auf einem Bildschirm im Produktionsbereich können die Mitarbeiter täglich sehen, wie viele Stücke bereits hergestellt wurden und wie viele es noch bis Ende Monat sein müssen. «Durchschnittlich bearbeiten wir in unserer Abteilung monatlich etwa 50’000 Linsen, Verbundsysteme und andere optische Teile.»
Während das Zentrieren vorwiegend ein maschineller Vorgang ist, wird das Kitten noch vorwiegend von Hand gemacht. Mit Betonung auf «noch»: «Es ist ein sehr strukturierter und genau definierter Vorgang», sagt der Abteilungsleiter, «und deshalb prädestiniert dafür, dass er bald automatisiert wird.» Die Fisba habe in den vergangenen Jahren einige Abläufe automatisiert – und werde es auch in Zukunft tun. Dafür hat sie eigens ein Team eingesetzt, das sich ausschliesslich um die Möglichkeiten der Automatisierung im Unternehmen kümmert. Zu Kündigungen habe es deswegen in der Fisba in der Vergangenheit aber nicht geführt. «Die Ressourcen, die dadurch freigeworden sind, haben wir bisher immer für komplexere Prozesse einsetzen können.»
Ambitionen im Beruf und beim Velofahren
Pascal Bruderer arbeitet sein halbes Leben in der Fisba. Bereits die Lehre zum Feinwerkoptiker hat er im Unternehmen absolviert – und ist seither geblieben. «Es gab für mich nie einen Grund, den Arbeitgeber zu wechseln», sagt der gebürtige «Häädler», der zwischenzeitlich in der Stadt St.Gallen wohnte und heute mit seiner Partnerin in Mörschwil lebt. «Die Arbeit macht mir nach wie vor grossen Spass. Zudem hat mich die Fisba immer unterstützt und mir gute Weiterbildungsmöglichkeiten geboten.»
Nach seiner Ausbildung arbeitete Bruderer während rund vier Jahren in der Planoptik und absolvierte parallel dazu die Weiterbildung zum Betriebstechniker. In der Folge übernahm er die Leitung eines Teams in einem anderen Bereich, liess sich zum Erwachsenenbildner ausbilden und war daraufhin für die Lernenden verantwortlich. Da ihn aber nicht nur die Produktion interessierte, sondern auch die gesamte Planung und Kalkulation, wechselte er für zwei Jahre in die Arbeitsvorbereitung. «Hier habe ich betriebswirtschaftlich sehr viel gelernt», sagt Pascal Bruderer. Danach bekam er die Möglichkeit, für ein halbes Jahr in die USA zu gehen und in der dortigen Niederlassung Erfahrungen zu sammeln und Englisch zu lernen. Nach seiner Rückkehr wurde ein Nachfolger für die Leitung der Abteilung Kitten und Zentrieren gesucht, da der damalige Stelleninhaber in Pension ging. Bruderer nutzte die Chance und bekam die Stelle.
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Die Verantwortung bei diesen kleinen Linsen – die kleinste hat gerade einmal einen Durchmesser von 1,3 Millimetern – ist gross, die Produktion kostenintensiv. Doch der 34-Jährige kann gut damit umgehen. Abschalten fällt ihm leicht. Meistens geht Bruderer dafür nach draussen in die Natur zum Wandern. Oder er steigt auf sein Velo und fährt zusammen mit seiner Partnerin für mehrere Tage durch die Schweiz oder – wie im vergangenen Sommer – an die Mittelmeerküste. Innerhalb von zehn Tagen sind die beiden von Genf nach Cannes gefahren und haben dabei 800 Kilometer und 10´000 Höhenmeter überwunden. Dazu gehörte auch ein Teil der schweisstreibenden Pyrenäen-Fahrt der Tour de France. Streng sei es gewesen, sagt er und lacht, aber auch sehr eindrücklich. «Die Tour-de-France-Fahrer waren nur wenige Tage vor uns auf der Strecke. Die Fähnchen steckten noch am Strassenrand.»
Bei der Arbeit wird eine der nächsten grossen Herausforderungen sein, die neuen Mitarbeiter ins Team zu integrieren. «Die Nachfrage nach spezialisierten Linsen ist in den vergangenen Monaten derart gestiegen, dass wir zwölf Angestellte einstellen konnten», sagt er. Allerdings sei es nicht einfach gewesen, diese zu finden, denn auch die Optikindustrie spüre den Fachkräftemangel stark. Der Abteilungsleiter ist deshalb froh, gute neue Leute gefunden zu haben und sie nun einarbeiten zu dürfen. «Ich habe mir in meinen fast 18 Jahren bei der Fisba viel Wissen aneignen können, das ich gerne weitergebe – so wie es mir früher ebenfalls weitergegeben wurde.»
Text: Marion Loher
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer